Geistesuberlegenheet das Leben, und du wirfst mir als Dank dafur meinen ungeschliffenen Ziegelschteen an den Kopp! Een schoner Kerl, wer solche Mucken hat! Haste denn mal eenen Diamanten gefunden?«
«Nein.«
«So rede doch nich von solchen Dingen!«
«Hast denn du einen gefunden?«
«Ja. Der Moritzburger Glaser hatte den seinigen verloren, und ich hob ihn von der Gasse off. Ich war damals een junger Mensch und bekam fur meine Ehrlichkeet een Geschenk, welches ungeheuern Wert hatte. Der Glaser war namlich zugleich Kramer und schenkte mir eene thonerne Tabakspfeife fur zwee Pfennige und een halbes Packchen Kraustabak fur eenen Dreier. Das is mir unverge?lich geblieben, und du siehst also, da? ich gar wohl von Diamanten schprechen kann. Wenn du nich endlich mal offhorst, dich so an mir zu reiben, so kann es leicht so weit kommen, da? ich dir meine Freundschaft offsage, und dann wirschte ja sehen, ob du ohne mich durch die Welt zu kommen vermagst. Hier is doch weder die Zeit noch der Ort zu Zank und Schtreit. Wir schtehn alle vor unserm letzten Lebenslichte und haben die heilige Verpflichtung, eener dem andern mit Rat und That beizuschtehen anschtatt uns zu argern. Wenn wir in eener Schtunde abgemurxt werden sollen, warum wollen wir uns da jetzt noch die kostbare Gesundheet schadigen und uns durch Grobheeten das Leben verkurzen? Ich dachte, es ware nu endlich gerade Zeit, Verschtand anzunehmen.«
«Das ist vollstandig richtig, «stimmte Old Shatterhand bei.»Denken wir jetzt nur an die Kampfe, welche uns bevorstehen. Jemmy wird wohl seine Sache machen; ich sehe es ihm an, da? ihm das Herz leicht geworden ist. Was aber wirst du anfangen, lieber Frank?«
«Lieber Frank!«wiederholte der Kleine.»Wie schon akustisch das klingt! Es is doch wirklich was ganz andres, wenn man mit gebildeten Gentlemannern verkehrt! Was ich anfangen werde? Nu, loofen werde ich, was denn andres?«
«Das wei? ich wohl, aber du wirst zuruckbleiben!«
«Das wee? ich wohl!«
«Du brauchst drei Schritte, wenn er einen macht!«
«Leider Gottes!«
«Es fragt sich aber, welche Strecke ihr zu durchlaufen habt, und ob du aushaltst. Wie steht es mit dem Atmen?«
«Ganz vorzuglich. Ich habe eene Lunge wie eene Hummel; ich summe und brumme den ganzen Tag, ohne da? mir die Luft ausgeht. Loofen kann ich schon. Das habe ich als koniglich sachsischer Forschtgehilfe lernen mussen.«
«Aber mit so einem langbeinigen Indianer kannst du es nicht aufnehmen!«
«Hm! Das fragt sich noch!«
«Er hei?t der» springende Hirsch«; also ist Schnelligkeit seine Haupteigenschaft.«
«Wie er hee?t, das is mir Wurscht, wenn ich nur eher als er ans Ziel gelange.«
«Das aber wirst du eben nicht.«
«Oho! Warum nich?«
«Ich sagte es ja schon, und du gabst es zu. Vergleiche deine Beine mit den seinigen!«
«Ach so, die Beene! Sie denken also, es kommt off die Beene an?«
«Naturlich! Auf was soll es denn bei einem Wettlaufe, bei welchem es sich gar um Tod und Leben handelt, ankommen?«
«Off die Beene, ja, ooch mit, aber die sind noch lange nich die Hauptsache. Merschtenteels hat's der Kopp zu entscheiden.«
«Der lauft doch nicht mit!«
«Freilich leeft er mit. Oder soll ich etwa meine Beene ganz alleene fortschpringen lassen und mit dem ubrigen Korpus warten, bis sie wiederkommen? Das ware eene gefahrliche Geschichte. Wenn sie mich nich wiederfanden, konnte ich sitzen bleiben, bis mir neue gewachsen waren, und das soll nur bei den Krebsen geschehen. Nee, der Kopp mu? mit, denn der hat die Hauptarbeit.«
«Ich begreife dich nicht!«rief Old Shatterhand aus, ganz erstaunt uber die Ruhe des Kleinen.
