Knoxens Augen waren geschlossen, und sein Kopf hing schwer auf die Brust herab; er hatte das Bewu?tsein verloren und wu?te nicht, was mit ihm vorging. Hilton lie? seine angsterfullten Blicke umherschweifen. Als er die vier Jager sah, rief er ihnen zu:»Rettet mich, rettet mich, Mesch'schurs. Ihr seid doch keine Heiden. Seid ihr denn gekommen, um uns eines so entsetzlichen Todes sterben zu sehen und euch an unsern Qualen zu weiden?«

«Nein, «antwortete Old Shatterhand.»Wir befinden uns gezwungen hier, konnen auch nichts fur euch thun.«

«Ihr konnt, ihr konnt, wenn ihr nur wollt. Die Roten werden auf euch horen.«

«Nein. Ihr seid allein schuld an eurem Schicksale. Wer den Mut zu sundigen hat, der mu? auch den Mut haben, die Strafe auf sich zu nehmen.«

«Ich bin unschuldig. Ich habe keinen Indianer erschossen. Knox hat es gethan.«

«Lugt nicht! Es ist eine freche Feigheit, die Schuld auf ihn allein walzen zu wollen. Bereut lieber Eure, damit ihr jenseits Vergebung findet!«

«Ich will aber nicht sterben; ich mag nicht sterben! Hilfe, Hilfe, Hilfe!«

Er brullte so laut, da? es uber die weite Ebene hinschallte, und zerrte dabei so an seinen Fesseln, da? ihm das Blut aus dem Fleische spritzte. Da stand der» gro?e Wolf «auf und gab mit der Hand ein Zeichen, da? er sprechen wolle. Aller Augen richteten sich auf ihn. Er erzahlte in der kurzen, kraftigen und doch schwunghaften Weise eines indianischen Redekunstlers, was geschehen war, und schilderte das verraterische Gebaren der Bleichgesichter, mit denen man im Frieden gelebt hatte, und welche nicht beleidigt worden waren, mit Worten, welche einen so tiefen Eindruck auf die Roten machten, da? diese mit den Waffen zu rasseln und zu klirren begannen. Dann erklarte er, da? die beiden Morder zum Tode am Marterpfahle verurteilt seien und die Hinrichtung nun beginnen werde. Als er geendet und sich niedergesetzt hatte, erhob Hilton nochmals seine Stimme, um Old Shatterhand zur Furbitte zu bewegen.

«Nun gut, ich will es versuchen, «antwortete dieser.»Kann ich nicht den Tod abwenden, so erreiche ich doch so viel, da? derselbe ein schneller und nicht so qualvoller wird.«

Er wendete sich an die Hauptlinge, hatte aber noch nicht den Mund zum Sprechen geoffnet, als der» gro?e Wolf «ihn zornig anfuhr:»Du wei?t, da? ich die Sprache der Bleichgesichter spreche und also verstanden habe, was du diesem Hunde dort versprochen hast. Habe ich nicht genug gethan, indem ich dir so gunstige Bedingungen stellte? Willst du gegen unser Urteil sprechen und meine Krieger dadurch so erzurnen, da? ich dich nicht gegen sie zu beschutzen vermag? Schweig also, und sage kein Wort! Du hast genug an dich selbst zu denken und solltest dich nicht um andre bekummern. Wenn du die Partei dieser Morder ergreifst, so stellst du dich ihnen gleich und wirst dasselbe Schicksal erleiden.«

«Meine Religion gebietet mir, eine Furbitte zu thun, «war die einzige Entschuldigung, welche der Wei?e vorbringen durfte.

«Nach welcher Religion haben wir uns zu richten, nach der deinigen oder nach der unsrigen? Hat eure Religion es diesen Hunden geboten, uns im tiefsten Frieden zu uberfallen, unsre Pferde zu rauben und unsre Krieger zu toten? Nein! Also soll eure Religion auch keinen Einflu? auf die Bestrafung der Thater haben.«

Er wendete sich ab und gab mit der Hand ein Zeichen, worauf wohl ein Dutzend Krieger hervortraten. Dann drehte er sich wieder zu Old Shatterhand um und erklarte diesem:»Hier stehen die Anverwandten derer, welche ermordet wurden. Sie haben das Recht, die Strafe zu beginnen.«

«Worin soll dieselbe bestehen?«erkundigte sich der Jager.

«Aus verschiedenen Qualen. Zuerst wird man mit Messern nach ihnen werfen.«

Wenn bei den Roten ein Feind am Marterpfahle zu sterben hat, so suchen sie die Qualen moglichst zu verlangern. Die ihm beigebrachten Wunden sind erst nur sehr leicht und werden nach und nach schwerer. Gewohnlich beginnt man mit dem Messerwerfen, welches in der Weise vorgenommen wird, da? hintereinander die verschiedenen Glieder und Korperstellen angegeben werden, welche von den Messern getroffen werden oder in denen dieselben stecken bleiben sollen. Man wahlt diese Ziele so aus, da? nicht viel Blut vergossen wird, damit der Gemarterte nicht vorzeitig an Blutverlust stirbt.

«Der rechte Daumen!«gebot der» gro?e Wolf«.

Die Arme der Gefangenen waren in der Weise angebunden, da? die Hande frei hingen. Die hervorgetretenen Roten sonderten sich in zwei Abteilungen, die eine fur Hilton und die andre fur Knox. Sie nahmen einen Abstand von zwolf Schritten und standen hintereinander. Der Voranstehende nahm sein Messer in die erhobene Rechte, zwischen die ersten drei Finger, zielte, warf und traf den Daumen. Hilton stie? einen Schmerzensschrei aus. Knox wurde auch getroffen, doch war seine Ohnmacht so tief, da? er nicht erwachte.

