Zufalligerweise und zum Vorteile des letzteren reichten die Enden des Lassos gerade so weit, da? der Hauptling die Schleife auf der Brust des Dicken machen mu?te.

«Nun brauchst du den Riemen nicht zu zerschneiden, sondern blo? die Schleife aufzuziehen, «sagte Old Shatterhand ihm in deutscher Sprache.

Jetzt bekam jeder sein Messer in die rechte Hand, und der Akt konnte beginnen. Da der Hauptling zurucktrat, so folgte Old Shatterhand seinem Beispiele.

«Schteh feste, Jemmy, und la? dich ja nich werfen!«rief der Hobble-Frank.

«Du wee?t, wenn er dich erschticht, so bin ich fur immerdar verwitwet und verwaist, und das wirscht du mir doch nich anthun wollen. La? dich nur schto?en, und schwipp ihn nachher tuchtig uber!«

Auch der Rote bekam von verschiedenen Seiten aufmunternde Zurufe zu horen. Er antwortete:»Ich hei?e nicht der» rote Fisch«, der sich besiegen la?t. Ich werde diese kleine, breite Krote, welche mir am Rucken hangt, in wenigen Augenblicken erdrucken und zermalmen.«

Jemmy sagte gar nichts. Er schaute still und ernsthaft drein, bildete aber eigentlich hinter der Gestalt des Roten eine possierliche Figur.

Vorsichtigerweise hielt er das Gesicht seitwarts zuruckgewendet, um die Fu?bewegungen des Roten sehen zu konnen. Es lag nicht in seiner Absicht und auch nicht in seinem Interesse, den Kampf zu beginnen; er wollte das vielmehr dem Indianer uberlassen.

Dieser stand lange Zeit still und unbeweglich; er wollte seinen Gegner mit einem plotzlichen Angriffe uberrumpeln; aber das gelang ihm nicht. Als er vermeintlich ganz unvorhergesehen seinen Fu? nach hinten schob, um Jemmy ein Bein zu stellen, versetzte ihm dieser einen solchen Tritt gegen das andre, feststehende Bein, da? der Getroffene beinahe zu Fall gekommen ware.

Nun aber folgte Angriff auf Angriff. Der Rote war starker, aber der Wei?e vorsichtiger und bedachtsamer. Der erstere geriet nach und nach in Wut uber die Erfolglosigkeit seiner Bemuhungen; aber je mehr er tobte und mit den Fu?en nach hinten stie?, desto ruhiger wurde der letztere. Der Kampf schien sich in die Lange zu ziehen; er verlor an Interesse, da auch nicht der kleinste Vorteil des einen oder des andern zu bemerken war. Aber desto schneller sollte das Ende kommen, namlich durch eine verabredete Hinterlist des Indianers.

Dieser hatte durch sein bisheriges Verhalten nur bezweckt, seinen Gegner sicher zu machen. Der Wei?e sollte denken, da? gar keine andre Art des Angriffes erfolgen konne und werde. Jetzt aber griff der Indianer in den Lasso, zog ihn scharf an, so da? er vorn Raum zu einer Wendung bekam, und drehte sich um — doch nicht ganz.

Ware ihm seine Absicht gelungen, so hatte er dem Wei?en dann seine Vorderseite zugekehrt und ihn einfach niederpressen konnen; aber Jemmy war ein schlauer Patron und sehr auf seiner Hut. Auch der Hobble- Frank hatte die heimtuckische Absicht des Roten sofort bemerkt und rief dem Dicken schnell zu:»Wirf ihn ab; er dreht sich um!«

«Wei? schon!«antwortete Jemmy.

In demselben Augenblicke, in welchem er diese Worte sprach und an dem der Rote seine Umdrehung erst halb bewerkstelligt hatte und also keinen festen Halt besa?, buckte er sich schnell nieder, ri? dadurch seinen Gegner empor und zog die Schleife auf. Der Lasso gab nach. Der Rote griff mit den Handen in die Luft und machte uber Jemmys Kopf einen ganz regelrechten Purzelbaum auf die Erde nieder, wobei ihm sein Messer entfiel. Wie der Blitz so schnell kniete der Dicke auf ihm, fa?te ihn mit der Linken bei der Kehle und setzte ihm mit der Rechten das Messer auf die Herzgegend. Vielleicht hatte der» gro?e Fu?«die Absicht gehegt, sich um keinen Preis zu ergeben, sondern sich in jedem Falle zu wehren, aber der Purzelbaum hatte ihn so verblufft, und die Augen des Dicken funkelten so nahe und drohend vor seinem Gesichte, da? er es fur das beste hielt, bewegungslos liegen zu bleiben. Da richtete Jemmy seinen Blick auf den Hauptling und fragte:»Gibst du zu, da? er verloren ist?«

«Nein, «antwortete der Gefragte, indem er herbeitrat.

