des Teufels«, sagte sie -, aber eine der reichen Damen, die Josephine mochte, bezahlte das Bild. Von diesem Augenblick an wusste Josephine, dass der Goldpokal ihr gehorte. Sie sah ihn schon vor sich, wie er auf ihrem Toilettentisch stand. Sie wurde ihn jeden Tag sorgfaltig polieren. Als Josephine erfuhr, dass sie in die Endauswahl gekommen war, war sie zu aufgeregt, um zur Schule zu gehen. Sie blieb den ganzen Tag mit Magenschmerzen im Bett, weil sie so viel Gluck nicht ertragen konnte. Zum ersten Mal wurde sie etwas Schones ihr eigen nennen.
Am nachsten Tag erfuhr Josephine, dass der Wettbewerb von Tina Hudson, einem der Ol-Kinder, gewonnen worden war. Tina war fast so schon wie Josephine, aber Tinas Vater war zufallig im Aufsichtsrat der Kette, zu der das Warenhaus Brubaker gehorte.
Als Josephine die Nachricht bekam, uberfielen sie so starke Kopfschmerzen, dass sie am liebsten geschrieen hatte. Sie furchtete, Gott wurde wissen, wieviel ihr dieser schone Goldpokal bedeutete, und Er musste es gewusst haben, denn ihre Kopfschmerzen dauerten an. Nachts weinte sie in ihr Kopfkissen, damit ihre Mutter sie nicht horen konnte.
Einige Tage nach dem Wettbewerb wurde Josephine ubers Wochenende in Tinas Haus eingeladen. Der Goldpokal stand auf dem Kaminsims in Tinas Zimmer. Josephine starrte ihn lange an.
Als Josephine nach Hause kam, war der Pokal in ihrem Kofferchen versteckt. Er befand sich immer noch dort, als Tinas Mutter erschien, um ihn zuruckzuholen.
Josephines Mutter zuchtigte sie mit einer aus einem langen, grunen Zweig gefertigten Rute. Aber Josephine war ihrer Mutter nicht bose.
Die wenigen Minuten, die Josephine den schonen Goldpokal in ihren Handen gehalten hatte, waren den ganzen Schmerz wert gewesen.
6.
Hollywood war 1946 die Filmhauptstadt der Welt, ein Magnet fur die Begabten, die Habgierigen, die Schonen, die Hoffnungsvollen und die Sonderbaren. Es war das Land der Palmen und Rita Hayworths und des Heiligen Tempels des Allumfassenden Geistes und Santa Anitas. Es war die Kraft, die sie uber Nacht zu einem Star machte; es war ein Schwindelgeschaft, ein Bordell, ein Orangenhain, ein Schrein. Es war ein magisches Kaleidoskop, und jeder, der hineinsah, sah sein eigenes Wunschbild.
Fur Toby Temple war Hollywood der Ort, fur den er bestimmt war. Er kam in der Stadt mit einem Kleidersack und dreihundert Dollar in bar an und zog in eine billige Pension am Cahuenga Boulevard. Er musste schnell etwas unternehmen, ehe er pleite war. Toby wusste alles uber Hollywood. Es war eine Stadt, in der man eine Fassade aufrichten musste. Toby ging in ein Herrenmodegeschaft in der Vine Street, lie? sich neu einkleiden und schlenderte mit den verbliebenen zwanzig Dollar in der Tasche in das Brown Derby, wo alle Stars zu speisen pflegten. Die Wande waren mit Karikaturen der beruhmtesten Schauspieler Hollywoods bedeckt. Toby konnte den Pulsschlag des Showgeschafts fuhlen, die Macht in dem Raum spuren. Er sah die Empfangsdame auf sich zukommen. Sie war Anfang Zwanzig, rothaarig und sehr hubsch und hatte eine gro?artige Figur. Sie lachelte Toby fragend an. »Kann ich etwas fur Sie tun?« Toby konnte nicht widerstehen. Er griff mit beiden Handen zu und packte ihre reifen, melonenformigen Bruste. Ein Ausdruck des Entsetzens trat auf ihr Gesicht. Als sie den Mund offnete, um zu schreien, lie? Toby seine Augen glasig-starr werden und sagte schuchtern: »Entschuldigen Sie, Miss – ich bin blind.«
»Oh, das tut mir leid!« Sie war zerknirscht uber ihre Unterstellung und empfand Mitleid. Sie fuhrte Toby am Arm an einen Tisch, war ihm beim Platznehmen behilflich und nahm seine Bestellung entgegen. Als sie einige Augenblicke spater wieder an seinen Tisch kam und ihn dabei ertappte, wie er sich die Bilder an der Wand betrachtete, strahlte Toby sie an und sagte: »Es ist ein Wunder! Ich kann wieder sehen!«
Er war so unschuldig-komisch, dass sie lachen musste. Sie lachte die ganze Zeit wahrend des gemeinsamen Dinners uber Tobys Witze, auch spater noch im Bett.
