auf die Bleichgesichter dressiert; sie thun ihnen nichts; sie werfen sich erst dann auf sie, wenn sie gehetzt werden; dann aber zerrei?en sie jeden Wei?en, welcher sich in der Nahe befindet. Ich werde euch also fortbringen und in einem Zelte bewachen lassen, bis die Tiere wieder angebunden sind.«
Auf seinen Befehl wurden die vier in ein nahes Zelt gebracht und dort von mehreren Indianern bewacht. Es war ihnen gerade so zu Mute, als ob sie selbst fur die Gebisse der Bestien bestimmt seien. Die beiden Morder hatten den Tod verdient; aber von Hunden zerrissen werden, das war ein gra?liches Ende.
Drau?en herrschte wohl zehn Minuten lang eine Stille, welche nur zuweilen von dem Jammer Hiltons, der sein Schicksal noch nicht kannte, unterbrochen wurde. Dann horte man lautes, hastiges Bellen, welches in ein blutdurstiges Geheul uberging; zwei menschliche Stimmen kreischten in furchterlicher Todesangst auf; dann wurde es wieder still.
«Horch!«sagte Jemmy.»Ich hore Knochen krachen. Ich glaube gar, man la?t die beiden von den Hunden fressen.«
«Moglich, aber ich glaube es nicht, «antwortete Old Shatterhand. Das Krachen lebt nur in deiner Einbildung. Auch die meinige ist ungewohnlich aufgeregt. Wohl uns, da? wir nicht gezwungen waren, die Scene mit anzusehen!«
Jetzt wurden sie wieder aus dem Zelte gelassen, um nach dem Richtplatze zuruckgefuhrt zu werden. Weiter drin, im Innern des Lagers, sah man vier oder funf Rote gehen, welche die Hunde an starken Riemen zuruckzubringen hatten. Ob die Tiere die Spuren der Wei?en gewittert hatten — einer der Hunde war kaum fortzuzerren; er sah sich um und erblickte die vier Jager; mit einem gewaltigen Rucke ri? er sich los und kam herbeigesturzt. Ein allgemeiner Schreckensschrei erscholl; der Hund war so gro? und stark, da? es fur einen Menschen ganz unmoglich schien, es mit ihm aufzunehmen. Und doch wollte keiner der Indianer auf ihn schie?en, da das Tier ein sehr wertvolles war. Jemmy legte sein Gewehr an und zielte.
«Halt, nicht schie?en, «gebot Old Shatterhand.»Die Roten konnten uns den Tod dieses prachtigen Hundes ubelnehmen, und ich will ihnen zugleich zeigen, was die Faust eines wei?en Jagers vermag.«
Diese Worte waren hastig hervorgesto?en. Es geschah uberhaupt alles weit schneller, als es erzahlt oder beschrieben werden kann, denn der Hund hatte die ganze Strecke in wahrhaft pantherahnlichen Sprungen in nicht mehr als zehn oder zwolf Sekunden zuruckgelegt. Old Shatterhand trat ihm mit einer schnellen Bewegung entgegen, die Hande niederhaltend.
«Du bist verloren!«schrie ihm der» gro?e Wolf «zu.
«Warte es ab!«antwortete der Jager.
Jetzt war der Hund da. Er hatte den zahnebewehrten Rachen weit geoffnet und warf sich mit raubtierartigem Schnaufen auf den Gegner. Dieser hielt die Augen fest auf diejenigen des Tieres gerichtet; als dasselbe zum Sprunge ansetzte, und sich bereits in der Luft befand, warf er sich ihm mit schnell ausgespreizten Armen entgegen — ein gewaltiger Zusammenprall von Hund und Mensch — Old Shatterhand schlug die Arme uber dem Nacken des Tieres, welches nach seiner Gurgel gezielt hatte, zusammen und druckte den Kopf des Hundes so fest gegen sich, da? dieser nicht zu bei?en vermochte. Ein noch festerer Druck, und dem Hunde ging der Atem aus; seine kratzenden Beine fielen schlaff nach unten. Mit einer schnellen Bewegung ri? der Jager den Kopf der Bestie mit der linken Hand von sich ab — ein Schlag mit der rechten Faust auf die Schnauze, dann schleuderte er ihn von sich.
