ging auf Sam zu, streckte eine tadellos manikurte Hand aus und sagte: »Wollte Ihnen blo? schnell guten Tag sagen. Wie geht's, lieber Junge?«

»Ich will mich mal so ausdrucken«, sagte Sam. »Wenn Tage Schiffe waren, ware heute die Titanic.«

Clifton Lawrence schnalzte bedauernd.

»Wie hat Ihnen die gestrige Probevorfuhrung gefallen?« fragte Sam.

»Kurzen Sie die ersten zwanzig Minuten und drehen Sie einen neuen Schluss, und Sie werden einen Riesenerfolg haben.«

»Den Nagel auf den Kopf getroffen«, lachelte Sam. »Genau das tun wir. Irgendwelche Klienten, die Sie mir heute verkaufen konnen?«

Lawrence grinste. »Tut mir leid. Sie sind alle beschaftigt.«

Und das stimmte. Clifton Lawrences erstklassige Stars und die wenigen Regisseure und Produzenten waren immer gefragt.

»Wiedersehen zum Dinner am Freitag, Sam«, sagte Clifton. »Ciao.« Er wandte sich um und ging.

Lucilles Stimme kam uber die Sprechanlage. »Dallas Burke ist hier.«

»Schicken Sie ihn herein.«

»Und Mel Foss wurde Sie gerne sprechen. Er sagte, es sei dringend.«

Mel Foss war der Leiter der Fernseh-Abteilung von Pan-Pacific-Studios.

Sam blickte auf seinen Terminkalender. »Sagen Sie ihm bitte, er soll morgen zum Fruhstuck kommen. Acht Uhr. In der Polo Lounge.«

Im Vorzimmer lautete das Telefon, und Lucille hob ab. »Mr. Winters' Buro.«

Eine unbekannte Stimme sagte: »Hallo. Ist der gro?e Boss da?«

»Wer ist dort, bitte?«

»Sagen Sie ihm, ein alter Kamerad mochte ihn sprechen – Toby

Temple. Wir waren zusammen in der Armee. Er hat mich eingeladen,

ihn zu besuchen, wenn ich je nach Hollywood kommen sollte. Und hier bin ich.«

»Er ist in einer Konferenz, Mr. Temple. Konnte er zuruckrufen?« »Klar.« Er nannte seine Telefonnummer, und Lucille warf sie in den

Papierkorb. Es war nicht das erste Mal, dass jemand die alte Masche mit dem Armee-Kameraden bei ihr versucht hatte.

Dallas Burke war als Regisseur einer der Wegbereiter der Filmindustrie. Burkes Filme wurden in jedem College gezeigt, an dem Filmkurse stattfanden. Von seinen fruheren Filmen galt ein halbes Dutzend als Klassiker, und jedes seiner Werke konnte mindestens brillant und fortschrittlich genannt werden. Burke war jetzt Ende Siebzig, und seine wuchtige Gestalt war geschrumpft, so dass sein Anzug schlotternd an ihm herunterhing.

»Es ist schon, Sie wiederzusehen, Dallas«, sagte Sam, als der alte Mann das Buro betrat.

»Nett, Sie zu sehen, Kid.« Er wies auf seinen Begleiter. »Kennen Sie meinen Agenten?«

»Klar. Wie geht es Ihnen, Peter?«

Sie setzten sich.

»Wie ich hore, haben Sie eine Story fur mich«, sagte Sam zu Dallas Burke.

»Sie ist einmalig.« Die Stimme des alten Mannes zitterte vor Aufregung.

»Ich bin begierig, sie zu horen, Dallas«, sagte Sam. »Schie?en Sie los.«

Dallas Burke beugte sich vor und begann: »Woran ist jeder auf der Welt am meisten interessiert, Kid? An Liebe – stimmt's? Und diese Geschichte handelt von der heiligsten Art der Liebe, die es gibt – der Liebe einer Mutter zu ihrem Kind.« Seine Stimme wurde immer kraftiger, je weiter er sich in seine Geschichte vertiefte. »Wir beginnen in Long Island mit einem neunzehnjahrigen Madchen, das als Sekretarin bei einer reichen Familie arbeitet. Alter Geldadel. Gibt uns einen guten Aufhanger fur einen raffinierten Hintergrund – wissen Sie, was ich meine? HighSociety-Quatsch. Der Mann, bei dem sie arbeitet, ist mit einer geizigen Blaublutigen verheiratet. Er mag seine Sekretarin, und sie mag ihn, obgleich er viel alter ist als sie.«

Sam horte nur mit halbem Ohr zu. Es spielte keine Rolle, ob die Story eine Wiederholung von Back Street oder von Imitation of Life sein wurde, Sam wurde sie in jedem Fall kaufen. Es war beinahe zwanzig Jahre her, seit Dallas Burke seinen letzten Regieauftrag erhalten hatte. Doch Sam konnte der Industrie keinen Vorwurf daraus machen. Burkes letzte drei Filme waren teuer, altmodisch und alles andere als Kassenerfolge gewesen. Dallas Burke war als Filmemacher fur immer passe. Aber er war ein Mensch und lebte noch, und irgendwie musste man sich seiner annehmen, weil er keinen Cent gespart hatte. Ihm war ein Zimmer im Altersheim der Filmschaffenden angeboten worden, aber er hatte das emport abgelehnt. »Ich will nicht euer gottverdammtes Almosen!« hatte er gebrullt. »Ihr redet mit dem Mann, der mit Doug Fairbanks und Jack Barry-more und Milton Sills und Bill Farnum gearbeitet hat. Ich bin ein Riese, ihr winzigen Bastarde!«

Und das war er auch. Er war eine Legende; aber selbst Legenden mussen essen.

