»Sie hat es auf mich abgesehen«, sagte Larry.

»Sie muss eine entsetzliche Person sein«, meinte Catherine. »Konntest du sie in irgendeiner Weise beleidigt haben?«

»Ich habe kein Dutzend Worter mit ihr gesprochen.«

Catherine nahm seine Hand. »Mach dir keine Sorgen«, sagte sie trostend. »Du wirst sie schon noch fur dich gewinnen. Warte nur ab.«

Am nachsten Tag, als Larry Constantin Demiris zu einem kurzen Besuch in die Turkei flog, kam Demiris ins Cockpit und nahm Metaxas' Platz ein. Er entlie? den Kopiloten mit einer Handbewegung, und Larry war mit Demiris allein. Sie sa?en schweigend auf ihren Platzen und blickten auf die dunnen Stratuswolken hinaus, die die Maschine durchschnitt.

»Miss Page hat eine Abneigung gegen Sie«, sagte Demiris endlich.

Larry spurte, wie sich seine Hande fester um das Steuer schlossen, und lockerte bewusst seinen Griff, um sich zu entspannen. Er zwang sich zu einem ruhigen Ton. »Hat sie – hat sie gesagt, weshalb?«

»Sie sagte, Sie waren unhoflich zu ihr gewesen.«

Larry offnete den Mund, um zu protestieren, uberlegte es sich dann jedoch. Er musste das Problem auf seine eigene Weise losen.

»Es tut mir leid. Ich werde versuchen, achtsamer zu sein, Mr. Demiris«, sagte er ruhig.

Demiris stand auf. »Tun Sie das. Ich empfehle Ihnen sehr, Miss Page in Zukunft nicht wieder zu beleidigen.« Er verlie? das Cockpit.

Nicht wieder! Er zermarterte sich das Hirn und versuchte zu erraten, womit er sie beleidigt haben konnte. Vielleicht mochte sie einfach seinen Typ nicht. Oder sie war eifersuchtig, weil Demiris ihn mochte und ihm vertraute, aber das war unsinnig. Nichts von dem, was Larry sich dachte, erschien sinnvoll. Und doch hatte Noelle Page es auf seine Entlassung abgesehen.

Larry dachte daran, was es fur ihn bedeuten wurde, wieder stellungslos zu sein, das entwurdigende Ausfullen von Fragebogen bei Bewerbungen wie ein dummer Schuljunge, das

Vorstellen und das Warten, die endlosen Stunden, in denen er versuchte, die Zeit in billigen Bars und mit Amateurhuren totzuschlagen. Er erinnerte sich daran, wie geduldig und nachsichtig Catherine gewesen war und wie sehr er sie deswegen gehasst hatte. Nein, das alles wollte er nicht noch einmal durchmachen. Ein weiteres Versagen wurde er nicht ertragen.

Bei einem Zwischenaufenthalt in Beirut wenige Tage spater kam Larry an einem Kino vorbei und sah, dass Noelle Page die Hauptrolle in dem Film spielte, der gezeigt wurde. Einem Impuls folgend ging er hinein, bereit, den Film und seinen Star abscheulich zu finden, aber Noelle war so brillant, dass er gegen seinen Willen vollig von ihr hingerissen war. Doch wieder kam sie ihm irgendwie bekannt vor. Am folgenden Montag flog Larry Noelle und einige Geschaftsfreunde von Demiris nach Zurich. Larry wartete, bis Noelle Page allein war, ehe er sich ihr naherte. Er hatte gezogert sie anzusprechen, weil er sich an ihre letzte Warnung erinnerte, war aber zu der Uberzeugung gekommen, die einzige Moglichkeit, ihre Abneigung zu uberwinden, sei, sich die gro?te Muhe zu geben, freundlich zu ihr zu sein. Alle Schauspielerinnen sind eigensuchtig und horen es gern, wenn man ihnen sagt, dass sie gut sind. So trat er an sie heran und sagte mit ausgesuchter Hoflichkeit: »Verzeihen Sie, Miss Page, ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich Sie neulich in einem Film gesehen habe. >Das andere Gesichte Ich glaube, Sie sind eine der gro?ten Schauspielerinnen, die ich je gesehen habe.«

Noelle starrte ihn einen Augenblick an, und dann erwiderte sie: »Ich wurde gern glauben, dass Sie ein besserer Kritiker sind als Pilot, aber ich bezweifle sehr, dass Sie dazu die erforderliche Intelligenz und den notigen Geschmack besitzen.« Damit ging sie fort.

Larry stand wie angewurzelt da. Er hatte das Gefuhl, geschlagen worden zu sein. Einen Augenblick lang war er

versucht, ihr zu folgen und ihr zu sagen, was er von ihr hielt, aber er wusste, dass er ihr damit in die Hande spielen wurde. Nein, von nun an wurde er einfach nur seine Arbeit tun und sich so fern von ihr halten wie moglich.

Wahrend der nachsten Wochen war Noelle bei verschiedenen Flugen sein Passagier. Larry sprach kein Wort zu ihr und gab sich die gro?te Muhe, es so einzurichten, dass sie ihn nicht sah. Er mied die Kabine und lie? alle erforderlichen Mitteilungen an die Passagiere durch Metaxas uberbringen. Von Noelle Page erfolgten keine weiteren Bemerkungen, und Larry gratulierte sich, dass er sein Problem gelost hatte.

