ziehen, so mu? ich sagen, da? im offenen Nahekampf es drei Wei?e mit vier Indianern aufnehmen, wenn namlich die Waffen gleich sind und auch die Krafte gleich stehen. Der kriegerische Stolz der Roten aber wird sie verhindern, uns eine zu gro?e Uberzahl gegenuber zu stellen. Thaten sie dies dennoch, so wurden wir sie durch Spott veranlassen, es zuruckzunehmen.«

«Aber, «meinte Hobble-Frank, welcher bisher geschwiegen hatte,»die Perschpektive, die Sie uns da zeigen, is off keenen Fall begluckend. Diese Kerle werden uns die Geschichte naturlich so sauer wie moglich machen. Ja, Sie mit Ihrer Korperkraft und Elefantenschtarke haben gut lachen; Sie hauen, schlagen und schto?en sich durch; aber wir andern drei unglucklichen Schwammerlinge, wir werden heute die letzten Freuden des Daseins genossen haben.«

«Wohl in Gestalt deines Elkbratens?«fragte Jemmy.

«Fangste schon wieder an! Ich dachte, unsre Lage ware eene derartige, da? du es unterlassen kannst, deinen besten Freund und Kampfgenossen noch so kurz vor seiner letzten Himmelfahrt zu Tode zu argern. Zersplittere mir mein Denkvermogen nich! Ich habe alle meine Gedanken scharf off unsre Rettung zu richten. Oder meenst du etwa, da? es ungeheuer edel- und ooch heldenmutig is, eenen dem hippologischen Gesichte geweihten Menschen vier Schtunden vor seinem komplimentaren Tode durch schpottsuchtige Redensarten langsam abzumurxen?«

«Hippokratisch, nicht hippologisch, hei?t das Gesicht, «bemerkte Jemmy. Er brachte es nicht fertig, diese Verbesserung zu unterlassen, und der Kleine geriet daruber in einen solchen Zorn, da? er die Worte hervorstie?:»Hore, das is zu schtark; nu wird mirsch zu toll. Ich kann dich nur mit den Worten niederschmettern, welche Heinrich Heine in» Des Sangers Fluch «bringt, namlich:

«Du Wutrich teuflischer Natur, Frech gegen Gott und Mensch und Tier, Das Ach und Weh der Kreatur Und deine Missethat an ihr Hat polizeilich dich beordert Und vor das Amtsgericht gefordert.«

«Da — nu wee?t du meine Meenung. Nimm sie dir zu Herzen, und drehe sie so lange in deinem Gemute rum und num, bis du zur reuevollen Einsicht gelangst!«

«Aber, alter Frank, ich meine es ja gar nicht bos; ich mu? dich als Freund doch aufmerksam machen, wenn du dich irrst. Ich will nicht haben, da? du dich blamierst.«

«So? Kann ich — ich — ich, namlich ich, der Hobble-Frank aus Moritzburg, mich etwa wirklich irren und blamieren?«

«Ebenso wie jeder andre Mensch. Gerade auch der Reim, den du jetzt gebraucht hast, ist ein Beweis dafur. Erstens ist im Originale weder von der Polizei, noch von einem Amtsgerichte die Rede; zweitens ist das Gedicht nicht von Heine, sondern von Burger, und drittens lautet seine Uberschrift nicht» Des Sangers Fluch«, sondern» Der wilde Jager«.«

«So so, i der Tausend! Was du nich alles wee?t oder wissen willst! Wenn du dich in dieser Weise an mich wagst, so kann ich dir nur sagen, da? meine Litteraturgeschichte nich von Blech is, sondern uber jeder andern erhaben schteht. Durch deine Verdrehungen der wahrhaftigen Thatsachen und Unwahrscheinlichkeeten willst du mich selber zum wilden Jager machen; aber das soll dir nich gelingen. Rede von jetzt an, was du willst, ich schpreche keen Wort mehr mit dir, sondern hulle mich dir gegenuber in die tiefste Verachtlichkeet. Wer Heine und Burger verwechseln kann, noch dazu hier im indianischen Wigwam, dem sind alle Schterne untergegangen. Ich brachte dir schtets mein ganzes, reiches und exponiertes Seelenleben entgegen; aber ich habe mich schrecklich in dir geirrt. Deine Falschheet dreht mir das Zwergfell um; aber ich bin christlich geboren und akademisch erzogen und will es dir verzeihen. Aber unsre Freundschaft ist perduh, und dein kaltes Temperament wird sich niemals wieder in den Schtrahlen meines Geistes sonnen durfen. Ade, Jemmy, fur immerdar! In diesem Oogenblicke verschwindet dein Planet in Nacht und Grauen. Requiriescat in panem!«

Er legte sich nieder und schlo? die Augen. Auf der andern Seite lie? sich etwas horen, was wie ein leises, unterdrucktes Lachen klang; er beachtete es nicht. Die andern setzten das Gesprach nicht fort; es trat tiefe Ruhe ein, deren Stille nur zuweilen von dem Knistern des Feuers unterbrochen wurde.