«Da liegt er, «rief er, sich umdrehend, dem Hauptling zu.»La?t ihn anbinden, damit er, wenn er erwacht, nicht Unheil anrichtet.«
«Uff, ugh, ugh, uff!«erscholl es von den Lippen der erstaunten Roten. Das hatte keiner von ihnen gewagt; das hatten sie nicht fur moglich gehalten. Der» gro?e Wolf «gab den Befehl, das Tier fortzuschaffen, trat zu Old Shatterhand und sagte in aufrichtig bewunderndem Tone:»Mein wei?er Bruder ist ein Held. Anstatt sich von dem Bluthunde niederrei?en und zerfleischen zu lassen, hat er ihn zu Boden geschlagen. Die Fu?e keines Roten hatten so fest gestanden, und die Brust keines andern Menschen hatten diesen Zusammenprall ausgehalten; ihm waren die Rippen eingedruckt worden. Warum lie? Old Shatterhand nicht schie?en?«
«Weil ich euch nicht um dieses prachtige Tier bringen wollte.«
«Welche Unvorsichtigkeit! Wenn es dich nun zerrissen hatte!«
«Pshaw! Old Shatterhand wird von keinem Hunde zerrissen! Was gedenken die Krieger der Utahs nun zu thun?«
«Sie werden uber euch beraten, denn die Zeit dazu ist gekommen. Wollen die Bleichgesichter nicht um Mitleid bitten?«
«Mitleid? Bist du toll? Frage mich doch lieber, ob ich geneigt bin, Mitleid mit euch zu haben!«
Der Hauptling fuhrte ihn mit einem Blicke, in welchem ebensowohl Erstaunen als Bewunderung lag, zur Seite, wo die vier Wei?en sich au?erhalb des Kreises der Roten niedersetzen sollten, um die Beratung nicht belauschen zu konnen. Dann verfugte er sich nach dem Platze, welchen er schon vorher eingenommen gehabt hatte.
Die Augen der Jager richteten sich naturlich nach den beiden Pfahlen. Dort hingen die zerfleischten Korper und Glieder der Morder an den von den Hunden vielfach zerrissenen Riemen nieder, ein wirklich grauenhafter Anblick.
Nun begann die entscheidende Sitzung, welche ganz in indianischer Weise abgehalten wurde. Erst sprach der» gro?e Wolf «eine lange Zeit; dann folgten die Hauptlinge einer nach dem andern; der Wolf begann wieder, die andern auch; gewohnliche Krieger durften nicht sprechen; sie standen ehrfurchtsvoll lauschend im Kreise. Der Indianer ist wortkarg; aber bei Beratungen spricht er gern und viel. Es gibt Rote, welche als Redner eine ganz bedeutende Beruhmtheit erlangt haben.
Die Beratung nahm wohl zwei Stunden in Anspruch, eine lange Zeit fur diejenigen, deren Schicksal von dem Erfolge derselben abhangig war; dann kundete ein allgemein und laut gerufenes» Howgh!«den Schlu? der Sitzung an. Die Wei?en wurden geholt; sie mu?ten in das Innere des Kreises treten, um dort ihr Schicksal zu vernehmen. Der» gro?e Wolf «erhob sich von der Erde, um ihnen dasselbe zu verkundigen:»Die vier Bleichgesichter haben bereits gehort, weshalb wir die Kriegsbeile ausgegraben haben; ich will es ihnen nicht wiederholen. Wir haben geschworen, alle Wei?en, welche in unsre Hande geraten, zu toten, und ich durfte mit euch keine Ausnahme machen. Ihr seid mir hierher gefolgt, damit uber euch beraten werde, und habt mir versprochen, keine Gegenwehr zu leisten. Wir wissen, da? ihr die Freunde der roten Manner seid, und darum sollt ihr nicht das Schicksal der andern Bleichgesichter, welche wir fangen werden, teilen. Diese kommen sofort an den Marterpfahl; ihr aber sollt um euer Leben kampfen durfen.«
Er machte eine Pause, welche Old Shatterhand zu der Frage benutzte:»Mit wem? Wir vier Personen gegen euch alle? Gut, ich bin einverstanden. Meine Todesflinte wird viele von euch in die ewigen Jagdgrunde senden!«
Er erhob den Stutzen. Der Hauptling vermochte nicht ganz seinen Schreck zu verbergen; er machte eine schnelle, abwehrende Bewegung und antwortete:»Old Shatterhand irrt sich, jeder von euch soll einen Gegner haben, mit welchem er kampft, und der Sieger hat das Recht, den Besiegten zu toten.«
«Damit bin ich einverstanden. Wer aber hat das Recht, unsre Gegner zu wahlen, wir oder ihr?«
«Wir. Ich werde eine Aufforderung ergehen lassen, auf welche sich Freiwillige melden.«
«Und wie oder mit welchen Waffen soll gekampft werden?«
«So, wie derjenige von uns, welcher sich meldet, bestimmt.«
«Ach! Nach unsern Wunschen werdet ihr euch also da nicht richten?«
«Nein.«
«Das ist ungerecht.«
«Nein, das ist gerecht. Du mu?t bedenken, da? wir im Vorteile vor euch sind und also auch einen Vorteil zu verlangen haben.«
«Im Vorteile? Wieso?«
«So viele gegen vier.«
«Pshaw! Was sind alle eure Waffen gegen meine Todesflinte! Nur derjenige, welcher sich furchtet, verlangt einen Vorteil vor dem andern.«
«Sich furchtet?«fragte der Wolf mit blitzenden Augen.»Willst du mich beleidigen? Willst du etwa behaupten, da? wir uns furchten?«
«Ich sprach nicht von euch, sondern im allgemeinen. Wenn ein schlechter Laufer mit einem bessern um die Wette lauft, so pflegt er eine Vorgabe zu begehren. Indem du uns in das Nachteil versetzest, gibst du mir das