herumging. Ihr genugte es vollkommen, in seiner Nahe zu sein. Komisch, dachte sie, wie die Dinge sich entwickelten. Sie war als Prinzessin, wie ihr Vater sie nannte, aufgewachsen, und jetzt, obgleich als Witz, nannte Larry sie auch Prinzessin. Wenn sie bei Larry war, war sie etwas. Er hatte ihren Glauben an die Manner wiederhergestellt. Er war ihre Welt, und Noelle wusste, dass sie nie wieder etwas anderes brauchen wurde, und es schien ihr einfach unglaublich, dass sie so viel Gluck hatte, dass er dieselben Gefuhle ihr gegenuber hegte.

»An sich wollte ich nicht heiraten, ehe dieser Krieg voruber ist«, sagte er zu ihr. »Aber zum Teufel damit. Plane werden gemacht, um geandert zu werden, stimmt's, Prinzessin?«

Sie nickte, von einem Gluck erfullt, das sie zu sprengen drohte.

»Lassen wir uns von irgendeinem Maire auf dem Land trauen«, sagte Larry. »Es sei denn, du mochtest eine gro?e Hochzeit haben.«

Noelle schuttelte den Kopf. »Ich finde es auf dem Land wunderbar.«

Er nickte. »Abgemacht. Ich muss mich heute Abend bei meiner Staffel zuruckmelden. Ich treffe mich mit dir hier am nachsten Freitag. Was meinst du dazu?«

»Ich – ich wei? nicht, ob ich es ertrage, so lange von dir getrennt zu sein.« Noelles Stimme zitterte.

Larry nahm sie in die Arme und hielt sie fest. »Liebst du mich?« fragte er.

»Mehr als mein Leben«, erwiderte Noelle einfach.

Zwei Stunden spater war Larry auf dem Weg nach England. Er lie? sie nicht zum Flughafen mitkommen. »Ich mag diese Abschiede nicht«, sagte er. Er gab ihr eine gro?e Handvoll Francnoten. »Kauf dir ein Hochzeitskleid, Prinzessin. Ich werde dich nachste Woche darin wieder sehen.« Und weg war er.

Noelle verbrachte die nachste Woche in einem Stadium der Euphorie. Sie ging zu den Orten zuruck, wo sie und Larry gewesen waren, verbrachte Stunden damit, uber ihr gemeinsames Leben zu traumen. Die Tage schienen sich hinzuschleppen, die Minuten ruhrten sich nicht, bis Noelle glaubte, sie wurde den Verstand verlieren.

Sie ging in ein Dutzend Geschafte auf der Suche nach einem Hochzeitskleid, bis sie bei Madeleine Vionett schlie?lich genau das fand, was sie wollte. Es war ein schones Organzakleid mit hochgeschlossenem Mieder, langen Armeln mit einer Reihe von sechs Perlenknopfen und drei Krinolinen-Unterrocken. Es kostete viel mehr, als Noelle erwartet hatte, aber sie zogerte nicht. Sie nahm das ganze Geld, das Larry ihr gegeben hatte, und fast all ihre Ersparnisse. Ihr ganzes Ich drehte sich um Larry. Sie uberlegte sich, wie sie ihm eine Freude machen konnte, durchforschte ihre Erinnerung nach Dingen, die ihn belustigen konnten, nach Anekdoten, die ihn unterhalten wurden. Sie kam sich wie ein Schulmadchen vor.

Auf diese Weise wartete Noelle in qualvoller Ungeduld auf den Freitag, und als er endlich kam, war sie schon ganz fruh auf und verbrachte zwei Stunden mit Baden und Anziehen, zog Kleider an, zog Kleider wieder aus, versuchte zu erraten, welches Kleid Larry am besten gefallen wurde. Sie zog ihr Hochzeitskleid an, zog es aber schnell wieder aus, aus Furcht, es konnte Ungluck bringen. Sie war wahnsinnig vor Aufregung.

Um zehn Uhr stand Noelle vor dem Trumeauspiegel im Schlafzimmer und wusste, dass sie noch nie so schon ausgesehen hatte. Es lag nichts Egozentrisches in ihrer Bewertung; sie war einfach froh fur Larry, froh, dass sie ihm dieses Geschenk machen konnte. Es wurde Mittag, und er war noch nicht erschienen, und Noelle wunschte, er hatte ihr gesagt, wann er voraussichtlich ankame. Alle zehn Minuten rief sie die Rezeption unten an, ob eine Mitteilung fur sie vorliege, und hob den Horer immer wieder, um sicherzugehen, dass das Telefon in Ordnung war. Um sechs Uhr abends war immer noch keine Nachricht von ihm da. Um Mitternacht hatte er noch nicht angerufen, und Noelle sa? zusammengesunken in einem Sessel, starrte auf das Telefon, wunschte, es wurde lauten. Sie schlief ein, und als sie aufwachte, war es Sonnabend fruh. Sie sa? immer noch in ihrem Sessel, steif und kalt. Das Kleid, das sie so sorgfaltig gewahlt hatte, war zerknittert.

Noelle zog sich um und blieb den ganzen Tag im Zimmer, pflanzte sich vor dem offenen Fenster auf, sagte sich, wenn sie dabliebe, wurde Larry erscheinen; wenn sie wegginge, wurde ihm etwas Furchtbares zusto?en. Als der Sonnabend Vormittag sich in den Nachmittag hinzog, wurde sie von der Uberzeugung durchdrungen, dass es einen Unfall gegeben hatte. Larrys Maschine war abgesturzt, und er lag in einem Feld oder in einem Hospital, verletzt oder tot. Die scheu?lichsten Vorstellungen gingen Noelle durch den Kopf. Sie blieb die ganze Sonnabendnacht auf, krank vor Sorgen, hatte Angst, das Zimmer zu verlassen, und wusste nicht, wie sie Larry erreichen konnte.