«Den Zeigefinger«, befahl der Hauptling.

In dieser Weise gab er der Reihe nach die Finger an, welche getroffen werden sollten und auch wirklich mit erstaunlicher Genauigkeit getroffen wurden. Hatte Hilton erst einen einzelnen Schrei ausgesto?en, so brullte er jetzt unausgesetzt. Knox erwachte erst, als seine linke Hand zum Ziele genommen wurde. Er stierte wie abwesend um sich, schlo? dann die blutunterlaufenen Augen wieder und lie? ein ganz unmenschliches Geheul horen. Er hatte gesehen, was man mit ihm begann; das Fieber ergriff ihn wieder, und beides, Delirium und Todesangst, entrissen ihm Laute, fur welche man eine menschliche Stimme gar nicht geeignet halten sollte.

Unter dem unausgesetzten Gebrulle beider wurde die Exekution fortgesetzt. Die Messer trafen die Handrucken, Handgelenke, die Muskeln des Unter- und des Oberarmes, und dieselbe Reihenfolge wurde in Beziehung auf die Beine eingehalten. Das wahrte ungefahr eine Viertelstunde und war der leichte Beginn der Qualung, welche stundenlang dauern sollte. Old Shatterhand und seine drei Gefahrten hatten sich abgewendet. Es war ihnen unmoglich, die Scene mit den Augen zu verfolgen. Das Schreien mu?ten sie uber sich ergehen lassen.

Ein Indianer wird von fruhester Kindheit an in dem Ertragen korperlicher Schmerzen geubt. Er gelangt dadurch so weit, da? er die gro?ten Qualen ertragen kann, ohne mit der Wimper zu zucken. Vielleicht sind die Nerven des Roten auch weniger empfindlich als diejenigen des Wei?en. Wenn der Indianer gefangen wird und am Marterpfahle stirbt, so ertragt er die ihm zugefugten Schmerzen mit lachelndem Munde, singt mit lauter Stimme sein Todeslied und unterbricht dasselbe nur hie und da, um seine Peiniger zu schmahen und zu verlachen. Ein jammernder Mann am Marterpfahle ist bei den Roten eine Unmoglichkeit. Wer uber Schmerzen klagt, wird verachtet, und je lauter die Klagen werden, desto gro?er wird die Verachtung. Es ist vorgekommen, da? gemarterte Wei?e, welche sterben sollten, ihre Freiheit erhielten, weil sie durch ihre unmannlichen Klagen zeigten, da? sie Memmen seien, welche man nicht zu furchten brauche und deren Totung fur jeden Krieger eine Schande sei.

Man kann sich da denken, welchen Eindruck das Gejammer Knoxens und Hiltons machte. Die Roten wendeten sich ab und lie?en Rufe der Entrustung und Verachtung horen. Als den Verwandten der ermordeten Utahs Genuge geschehen war und nun andre aufgefordert wurden, vorzutreten, und die Peinigung durch ein neues Mittel fortzusetzen, fand sich kein einziger Krieger bereit dazu. Solche» Hunde, Coyoten und Kroten «wollte niemand beruhren. Da erhob sich einer der Hauptlinge und sagte:»Diese Menschen sind nicht wert, da? ein tapferer Krieger Hand an sie legt; das sehen meine roten Bruder doch wohl ein. Wir wollen sie den Weibern uberlassen. Wer von der Hand eines Weibes stirbt, dessen Seele nimmt in den ewigen Jagdgrunden die Gestalt einer Frau an und mu? arbeiten in alle Ewigkeit. Ich habe gesprochen.«

Dieser Vorschlag wurde nach kurzer Beratung angenommen. Die Frauen und Mutter der Ermordeten wurden aufgerufen; sie bekamen Messer, um den beiden dem Tode Geweihten leichte Schnitte zu versetzen, auch in der Reihenfolge, welche der» gro?e Wolf «anzugeben hatte.

Einem gesitteten Europaer wird es schwer, zu glauben, da? ein Weib sich zu solchen Grausamkeiten herbeilassen konne. Aber die Roten sind eben nicht zivilisiert, und hier bannte die Rache fur den vielfachen Mord jede mildere Regung. Die Frauen, meist alte Weiber, begannen ihr Werk, und das Heulen und Jammern der beiden Wei?en erhob sich von neuem, und zwar in einer Weise, da? es selbst den Ohren der Roten unertraglich wurde. Der» gro?e Wolf «gebot Einhalt und sagte:»Diese Memmen sind es auch nicht wert, nach dem Tode Frauen zu sein. Kein roter Mann wird raten, ihnen die Freiheit zu geben, denn ihre Schuld ist zu gro?; sie mussen sterben; aber sie sollen die ewigen Jagdgrunde als Coyoten betreten, welche ohne Aufhoren gehetzt und verfolgt werden. Man ubergebe sie den Hunden. Ich habe gesprochen.«

Es begann eine Beratung, deren Ergebnis Old Shatterhand voraussah und mit Grauen erwartete. Er war so kuhn, eine Furbitte zu wagen, wurde aber in einer Weise abgewiesen, da? er froh war, nicht noch Schlimmeres davongetragen zu haben. Der Beschlu? wurde ganz nach dem Antrage des» gro?en Wolfes «gefa?t. Einige Rote entfernten sich, um die Hunde zu holen. Der Hauptling wendete sich zu den vier Wei?en:»Die Hunde der Utahs sind

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