mu?te also nach rechts. Sein Gegner zeigte sich daruber nicht im mindesten zornig; er schien jetzt noch gar keine Ahnung von dem Nachteile zu haben, in welchem er sich befand. Aber desto heller war Davys Gesicht geworden. Er musterte die Wasserflache und raunte Old Shatterhand zu:»Ich wei? nicht, wie ich zu dem kleinen Halm gekommen bin; aber er rettet mich, denn ich hoffe, da? ich eher anlange. Die Stromung ist stark und wird ihm zu schaffen machen.«
Er warf seine Kleider ab und stellte sich in das hier seichte Wasser. Der» rote Fisch «that ebenso. Jetzt klatschte der Hauptling in die Hande — ein Sprung, beide befanden sich auf tieferer Stelle und ruderten auseinander, der Rote nach links und der Wei?e langs des Ufers hin nach rechts.»Davy, halte dich schtramm!«rief der Hobble-Frank dem Freunde nach.
Zunachst war kein gro?er Unterschied zwischen beiden zu bemerken. Der Indianer strich langsam aber weit und kraftvoll aus wie einer, welcher im Wasser zu Hause ist. Er blickte nur vor sich hin und hutete sich, sich nach dem Wei?en umzusehen, weil er damit, wenn auch nur einen einzigen Augenblick, Zeit verloren hatte. Davy schwamm unruhiger, unregelma?iger. Er war kein geubter Schwimmer und mu?te erst in den richtigen, taktma?igen Ausstrich kommen. Als sich dieser nicht bald einstellen wollte, legte er sich auf den Rucken, und nun ging es besser. Die Stromung war hier nicht mehr bedeutend, aber sie half ihm doch so vorwarts, da? er gegen den Roten nicht zuruckblieb. Sie befanden sich jetzt beide auf den Langseiten des Sees.
Nun aber begann der Indianer einzusehen, da? der schwierigere Teil ihm zugefallen sei. Er hatte die ganze Seite des Sees bis hinauf an die Mundung des Bergbaches zu durchschwimmen, und bei jedem Striche, den er vorwarts that, fuhlte er, da? die Stromung starker wurde. Noch nahm er seine Krafte zu Rate, bald aber sah man, da? er sich anstrengen mu?te. Er stie? so kraftig aus, da? er bei jedem Sto?e bis zur halben Brust aus dem Wasser kam.
Druben bei Davy wurde die Stromung immer schwacher, aber sie hatte eine ihm gunstige Richtung. Dazu kam, da? er sich mehr und mehr in die notwendigen Bewegungen fand. Er arbeitete regelma?iger und bedachtiger. Er beobachtete den Erfolg jedes Sto?es und lernte schnell die falschen Bewegungen kennen. Darum verdoppelte sich seine Schnelligkeit, und bald war er dem Roten voraus, was diesen veranla?te, seine Krafte noch mehr anzustrengen, anstatt dieselben fur die Uberwindung der spateren, gro?eren Schwierigkeiten aufzusparen.
Jetzt naherte sich Davy dem Ausflusse. Die Stromung wurde starker; sie wollte ihn ergreifen und mit sich fort aus der Bahn, aus dem See rei?en. Er kampfte schwer und kam gegen den Roten wieder zuruck. Das war der Augenblick, auf welchen alles ankam.
Seine Gefahrten standen am Ufer und sahen ihm in gro?ter Spannung zu.»Der Rote holt ihn wieder ein, «sagte Jemmy in angstlichem Tone.»Er wird verlieren.«
«Wenn er sich nur noch drei Ellen weiter arbeitet, «antwortete Old Shatterhand,»so hat er die Abstromung uberwunden und ist gerettet.«
«Ja, ja, «stimmte Frank bei.»Er scheint das einzusehen. Wie er schto?t und schtampft! Da, recht so, er kommt vorwarts; er is druber weg. Halleluja, vivat hoch!«
Es war dem Langen gelungen, den Widerstand zu besiegen, und er kam nun in ruhiges Wasser. Bald hatte er die rechte Langseite hinter sich, wahrend der Rote seine linke noch nicht zuruckgelegt hatte, und bog nun auf der Schmalseite nach dem Bacheinflusse ein.
Der Rote sah das und arbeitete wie wahnsinnig, um sein Leben zu retten; aber jeder, auch der kraftigste Sto?, brachte ihn kaum eine Elle vorwarts, wahrend Davy das doppelte Resultat erzielte. Jetzt erreichte der letztere die Einflu?stelle. Die Wasser des Baches fa?ten ihn und rissen ihn mit sich fort. Er hatte noch das dritte Drittel seines Weges zuruckzulegen, wahrend der Indianer noch kaum sein erstes uberwunden hatte. Beide schossen aneinander voruber.
«Hurra!«konnte Davy sich nicht enthalten zu schreien. Der Rote antwortete durch ein weithin horbares wutendes Gebrull.
Jetzt war es fur Davy keine Anstrengung mehr, sondern eine Lust, zu schwimmen. Er brauchte nur leise zu rudern, um sich in der vorgeschriebenen Richtung zu halten. Nach und nach, je schwacher die Stromung wurde, mu?te er wieder mehr Kraft anwenden, aber es ging so leicht, und es war ihm, als ob er all sein Leben lang nur immer geschwommen habe. Er erreichte die bestimmte Stelle des Ufers und stieg an das Land. Als er sich umdrehte, sah er, da? der Rote soeben den Ausflu? erreicht hatte und dort abermals mit der Stromung rang.