Toby nahm in und um Hollywood Gelegenheitsarbeiten an, weil diese ihn mit dem Showgeschaft in Beruhrung brachten. Er bewachte den Parkplatz bei Giro, und wenn die Beruhmtheiten vorfuhren, offnete Toby den Wagenschlag mit einem freundlichen Lacheln und einer passenden Bemerkung. Sie nahmen keine Notiz von ihm. Er war nur ein kleiner Parkplatzwachter, und sie registrierten nicht einmal, dass er existierte. Toby beobachtete die schonen Madchen, wenn sie in ihren teuren, enganliegenden Kleidern aus den Wagen stiegen, und er dachte: Wenn ihr nur wusstet, was fur ein gro?er Star ich einmal sein werde, wurdet ihr allen diesen Kriechern den Laufpass geben.
Toby putzte die Klinken bei den Agenten, aber er merkte schnell, dass er seine Zeit vergeudete. Die Agenten krochen nur den Stars hinten rein. Man durfte sich nicht um sie bemuhen. Sie selbst mussten einen entdecken. Der Name, den Toby am haufigsten horte, war Clifton Lawrence. Er gab sich nur mit den gro?ten Talenten ab und machte die unglaublichsten Abschlusse. Eines Tages, dachte Toby, wird Clifton Lawrence mein Agent sein.
Toby abonnierte die beiden Bibeln des Showgeschafts: Daily Variety und den Hollywood Reporter. Er kam sich wie ein Eingeweihter vor. Fo-rever Amber war von Twentieth Century-Fox gekauft worden, und Otto Preminger wurde Regie fuhren. Ava Gardner hatte zugesagt, in Whistle Stop neben George Raft und Jorja Curtright die Hauptrolle zu ubernehmen, und Life with Father war von Warner Brothers gekauft worden. Dann sah Toby eine Notiz, die seinen Puls schneller schlagen lie?: »Produktionsleiter Sam Winters wurde zum Vizeprasidenten der Produktionsabteilung der Pan-Pacific-Studios ernannt.«
7.
Als Sam Winters nach dem Krieg nach Hause zuruckkehrte, wartete sein Job in den Pan-Pacific-Studios auf ihn. Sechs Monate spater gab es einen Riesenkrach. Der Leiter des Studios wurde gefeuert, und Sam wurde gebeten, seinen Posten zu ubernehmen, bis ein neuer Produktionsleiter gefunden werden konnte. Sam machte seine Sache so gut, dass die Suche eingestellt wurde und er offiziell zum Vizeprasidenten der Produktionsabteilung ernannt wurde. Es war ein nervenaufreibender, Magengeschwure verursachender Job, aber Sam liebte ihn mehr als alles in der Welt.
Hollywood war ein Zirkus mit drei Manegen, voll von wilden, geisteskranken Charakteren, ein Minenfeld mit einer Horde daruber hinwegtanzender Idioten. Die meisten Schauspieler, Regisseure und Produzenten waren egozentrische Gro?enwahnsinnige, undankbar, lasterhaft und destruktiv. Aber fur Sam spielte nur Talent eine Rolle. Talent war der magische Schlussel.
Sams Burotur ging auf, und Lucille Elkins, seine Sekretarin, kam mit der soeben geoffneten Post herein. Lucille gehorte zum festen Inventar, eine der Zuverlassigen, die immer dableiben und ihre Chefs kommen und gehen sehen.
»Clifton Lawrence mochte Sie sprechen«, sagte Lucille.
»Bitten Sie ihn herein.«
Sam mochte Lawrence. Er hatte Lebensart. Fred Allan hatte gesagt: »Die ganze Aufrichtigkeit in Hollywood konnte im Nabel einer Stechmucke untergebracht werden, und dann ware immer noch Platz fur vier Kummelkorner und das Herz eines Agenten.«
Cliff Lawrence war ehrlicher als die meisten Agenten. Er war in Hollywood bereits Legende, und seine Klientenliste war das Who is Who auf dem Unterhaltungssektor. Er hatte ein Ein-Mann-Buro und war dauernd unterwegs, kummerte sich um seine Klienten in London, in der Schweiz, in Rom und New York. Er war eng mit allen wichtigen HollywoodDirektoren befreundet und nahm an einer wochentlichen Geheimsitzung teil, zu der sich auch die Produktionsleiter von drei Studios einfanden. Zweimal im Jahr charterte Lawrence eine Jacht, gewann ein halbes Dutzend schoner »Modelle« und lud die leitenden Direktoren der wichtigsten Studios zu einem einwochigen »Angeltrip« ein. Clifton Lawrence besa? ein Strandhaus in Malibu, dessen Vorratsschranke stets gefullt waren und das seinen Freunden zur Verfugung stand, wann immer sie es benutzen wollten. Das Verhaltnis Clifton – Hollywood glich einer Symbiose, und jeder profitierte davon.
Sam beobachtete, wie sich die Tur offnete und Lawrence in einem eleganten Ma?anzug hereinsturzte. Er