»Haben Sie die letzte Ausgabe von Peek Magazine gelesen?«

»Ich lese es uberhaupt nicht. Der reine Mulleimer.« Plotzlich wusste er, was Foss meinte. »Sie haben Nolan erwischt!«

»Schwarz auf wei?«, erwiderte Foss. »Der blode Kerl hat sein schonstes Spitzenkleid angezogen und ist zu einer Party gegangen. Jemand hat ihn fotografiert.«

»Wie schlimm steht es?«

»Konnte nicht schlimmer sein. Ich habe gestern ein Dutzend Anrufe von der Fernsehgesellschaft bekommen. Die Geldgeber und die Gesellschaft wollen aussteigen. Keiner will mit einem Schwulen in Verbindung gebracht werden.«

»Einem Transvestiten«, sagte Sam. Er hatte sich fest darauf verlassen, der Direktorenkonferenz in New York nachsten Monat einen beeindruckenden Fernsehbericht vorlegen zu konnen. Die Nachricht von Foss machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Der Verlust der »Raiders« wurde ein schwerer Schlag sein.

Es sei denn – er konnte etwas tun.

Als Sam in sein Buro zuruckkehrte, winkte Lucille ihm mit einem Bundel Nachrichten. »Die wichtigsten liegen obenauf«, sagte sie. »Sie werden dringend -«

»Spater. Verbinden Sie mich mit William Hunt von der International Broadcasting Company.«

Zwei Minuten spater sprach Sam mit dem Leiter der IBC. Sam kannte Hunt seit Jahren, wenn auch nur fluchtig, und mochte ihn. Hunt hatte als hochbegabter junger Justitiar angefangen und sich zur Spitze der Hierarchie hinaufgearbeitet. Sie hatten selten Geschafte miteinander, weil Sam nicht direkt etwas mit dem Fernsehen zu tun hatte. Jetzt wunschte er, er hatte sich die Zeit genommen, die Freundschaft mit Hunt zu pflegen. Als Hunt sich am Apparat meldete, zwang Sam sich, locker und ungezwungen zu klingen. »Morgen, Bill.«

»Was fur eine nette Uberraschung«, sagte Hunt. »Es ist lange her, Sam.«

»Viel zu lange. Das ist ja der Arger in diesem Geschaft, Bill. Man hat nie Zeit fur die Leute, die man mag.«

»Sehr wahr.«

Sam versuchte, einen beilaufigen Ton anzuschlagen: »Ubrigens, haben Sie zufallig diesen bloden Artikel in Peek gelesen?«

»Naturlich«, sagte Hunt ruhig. »Deswegen streichen wir die Show aus dem Programm, Sam.« Es klang endgultig.

»Bill«, sagte Sam, »was wurden Sie sagen, wenn ich Ihnen erklarte, dass Jack Nolan das Opfer einer Intrige geworden ist?«

Von der anderen Seite der Leitung ertonte ein Lachen. »Ich wurde sagen, Sie sollten sich uberlegen, ob Sie nicht Schriftsteller werden wollen.«

»Im Ernst«, sagte Sam aufrichtig. »Ich kenne Jack Nolan. Er ist so normal wie wir beide. Das Foto ist auf einem Kostumfest aufgenommen worden. Seine Freundin hatte Geburtstag, und er hat aus Jux ihr Kleid angezogen.« Sam fuhlte, wie die Innenflachen seiner Hande feucht wurden.

»Ich kann nicht -«

»Ich werde Ihnen sagen, wieviel Vertrauen ich in Jack setze«, sagte Sam ins Telefon. »Ich habe ihm gerade die Hauptrolle in Laredo, unserem gro?en Western im nachsten Jahr, angeboten.«

Es trat eine Pause ein. »Ist das Ihr Ernst, Sam?«

»Worauf Sie sich verdammt verlassen konnen. Es ist ein Drei-Millionen-Dollar-Film. Wenn sich herausstellen sollte, dass Jack Nolan schwul ist, wurde er von der Leinwand weggelacht werden. Die Vorfuhrer wurden den Film nicht anruhren. Wurde ich ein solches Risiko eingehen, wenn ich nicht wusste, was ich sage?«

»Nun ja…« Bill Hunts Stimme klang zogernd.