Ein kurzes, aber markerschutterndes Geheul der Roten erscholl; sie sagten damit, da? der» rote Fisch «verloren habe und dem Tode geweiht sei. Davy aber fuhr eiligst zunachst in seine Kleider und dann auf seine Gefahrten los, um sie, wie zu einem zuruckgeschenkten Leben erwacht, zu begru?en.»Wer hatte das gedacht!«sagte er, indem er Old Shatterhand die Hande schuttelte.»Ich habe den besten Schwimmer der Utahs besiegt!«
«Durch einen Grashalm!«antwortete der Jager lachelnd.
«Wie haben Sie es angefangen?«
«Spater davon. Es war eine kleine Kunstelei, die aber kein Betrug zu nennen ist, da es die Rettung deines Lebens galt, ohne da? die Roten einen Schaden davon haben.«
«So is es!«stimmte Frank bei, welcher unendlich glucklich uber den Sieg seines Freundes war.»Dein Leben hat nich mal an eenem Schtroh-, sondern gar nur an eenem Grashalme gehangen. So is es ooch beim Wettloofen. Die Beene alleene thun es noch lange nich. Wer wee?, welcher Halm mir meine Rettung bringt. Ja, in den Beenen mu? man's ooch en bi?chen haben, aber im Koppe noch viel mehr. Da schaut, hier kommt der Unglucksfisch!«
Der Indianer kam jetzt von rechts herbei, uber funf Minuten nach dem Wei?en. Er stieg an das Land und setzte sich dort nieder, das Gesicht nach dem Wasser gewendet. Keiner der Roten blickte zu ihm hin; keiner bewegte sich; sie warteten, da? Davy dem Besiegten den Todessto? gebe.
Da kam eine Squaw herbei, an jeder Hand ein Kind fuhrend. Sie trat zu ihm. Er zog das eine Kind rechts, das andre links an sich, schob sie dann leise von sich, gab seinem Weibe die Hand und winkte ihr, sich zu entfernen. Dann suchte er mit dem Auge nach Davy und rief ihm zu:»Nani witsch, ne pokai — dein Messer, tote mich!«
Dem braven Langen traten fast die Thranen in die Augen. Er nahm das Weib mit den Kindern, schob sie ihm wieder zu und sagte halb englisch und halb im Utah, welches er nicht beherrschte:»No witsch — not pokai!«
Dann wendete er sich ab und trat zu den Gefahrten zuruck. Die Utahs hatten das gesehen und gehort. Der Hauptling fragte:»Warum totest du ihn nicht?«
«Weil ich ein Christ bin. Ich schenke ihm das Leben.«
«Aber wenn er gesiegt hatte, warest du von ihm erstochen worden!«
«Er hat nicht gesiegt und es also nicht thun konnen. Er mag leben.«
«Aber sein Eigentum nimmst du? Seine Waffen, seine Pferde, seine Frau und auch seine Kinder?«
«Fallt mir nicht ein! Ich bin kein Rauber. Er mag behalten, was er hat.«
«Uff, ich begreife dich nicht! Er hatte kluger gehandelt.«
Auch die andern Roten schienen ihn nicht zu begreifen. Die Blicke, welche sie auf ihn richteten, sagten deutlich, wie erstaunt sie uber sein Verhalten waren. Keiner von ihnen hatte auf sein Recht verzichtet, und wenn hundert Menschenleben der Gegenstand desselben gewesen waren. Der» rote Fisch «schlich davon. Auch er konnte nicht begreifen, warum der Wei?e ihn nicht erstach und skalpierte. Er schamte sich, besiegt zu sein, und hielt es fur das beste, sich unsichtbar zu machen.
Aber einen Dank gab es doch. Die Frau trat zu dem Langen und reichte ihm die Hand; sie hob auch die Hande der Kinder zu ihm empor und stammelte einige halblaute Worte, deren Sinn Davy zwar nicht verstand, sich aber leicht denken konnte.
Jetzt naherte sich» Namboh-avaht«, der» gro?e Fu?«, dem Hauptlinge und fragte, ob er nun mit seinem Bleichgesichte beginnen konne. Der» gro?e Wolf «nickte und befahl, nach der dazu bestimmten Stelle aufzubrechen. Diese lag in der Nahe der beiden Marterpfahle. Dort wurde, wie gewohnlich, ein weiter Kreis gebildet, in dessen Mitte der Hauptling den» gro?en Fu?«fuhrte. Old Shatterhand begleitete den dicken Jemmy hin. Er that dies aus dem Grunde, daruber zu wachen, da? keine Hinterlist gegen den Dicken in Anwendung komme.
Die beiden Kampfer entblo?ten den Oberleib und stellten sich dann mit dem Rucken gegeneinander. Jemmys Kopf reichte nicht ganz bis an des Roten Schulter. Der Hauptling hatte einen Lasso in der Hand, mit dem er die beiden zusammenband. Der Riemen ging dem Roten uber die Hufte, dem Wei?en aber uber die Brust.