Als Noelle am Sonntagmittag noch nichts von ihm gehort hatte, konnte sie es nicht mehr langer aushaken. Sie musste ihn anrufen. Aber wie? Im Krieg war es schwer, einen Anruf nach Ubersee zu tatigen, und sie war noch nicht mal sicher, wo Larry war. Sie wusste nur, dass er bei der RAF war und in einer amerikanischen Staffel flog. Sie hob den Horer ab und sprach mit der Telefonzentrale.

»Unmoglich«, sagte das Telefonfraulein rundheraus.

Noelle erklarte die Lage, und ob es nun ihre Worte waren oder die furchtbare Verzweiflung in ihrer Stimme, erfuhr sie nie, aber zwei Stunden spater sprach sie mit dem Kriegsministerium in London. Dort konnte man ihr nicht helfen, doch sie wurde mit dem Luftfahrtministerium in Whitehall verbunden, das eine Verbindung mit Combat Operations herstellte, aber sie wurde getrennt, ehe sie eine Auskunft erhalten konnte. Nach vier weiteren Stunden kam wieder eine Verbindung zustande, und inzwischen war sie am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Air Operations konnten ihr keine Auskunft geben und schlugen vor, es beim Kriegsministerium zu versuchen.

»Mit dem habe ich gesprochen!« schrie Noelle ins Telefon. Sie schluchzte, und die mannliche englische Stimme am anderen Ende sagte verlegen: »Bitte, Miss, so schlimm kann es nicht sein. Bleiben Sie einen Augenblick am Apparat.«

Noelle hielt den Horer in der Hand und wusste, dass es hoffnungslos war. Sie war sicher, dass Larry tot war und dass sie nie erfahren wurde, wie und wo er umgekommen war. Und schon wollte sie auflegen, als die Stimme wieder in ihr Ohr drang und frohlich sagte: »Was Sie haben wollen, Miss, ist die Adler-Staffel. Das sind die Yanks, in Yorkshire stationiert. Es ist zwar ein bisschen regelwidrig, aber ich werde Sie mit Church Fenton, ihrem Flugfeld, verbinden. Die Jungs dort werden Ihnen helfen konnen.« Und dann war der Anschluss tot.

Erst um elf Uhr in jener Nacht konnte Noelle wieder eine

Verbindung bekommen. Eine geisterhafte Stimme sagte: »Luftwaffenstutzpunkt Church Fenton«, und die Verbindung war so schlecht, dass Noelle ihn kaum horen konnte. Es klang, als sprache er vom Meeresboden aus. Auch er schien Schwierigkeiten zu haben, sie zu horen. »Lauter, bitte«, sagte er. Inzwischen waren Noelles Nerven derart gereizt, dass sie ihre Stimme kaum unter Kontrolle halten konnte.

»Ich mochte« – sie kannte nicht einmal seinen Rang. Leutnant?

Hauptmann? Major? »Ich mochte Larry Douglas sprechen. Ich bin seine Verlobte.«

»Ich kann Sie nicht horen, Miss. Konnen Sie bitte lauter sprechen?«

Am Rande der Verzweiflung schrie Noelle die Worte wieder hinaus, war sicher, dass der Mann am anderen Ende versuchte, ihr zu verheimlichen, dass Larry tot war. Aber einen wunderbaren Augenblick wurde die Verbindung ganz klar, und sie horte die Stimme, als ware er im Zimmer nebenan, sagen: »Leutnant Larry Douglas?«

»Ja«, sagte sie, ihre Erregung mit aller Gewalt beherrschend.

»Augenblick, bitte.«

Noelle wartete, wie es ihr schien, eine Ewigkeit, und dann kam die Stimme wieder und sagte: »Leutnant Douglas ist auf Wochenend-Urlaub. In dringenden Fallen ist er im Hotel Savoy, London, Ballsaal, General Davis' Party, zu erreichen.« Und die Verbindung brach ab.

Als das Stubenmadchen am nachsten Morgen hereinkam, um das Zimmer in Ordnung zu bringen, fand sie Noelle auf dem Boden, halb bewusstlos, vor. Das Madchen starrte sie einen Augenblick an, uberlegte sich, ob sie sich um ihre eigenen Dinge kummern und wieder hinausgehen sollte. Warum passierten solche Sachen immer in ihren Zimmern? Sie ging hinuber und beruhrte Noelles Stirn. Sie war gluhend hei?. Brummend watschelte das Madchen in die Halle hinunter und bat den Portier, den Manager hinauf zuschicken. Eine Stunde spater hielt ein Krankenwagen vor dem Hotel, und zwei junge Assistenzarzte mit einer Bahre wurden zu Noelles Zimmer gewiesen. Noelle war bewusstlos. Der junge leitende Assistenzarzt hob eines ihrer Augenlider, setzte ihr ein Stethoskop auf die Brust und horchte ihre rasselnden Atemzuge ab. »Lungenentzundung«, sagte er zu seinem Kollegen. »Raus mit ihr.«

Sie hoben Noelle auf die Bahre, und funf Minuten spater raste der Krankenwagen zum Hospital. Sie wurde unter ein Sauerstoffzelt gelegt, und es dauerte vier Tage, bis sie wieder vollig bei Bewusstsein war. Sie zog sich widerwillig aus den truben grunen Tiefen der Vergessenheit empor, im Unterbewusstsein wissend, dass etwas

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