fortwollte?«

»Er wollte fort.«

»Ihr Zeuge.«

Napoleon Chotas' Stimme klang sehr freundlich.

»Herr Cocyannis. Sind Sie Psychiater?«

»Nein, ich bin Fremdenfuhrer.«

»Und Sie sind auch kein Hellseher?«

»Nein.«

»Ich frage Sie das, weil wir in der vergangenen Woche hier Hotelangestellte hatten, die Fachleute fur Psychologie waren, Augenzeugen, die kurzsichtig sind, und jetzt kommen Sie und erklaren, Sie brauchen einen Mann, der Ihre Aufmerksamkeit erregte, weil er aufgeregt schien, nur anzusehen, um seine Gedanken lesen zu konnen. Woher wollen Sie wissen, dass er nicht Hilfe suchte, als Sie auf ihn zugingen und ihn ansprachen?«

»Er sah nicht danach aus.«

»Und Sie konnen sich an sein Verhalten so genau erinnern?«

»Ja, das kann ich.«

»Dann haben Sie offensichtlich ein bemerkenswertes Gedachtnis. Ich mochte, dass Sie sich hier im Gerichtssaal einmal umsehen. Haben Sie irgend jemanden in diesem Saal schon fruher einmal gesehen?«

»Den Angeklagten.«

»Ja. Aber abgesehen von ihm? Lassen Sie sich Zeit.«

»Nein.«

»Wurden Sie sich daran erinnern, wenn es so ware?«

»Unbedingt.«

»Haben Sie mich vor dem heutigen Tag schon einmal gesehen?«

»Nein.«

»Wollen Sie sich bitte einmal dieses Stuck Papier ansehen? Konnen Sie mir sagen, was das ist?«

»Es ist eine Eintrittskarte.«

»Wofur?«

»Fur die Hohlen von Perama.«

»Und von welchem Datum?«

»Vom Montag vor drei Wochen.«

»Ja, das stimmt. Diese Eintrittskarte wurde von mir gekauft und benutzt, Herr Cocyannis. Zu meiner Gruppe gehorten noch

funf weitere Personen. Sie waren unser Fuhrer. Keine weiteren Fragen.«

»Was sind Sie von Beruf?«

»Ich bin Page im Palace Hotel in Ioannina.«

»Sehen Sie sich die Angeklagte auf der Anklagebank dort druben an. Haben Sie sie fruher schon einmal gesehen?«

»Ja, im Film.«

»Haben Sie sie vor dem heutigen Tag schon einmal personlich gesehen?«

»Ja. Sie kam in unser Hotel und fragte mich, welche Zimmernummer Mr. Douglas hatte. Ich sagte ihr, da musse sie beim Empfang nachfragen, aber sie sagte, sie wolle den Empfang nicht belastigen, darum nannte ich ihr die Nummer seines Bungalows.«

»Und wann war das?«

»Am 1. August, an dem Tag, als wir den meltemi hatten.«

»Sind Sie auch sicher, dass es gerade diese Frau war?«

»Wie sollte ich sie vergessen! Sie hat mir zweihundert Drachmen Trinkgeld gegeben.«

Der Prozess ging in die vierte Woche. Jeder war der Meinung, dass Napoleon Chotas die beste Verteidigung fuhrte, die man je erlebt hatte. Und trotzdem wurde das Gespinst der Schuld dichter und dichter gewoben.

Peter Demonides entwickelte das Bild zweier Liebender, die sich verzweifelt wunschten, zusammen zu sein, zu heiraten, und nur Catherine Douglas stand ihnen im Weg. Langsam, Tag um Tag, enthullte Demonides das Mordkomplott.