«Warum nicht?«erkundigte sich sofort Old Shatterhand, indem er auch herbeikam.

«Er ist nicht besiegt.«

«Ich behaupte das Gegenteil: Er ist besiegt.«

«Das ist nicht wahr, denn der Lasso ist geoffnet.«

«Daran ist der» gro?e Fu?«selbst schuld, denn er hat sich umgedreht und dabei den Riemen aufgesprengt.«

«Das hat niemand gesehen. La? ihn los! Er ist unbesiegt, und der Kampf hat von neuem zu beginnen.«

«Nein, Jemmy, la? ihn nicht los!«gebot der Jager.»Sobald ich es dir befehle, erstichst du ihn, oder sobald er es wagt, sich zu bewegen!«

Da richtete sich der Hauptling stolz auf und fragte:»Wer hat hier zu befehlen, du oder ich?«

«Du und ich, wir beide.«

«Wer sagt das?«

«Ich sage es. Du bist der Hauptling der Deinen, und ich bin der Anfuhrer der Meinen. Du und ich, wir beide, sind einen Vertrag uber die Bedingungen des Kampfes eingegangen. Wer diese Bedingungen nicht achtet, der hat den Vertrag gebrochen und ist ein Lugner und Betruger.«

«Du — du wagst so zu mir zu sprechen, vor diesen vielen roten Kriegern?«

«Das ist kein Wagnis. Ich sage die Wahrheit und verlange Treue und Ehrlichkeit. Wenn ich nicht mehr sprechen darf, nun wohl, so wird das Gewehr des Todes reden.«

Er hatte den Kolben seines Stutzens an der Erde gehabt; jetzt nahm er ihn in sehr demonstrativer Weise empor.

«So sag, was wunschest du denn?«fragte der Hauptling, bedeutend kleinlauter.

«Du gibst zu, da? diese beiden kampfen sollten, mit dem Rucken gegeneinander stehend?«

«Ja.«

«Der» gro?e Fu?«aber hat den Lasso geluftet und sich umgedreht. Ist das richtig? Du mu?t es gesehen haben!«

«Ja, «gestand der Hauptling zogernd.

«Ferner sollte derjenige sterben, den der andre unter sich zu liegen bekommen wurde. Erinnerst du dich der Bedingung?«

«Ich kenne sie.«

«Nun, wer liegt unten?«

«Der» gro?e Fu?«.«

«Wer ist also der Besiegte?«

«Er —»antwortete der Hauptling gezwungenerma?en, da Old Shatterhand den Stutzen so hielt, da? ihm die Mundung des Laufes fast die Brust beruhrte.

«Hast du etwas dagegen zu bemerken?«

Bei diesen Worten traf aus dem Auge des beruhmten Jagers den Hauptling ein so gro?er, uberwaltigender Blick, da? er trotz seiner Riesengestalt sich klein fuhlte und die erwartete Antwort gab:»Nein; der Besiegte gehort dem Sieger. Sage diesem, da? er ihn erstechen kann.«

«Das brauche ich ihm nicht erst zu sagen, denn er wei? es schon; aber er wird es nicht thun.«

«Will er ihm etwa auch das Leben schenken?«

«Daruber werden wir spater entscheiden. Bis dahin mag der» gro?e Fu?«mit demselben Lasso gebunden werden, von welchem er sich losmachen wollte.«

«Warum ihn binden? Er wird euch nicht entfliehen.«

«Haftest du mir dafur?«

«Ja.«

«Womit?«

«Mit meinem ganzen Eigentum.«

«Das genugt. Er mag gehen, wohin er will, soll aber am Schlusse der noch bevorstehenden zwei Einzelkampfe zu seinem Sieger zuruckkehren.«

Jetzt stand Jemmy auf und legte seine Kleider wieder an. Auch der» gro?e Fu?«sprang empor und machte sich durch den Kreis der Roten Bahn, welche nicht wu?ten, ob sie ihm Verachtung zeigen sollten oder nicht.

Diese Utahs hatten uberhaupt wohl noch nie erlebt, da? ein sich nicht einmal im Besitze der vollen Freiheit befindlicher Wei?er in der Art wie dieser Old Shatterhand mit ihnen und ihrem Hauptling umgesprungen war. Er befand sich in ihrer Gewalt und doch getrauten sie sich nicht, ihm die Erfullung dessen, was er begehrte, zu

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