Als Sam Produzent geworden war, hatte er einen befreundeten Agenten angerufen und ihn gebeten, Dallas Burke mit einer Idee fur eine FilmStory zu ihm zu bringen. Seit der Zeit hatte Sam jedes Jahr unbrauchbare Geschichten von Dallas Burke fur genugend Geld gekauft, damit der alte Mann leben konnte, und wahrend Sam bei der Armee war, hatte er dafur gesorgt, dass die Vereinbarung weiterlief.

»… so dass also«, sagte Dallas Burke, »das Kind aufwachst, ohne seine Mutter zu kennen. Aber die Mutter verfolgt den Lebensweg des Kindes. Am Schluss, als die Tochter diesen reichen Doktor heiratet, gibt es eine Riesenhochzeit. Und konnen Sie sich den Knalleffekt denken, Sam? Horen Sie sich das an – es ist einmalig. Die Mutter wird nicht eingelassen! Sie muss sich heimlich durch den Hintereingang in die Kirche schleichen, um die Trauung ihres einzigen Kindes mitzuerleben. Da bleibt im Publikum kein Auge trocken…

Das war's. Was halten Sie davon?«

Sam hatte falsch geraten. Stella Dallas. Er warf dem Agenten einen Blick zu; der wich seinen Augen aus und sah verlegen auf die Spitzen seiner teuren Schuhe hinunter.

»Es ist gro?artig«, sagte Sam. »Es ist genau das, was wir suchen.« Sam wandte sich an den Agenten. »Rufen Sie die Geschaftsleitung an und arbeiten Sie einen Vertrag mit denen aus, Peter. Ich werde Ihren Anruf dort ankundigen.«

Der Agent nickte.

»Machen Sie ihnen klar, dass sie ein hubsches Summchen hinblattern mussen, oder ich biete es Warner Brothers an«, sagte Dallas Burke. »Ich gebe Ihnen die Option darauf, weil wir Freunde sind.«

»Ich wei? das zu schatzen«, erwiderte Sam.

Er blickte den beiden Mannern nach. Er wusste genau, dass er eigentlich kein Recht hatte, das Geld der Gesellschaft fur eine derartige sentimentale Geste auszugeben. Aber die Filmwirtschaft verdankte Mannern wie Dallas Burke einiges – ohne ihn und seinesgleichen ware sie nie eine Industrie geworden.

Um acht Uhr am nachsten Morgen fuhr Sam Winters vor dem Beverly Hills vor. Ein paar Minuten spater schlangelte er sich durch die Menge in der Polo Lounge, nickte Freunden, Bekannten und Konkurrenten zu. In diesem Raum wurden beim Fruhstuck, Lunch oder bei Cocktails mehr Geschafte abgeschlossen als in allen Studioburos zusammen. Mel Foss blickte auf, als Sam sich naherte.

»Morgen, Sam.«

Die beiden Manner schuttelten sich die Hande, und Sam glitt in die Nische Foss gegenuber. Vor acht Monaten hatte Sam Mel Foss als Leiter der Femseh-Abteilung von Pan-Pacific-Studios eingestellt. Fernsehen war das jungste Kind der Unterhaltungsbranche, und es entwickelte sich mit unglaublicher Schnelligkeit. Alle Studios, die einmal verachtlich auf das Fernsehen herabgeblickt hatten, waren jetzt beteiligt.

Die Kellnerin kam, um ihre Bestellungen entgegenzunehmen, und als sie gegangen war, fragte Sam: »Was gibt's Gutes, Mel?«

Mel Foss schuttelte den Kopf. »Nichts Gutes«, sagte er. »Wir stecken in Schwierigkeiten.«

Sam wartete schweigend.

»Wir werden die >Raiders< nicht weiterproduzieren.«

Sam sah ihn uberrascht an. »Die Bewertungsquoten sind gro?artig. Warum sollte die Fernsehgesellschaft die Sache annullieren wollen? Sie ist gut genug, um ein Hit zu werden.«

»Es geht nicht um die Show«, sagte Foss. »Es geht um Jack Nolan.« Jack Nolan war der Star der »Raiders«. Er hatte auf Anhieb sowohl bei der Kritik als auch beim Publikum Erfolg gehabt.

»Was ist denn los mit ihm?« fragte Sam. Er hasste es, dass man Mel Foss jede Information aus der Nase ziehen musste.

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