»Kommen Sie, Bill, Sie werden doch ein lausiges Klatschblatt wie Peek die Karriere eines guten Mannes nicht zerstoren lassen. Ihnen gefallt doch die Show, oder?«

»Sehr. Es ist eine verdammt gute Show. Aber die Geldgeber -«

»Es ist Ihre Fernsehgesellschaft. Sie haben mehr Geldgeber als Sendezeit. Wir haben Ihnen einen Hit gegeben, und wir sollten einen Erfolg nicht aufs Spiel setzen.«

»Nun…«

»Hat Mel Foss schon mit Ihnen uber die Plane gesprochen, die er mit den >Raiders< fur die nachste Saison hat?«

»Nein…«

»Wahrscheinlich wollte er Sie uberraschen«, sagte Sam. »Warten Sie, bis Sie erfahren, was er vorhat! Gaststars, beruhmte Western-Autoren, Aufnahmen vor Ort – gro?artig! Wenn die >Raiders< nicht raketengleich Nummer eins werden, habe ich keine Ahnung vom Geschaft.«

Nach kurzem Zogern meinte Bill Hunt: »Sagen Sie Mel, er soll mich anrufen. Vielleicht haben wir alle ein wenig ubersturzt reagiert.«

»Er wird Sie anrufen«, versprach Sam.

»Und, Sam – Sie verstehen meine Lage. Ich wollte niemanden kranken.«

»Naturlich nicht«, sagte Sam gro?zugig. »Dafur kenne ich Sie zu gut, Bill. Deshalb war ich auch der Meinung, Sie hatten ein Anrecht darauf, die Wahrheit zu erfahren.«

»Ich wei? das zu schatzen.«

»Wie war's mit einem Lunch in der nachsten Woche?«

»Mit dem gro?ten Vergnugen. Ich rufe Sie Montag an.«

Sie verabschiedeten sich und legten auf. Sam sa? erschopft da. Jack Nolan war so schwul wie nur irgendeiner. Und Sams ganze Zukunft hing von solchen Verruckten ab. Ein Studio zu leiten war, als ob man in einem Schneegestober auf einem Drahtseil uber die Niagarafalle balancierte. Jeder, der diesen Job annimmt, muss verruckt sein, dachte Sam. Er hob den Horer seines Privattelefons und wahlte. Wenig spater sprach er mit Mel Foss.

»Die >Raiders< bleiben im Programm«, sagte Sam.

»Was?« Foss klang verblufft und unglaubig.

»Jawohl. Ich mochte, dass Sie mit Jack Nolan Klartext reden. Sagen Sie ihm, wenn er je wieder aus der Reihe tanzt, werde ich ihn personlich aus der Stadt und zuruck nach Fire Island jagen! Und ich meine es ernst. Wenn er den Drang hat, etwas zu lutschen, sagen Sie ihm, er solle es mal mit einer Banane versuchen!«

Sam knallte den Horer auf die Gabel. Er lehnte sich im Sessel zuruck und uberlegte. Er hatte vergessen, Foss uber die Anderung zu informieren, die er Bill Hunt aus dem Stegreif genannt hatte. Und er wurde jemanden finden mussen, der ihm ein Drehbuch fur einen Western namens Laredo lieferte.

Die Tur sprang auf, und Lucille stand mit aschfahlem Gesicht da.

»Jemand hat Atelier zehn in Brand gesteckt.«

8.

Toby Temple hatte ein halbes Dutzendmal versucht, Sam Winters zu erreichen, aber er kam nie weiter als bis zu diesem Luder von einer Sekretarin, so dass er es schlie?lich aufgab. Er machte weiter seine Runden durch die Nachtklubs und Studios, jedoch ohne Erfolg. Im darauf folgenden Jahr nahm er alle moglichen Jobs an, um sich durchzubringen. Er verkaufte Immobilien, Versicherungen und Herrenartikel, und dazwischen trat er in Bars und obskuren Nachtklubs auf. Aber durch die Tore eines Studios kam er nicht.

»Du fangst das falsch an«, sagte ein Freund zu ihm. »Du musst sie zu dir kommen lassen.«

»Und wie mache ich das?« fragte Toby zynisch.

»Indem du in die Actors West eintrittst.«

»Eine Schauspielschule?«

»Es ist mehr als das. Sie bringen Stucke heraus, und jedes Studio in der Stadt holt sich Leute von dort.«

Actors West hatte einen professionellen Anstrich. Toby merkte das, sowie er durch die Tur trat. An der Wand hingen Bilder ehemaliger Schuler. Toby erkannte in vielen von ihnen erfolgreiche Schauspieler.

Die blonde Vorzimmerdame hinter dem Schreibtisch fragte: »Sie wunschen, bitte?«

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