Es erwies sich jedoch, dass er sich zu fruh gratulierte.

Eines Morgens schickte Demiris nach Larry. »Miss Page fliegt mit einem vertraulichen Auftrag von mir nach Paris. Ich wunsche, dass Sie an ihrer Seite bleiben.«

»Ja, Mr. Demiris.«

Demiris musterte ihn einen Augenblick, setzte dazu an, noch etwas hinzuzufugen, uberlegte es sich aber. »Das ist alles.«

Noelle war der einzige Passagier auf diesem Flug nach Paris, und Larry entschloss sich, mit der Piper zu fliegen. Er veran-lasste Metaxas, fur die Behaglichkeit seines Passagiers zu sorgen, und hielt sich wahrend des ganzen Flugs im Cockpit auf. Nachdem sie gelandet waren, ging er zu Noelle in die Kabine und sagte: »Entschuldigen Sie, Miss Page, Mr. Demiris hat mich beauftragt, Sie zu begleiten, solange Sie in Paris sind.«

Sie blickte verachtlich zu ihm auf und sagte: »Nun gut. Nur lassen Sie es mich nicht merken, dass Sie in meiner Nahe sind.« Er nickte in eisigem Schweigen.

Sie fuhren in einem Privatwagen von Orly in die Stadt. Larry sa? vorn beim Chauffeur und Noelle auf dem Rucksitz. Wahrend der Fahrt in die City sprach sie nicht mit ihm. Das erste Mal hielten sie bei Paribas, der Banque de Paris et des Bas. Larry ging mit Noelle in die Halle und wartete dort, wahrend sie in das Buro des Prasidenten und dann hinab in den Keller gefuhrt wurde, wo sich die Tresorfacher befanden. Noelle war etwa drei?ig Minuten lang fort, und als sie zuruckkam, ging sie wortlos an Larry vorbei. Er blickte ihr einen Augenblick nach, dann folgte er ihr.

Das nachste Ziel war die Rue du Faubourg-St.-Honore. Hier schickte Noelle den Wagen fort. Larry folgte ihr in ein Kaufhaus und blieb in ihrer Nahe stehen, wahrend sie ihre Einkaufe machte. Danach reichte sie ihm die Pakete zum Tragen. Sie kaufte in einem halben Dutzend Geschaften ein: bei Hermes Handtaschen und Gurtel, bei Guerlain Parfum, bei Celine Schuhe, bis Larry mit Paketen uberladen war. Falls Noelle sein Missbehagen bemerkte, zeigte sie es nicht. Larry hatte ein Hundchen sein konnen, das sie an der Leine mit sich fuhrte.

Als sie von Celine herauskamen, begann es zu regnen. Alle Fu?ganger suchten eilig Schutz. »Warten Sie hier«, befahl Noelle.

Larry blieb stehen und sah sie in einem Restaurant auf der anderen Stra?enseite verschwinden. Zwei Stunden lang wartete er im stromenden Regen, die Arme voller Pakete, und verfluchte sie und verfluchte sich, weil er sich ihre Behandlung gefallen lie?. Er befand sich in einer Falle und wusste nicht, wie er aus ihr herauskommen sollte.

Und er hatte die bose Vorahnung, dass es noch schlimmer kommen wurde.

Catherine begegnete Demiris zum ersten Mal in seiner Villa. Larry war dorthin gegangen, um ein Paket abzuliefern, das er in Kopenhagen mit dem Flugzeug abgeholt hatte, und Catherine begleitete ihn in das Haus. Sie stand in der riesigen Halle und bewunderte eines der Gemalde, als sich eine Tur offnete und Demiris herauskam. Er beobachtete sie einen Augenblick und fragte dann: »Mogen Sie Manet, Mrs. Douglas?«

Catherine drehte sich schnell um und fand sich der legendaren Gestalt gegenuber, von der sie so viel gehort hatte. Sie hatte zwei unmittelbare Eindrucke: Constantin Demiris war gro?er, als sie ihn sich vorgestellt hatte, und er strahlte eine uberwaltigende Energie aus, die ihr fast Furcht einflo?te. Catherine war uberrascht, dass er ihren Namen kannte und wusste, wer sie war. Er gab sich denkbar gro?e Muhe, sie von ihrer Befangenheit zu befreien. Erfragte Catherine, wie ihr Griechenland gefalle, ob ihre Wohnung bequem sei, und sagte, sie solle es ihn wissen lassen, ob er irgendwie dazu beitragen konne, ihr den Aufenthalt angenehm zu machen. Er wusste sogar – Gott allein mochte wissen, woher! -, dass sie kleine Vogel sammelte. »Ich habe einen sehr hubschen gesehen«, sagte er. »Den werde ich Ihnen schicken.«

Larry erschien, und er und Catherine gingen.

»Wie gefallt dir Demiris?« fragte Larry.

»Er ist ein Charmeur«, antwortete sie. »Kein Wunder, dass du gern fur ihn arbeitest.«

»Und ich werde weiter fur ihn arbeiten.« In seinem Ton lag ein verhaltener Zorn, den Catherine nicht verstand.

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