«Ich ooch nich, wenigstens jetzt noch nich. In diesem Momente wee? ich nur, da? een eenziger guter Gedanke besser is als een ganzes Hundert Schritte oder Schprunge, die am Ziele voruberfuhren.«
«So hast du einen Gedanken?«
«Noch nich. Aber ich denke, wenn ich dem Jemmy eenen guten Rat habe geben konnen, so werde ich mich doch nich selber im Schtiche lassen. Jetzt wee? ich doch noch gar nich, wo geloofen werden soll. Wenn das entschieden is, dann werde ich wohl sehen, wo und wie das Hakchen anzunageln is. Lassen Sie sich's nur um mich nicht bange werden! Es sagt mir eene innere Tenorschtimme, da? ich der Welt hier noch nich den Rucken kehre. Ich bin noch zu Gro?em geboren, und weltgeschichtliche Personlichkeeten schterben niemals vor der Erfullung ihrer Aufgabe und so abseits von den sanften Genussen der Zivilisation.«
Jetzt kam der» gro?e Wolf «wieder mit den andern Hauptlingen herbei, um die Wei?en aufzufordern, sich mit an den See zu begeben. Dort wimmelte es bereits von Menschen jeden Alters und Geschlechts, denn es sollte da der Schwimmkampf entschieden werden.
Als sie am Ufer anlangten, sah Old Shatterhand, da? er nicht falsch vermutet hatte; es gab eine bedeutende Stromung. Der See hatte beinahe die Gestalt einer Ellipse. Oben, an der einen Schmalseite, trat das Bergwasser ein und stromte erst der linken Lang-, dann der unteren Schmalseite entlang dem Ausflusse zu, welcher sich auf der rechten Langseite und gar nicht weit von dem Einflusse befand. Diese Stromung folgte also fast zu drei Vierteilen der Uferstrecke. Wenn sie fur Davy benutzt werden konnte, war dieser vielleicht gerettet.
Die Frauen, Madchen und Knaben verbreiteten sich weit am Ufer hin. Die Krieger lie?en sich an der unteren Schmalseite nieder, denn dort sollte der Kampf beginnen. Aller Augen waren auf die beiden Interessenten gerichtet. Der» rote Fisch «blickte stolz und selbstbewu?t uber das Wasser hin wie einer, welcher seiner Sache vollstandig sicher ist. Auch Davy schien ruhig zu sein, aber er schluckte oft; sein Kehlkopf war in steter Bewegung. Wer ihn kannte, dem war das ein Zeichen innerer Erregung. Endlich wendete sich der» gro?e Wolf «zu Old Shatterhand:»Denkst du, da? wir beginnen sollen?«
«Ja, aber wir kennen die naheren Bedingungen noch nicht, «antwortete der Gefragte.
«Die sollt ihr horen. Gerad hier vor mir steigen beide in das Wasser. Wenn ich mit einem Klatschen der Hande das Zeichen gebe, sto?en sie ab. Es wird einmal um den ganzen See geschwommen und die Schwimmer haben sich stets genau eine Manneslange vom Ufer zu halten. Wer einbiegt, um den Weg zu kurzen, ist besiegt. Der, welcher zuerst hier ankommt, sto?t den andern mit dem Messer nieder.«
«Gut! Aber nach welcher Seite schwimmen sie ab? Nach rechts oder links?«
«Links. Sie kehren dann von rechts her zuruck.«
«Sollen sie nebeneinander schwimmen?«
«Naturlich!«
«Also mein Gefahrte zur rechten und der» rote Fisch «zur linken Hand?«
«Nein, umgekehrt.«
«Warum?«
«Weil derjenige, welcher links schwimmt, dem Ufer naher ist und also den weitesten Weg zuruckzulegen hat.«
«So ist es falsch und ungerecht, sie beide nach derselben Richtung gehen zu lassen. Du liebst nicht den Betrug und wirst zugeben, da? es richtiger ist, wenn sie nach verschiedenen Seiten abgehen. Der eine schwimmt von hier aus am rechten, der andre am linken Ufer hin; oben begegnen sie sich, und dann kehrt jeder am gegenseitigen Ufer zuruck.«
«Du hast recht, «erklarte der Hauptling.»Aber welcher soll rechts, und welcher links?«
«Um auch hier gerecht zu sein, mag das Los entscheiden. Siehe, ich nehme hier zwei Grashalme auf, und die beiden Schwimmer wahlen. Wer den langeren erhalt, schwimmt nach links, wer den kurzeren, nach rechts.«
«Gut, so soll es sein. Howgh.«
Dieses letztere Wort wurde zu Davys Gluck gesprochen, denn es zeigte an, da? an diesem Beschlusse nichts zu andern sei. Old Shatterhand hatte zwei Halme gepfluckt, aber so, da? sie von genau gleicher Lange waren. Er trat zuerst zu dem» roten Fisch «und lie? diesen wahlen; dann gab er Davy seinen Halm, knipp aber einen Augenblick vorher ein kleines Stuckchen davon ab. Die Halme wurden verglichen; Davy hatte den kurzeren und