Der Schlaf senkte sich nach und nach doch auf die muden Augenlider, welche sich erst dann wieder offneten, als drau?en laute Rufe erschollen und dann die Thurmatte geoffnet wurde. Ein Roter blickte herein und sagte:»Die Bleichgesichter mogen sich erheben und mit mir kommen.«

Sie standen auf, nahmen ihre Waffen und folgten ihm. Das Feuer war verloscht, und die Sonne erhob sich uber dem ostlichen Horizonte. Sie warf ihre jungen Strahlen gegen den erwahnten Bergstock, da? das von demselben niederflie?ende Wasser wie flussiges Gold funkelte und die Oberflache des Sees wie eine polierte Metallscheibe erglanzte. Jetzt reichte der Blick weiter als am vorigen Abend. Die Ebene, in deren westlichen Teile der See lag, war ungefahr zwei englische Meilen lang und halb so breit und wurde rundum von Wald begrenzt. Im sudlichen Teile befand sich das Lager, welches aus gegen hundert Zelten und Hutten bestand. Am Ufer des Sees weideten die Pferde; diejenigen der vier Jager befanden sich in der Nahe ihres Zeltes; man hatte also die darauf bezugliche Forderung Old Shatterhands berucksichtigt.

Vor und zwischen den Hutten und Zelten standen oder bewegten sich rote Gestalten, welche all ihren kriegerischen Schmuck angelegt hatten, naturlich zur Feier des Todes der beiden gefangenen Morder. Sie traten, als die vier Wei?en vorubergefuhrt wurden, hoflich zuruck und hefteten auf die Gestalten derselben ihre Blicke mit einem Ausdrucke, welcher mehr prufend und taxierend als feindselig genannt werden konnte.

«Was haben diese Kerle?«fragte Frank.»Sie gucken mich ja an, ungefahr so wie man een Pferd betrachtet, welches man koofen will.«

«Sie prufen unsern Korperbau, «antwortete Old Shatterhand.»Das ist ein Zeichen, da? ich richtig vermutet habe. Unser wahrscheinliches Schicksal ist ihnen bereits bekannt. Wir werden um unser Leben kampfen mussen.«

«Schon! Das meinige soll ihnen nich billig zu schtehen kommen. Jemmy, hast du Angst?«

Sein Zorn gegen den Dicken war verflogen; man horte es seiner Frage an, da? er mehr an diesen als an sich selbst dachte.

«Angst habe ich nicht, aber besorgt bin ich, wie sich ganz von selbst versteht. Furcht wurde uns nur schaden. Es gilt jetzt, so gefa?t und ruhig wie moglich zu sein.«

Au?erhalb des Lagers waren zwei Pfahle in die Erde getrieben; in der Nahe standen funf mit Federn geschmuckte Krieger, der» gro?e Wolf «unter ihnen. Er trat den Wei?en einige Schritte entgegen und erklarte:»Ich habe die Bleichgesichter holen lassen, damit sie Zeuge seien, wie die roten Krieger ihre Feinde bestrafen. Man wird sogleich die Morder bringen, um sie am Pfahle sterben zu lassen.«

«Wir begehren das nicht zu sehen, «antwortete Old Shatterhand.

«Seid ihr Feiglinge, da? ihr euch vor dem flie?enden Blute entsetzt? Dann mussen wir euch als solche behandeln und brauchen euch mein Versprechen nicht zu halten.«

«Wir sind Christen. Wir toten unsre Feinde, wenn wir gezwungen sind, schnell; aber wir martern sie nicht.«

«Jetzt seid ihr bei uns und habt euch unsern Gebrauchen zu fugen. Wollt ihr das nicht thun, so beleidigt ihr uns und werdet dafur mit dem Tode bestraft.«

Old Shatterhand wu?te, da? der Hauptling im Ernste sprach, und da? er sich mit seinen Gefahrten in die gro?te Gefahr begab, wenn er sich weigerte, der Hinrichtung beizuwohnen. Darum erklarte er gezwungenerma?en:»Nun gut, wir werden bleiben.«

«So la?t euch bei uns nieder! Wenn ihr euch fugt, wird euch ein ehrenvoller Tod beschieden sein.«

Er setzte sich in das Gras, das Gesicht den Pfahlen zugewendet. Die andern Hauptlinge thaten dasselbe, und die Wei?en mu?ten sich fugen; dann lie? der» gro?e Wolf «einen weithin schallenden Ruf horen, welcher mit einem allgemeinen Triumphgeheul beantwortet wurde. Es war das Zeichen, da? das gra?liche Schauspiel beginnen solle.

Die Krieger kamen herbei und bildeten um die Pfahle einen Halbkreis, in dessen Innern die Hauptlinge mit den Wei?en sa?en. Dann naherten sich die Weiber und Kinder, welche sich den Mannern gegenuber in einem Bogen aufstellten, so da? der Kreis geschlossen wurde.

Nun brachte man Knox und Hilton, welche so scharf gefesselt waren, da? sie nicht gehen konnten, sondern streckenweise getragen werden mu?ten. Die Riemen schnitten ihnen so tief in das Fleisch, da? Hilton stohnte. Knox war still; er lag im Wundfieber und hatte soeben aufgehort zu phantasieren. Sein Anblick war schrecklich. Beide wurden in aufrechter Stellung an die Pfahle gebunden, und zwar mit nassen Riemen, welche sich beim Trocknen so zusammenziehen mu?ten, da? sie den Opfern einer grausamen Gerechtigkeit die argsten Schmerzen bereiteten.

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