Larry Douglas' Anwalt Frederick Stavros war froh, dass er seine Position raumen und sich auf Napoleon Chotas verlassen konnte. Doch jetzt begann selbst Stavros zu glauben, dass nur noch ein Wunder die Verurteilung abwenden konnte. Stavros starrte auf den leeren Platz im dicht besetzten Gerichtssaal und fragte sich, ob Constantin Demiris wirklich in Erscheinung treten wurde. Wenn Noelle Page verurteilt wurde, wurde der griechische Magnat wahrscheinlich nicht kommen, denn das bedeutete, dass er unterlegen war. Andererseits, wenn Demiris wusste, dass es einen Freispruch gab, wurde er sich wahrscheinlich zeigen. Der leere Platz wurde zu einem Symbol dafur, welchen Verlauf der Prozess nehmen wurde.

Der Platz blieb leer.

Es war an einem Freitagnachmittag, als die Entscheidung schlie?lich fiel.

»Wurden Sie bitte Ihren Namen nennen?«

»Dr. Kazomides, John Kazomides.«

»Sind Sie Mr. oder Mrs. Douglas je begegnet?«

»Ja, beiden.«

»Aus welchem Anlass?«

»Ich wurde zu den Hohlen von Perama gerufen. Eine Frau hatte sich dort verirrt, und als sie schlie?lich von einem Suchtrupp gefunden wurde, befand sie sich in einem tiefen Schock.«

»Hatte sie sich verletzt?«

»Ja. Sie wies zahlreiche Prellungen auf. Ihre Hande, ihre Arme und ihr Gesicht waren von den scharfen Steinen stark zerkratzt. Sie war gefallen und hatte sich den Kopf aufgeschlagen, und ich vermutete, dass sie sich eine Gehirnerschutterung zugezogen hatte. Ich gab ihr auf der Stelle eine Morphiumspritze gegen die Schmerzen und ordnete an, sie in das ortliche Krankenhaus einzuliefern.«

»Und wurde sie dorthin gebracht?«

»Nein.«

»Wurden Sie den Geschworenen sagen, warum nicht?«

»Ihr Mann bestand darauf, dass sie in ihren Hotel-Bungalow zuruckgebracht werde.«

»Kam Ihnen das nicht sonderbar vor, Doktor?«

»Er sagte, er wolle sich selbst um sie kummern.«

»Mrs. Douglas wurde also in ihr Hotel zuruckgebracht. Haben Sie sie dorthin begleitet?«

»Ja. Ich bestand darauf. Ich wollte bei ihr sein, wenn sie wieder zu sich kam.«

»Und waren Sie da, als sie wieder zu sich kam?«

»Ja.«

»Hat Mrs. Douglas mit Ihnen gesprochen?«

»Ja, sie sprach mit mir.«

»Wurden Sie dem Gericht mitteilen, was sie gesagt hat?«

»Sie sagte mir, ihr Mann habe sie ermorden wollen.«

Es dauerte ganze funf Minuten, den Aufruhr im Zuschauerraum zu beruhigen, und erst als der Gerichtsprasident drohte, den Saal raumen zu lassen, legte sich der Tumult endgultig. Napoleon Chotas war aufgestanden und zur Anklagebank gegangen, wo er sich flusternd mit Noelle Page besprach. Zum ersten Mal schien sie ihre Fassung zu verlieren. Demonides setzte die Vernehmung des Zeugen fort.

»Doktor, Sie haben eben ausgesagt, dass Mrs. Douglas sich in einem tiefen Schock befand. Sind Sie der sachlich fundierten Meinung, dass Mrs. Douglas bei klarem Bewusstsein war, als sie Ihnen sagte, ihr Mann habe sie ermorden wollen?«

»Ja. Ich hatte ihr schon ein Beruhigungsmittel in der Hohle gegeben, und sie war verhaltnisma?ig ruhig. Doch als ich ihr sagte, ich wurde ihr ein weiteres Mittel verabreichen, wurde sie au?erordentlich erregt und bat mich, es nicht zu tun.«

Der Gerichtsprasident beugte sich vor und fragte: »Hat sie Ihnen erklart, warum?«

»Ja, Euer Ehren. Sie sagte, ihr Mann wurde sie toten, wahrend sie schliefe.«

Der Prasident lehnte sich nachdenklich in seinem Sessel zuruck und sagte zu Peter Demonides: »Sie konnen

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