Unwillkurlich rannte er durch den langen Korridor und fluchte uber sich selbst, dass er sich dies antun lie?. Er klopfte an ihre Tur und suchte in Gedanken nach Vorwanden, um seine Verspatung zu entschuldigen. Niemand reagierte auf sein Klopfen, und als Larry den Turknopf drehte, fand er die Tur unverschlossen. Er trat in den gro?en, luxurios ausgestatteten Salon und blieb einen Augenblick unsicher stehen, ehe er rief: »Miss Page.« Es kam keine Antwort. Das war also ihr Plan.
Es tut mir leid, Costa Liebling, aber ich sagte dir gleich, dass er unzuverlassig ist. Ich hatte ihn gebeten, mich um zehn Uhr abzuholen, aber er sa? unten in der Bar und betrank sich. Ich musste ohne ihn gehen.
Larry vernahm ein Gerausch aus dem Bad und ging darauf zu. Die Badezimmertur stand offen. Er ging hinein, gerade als Noelle Page unter der Dusche hervorkam. Sie hatte nichts an au?er einem Frottiertuch, das sie sich als Turban um den Kopf geschlungen hatte.
Noelle drehte sich um und sah ihn unter der Tur stehen. Eine Entschuldigung drangte sich Larry auf die Lippen, er versuchte, ihrer Emporung zuvorzukommen, doch noch ehe er ein Wort herausbrachte, sagte Noelle ungeruhrt: »Reichen Sie mir das Badetuch«, als ob er eine Zofe ware. Oder ein Eunuch. Larry hatte sich mit ihrer Emporung oder ihrem Zorn abfinden konnen, aber ihre arrogante Gleichgultigkeit lie? etwas in ihm aushaken.
Er trat auf sie zu und packte sie. Er wusste, dass er damit alles, was er sich wunschte, fortwarf, um der billigen Befriedigung einer kleinlichen Rache willen, aber er konnte sich nicht zuruckhalten. Die Wut in ihm hatte sich seit Monaten angesammelt, genahrt von den Demutigungen, die er von ihr erfahren hatte, den vorsatzlichen Beleidigungen, den Erniedrigungen, der Gefahrdung seines Lebens. Alles das brannte in ihm, als er nach ihrem nackten Korper griff. Wenn Noelle geschrieen hatte, hatte Larry sie bewusstlos geschlagen. Aber sie sah den wilden Ausdruck auf seinem Gesicht und gab keinen Laut von sich, als er sie aufhob und ins Schlafzimmer trug.
In Larry meldete sich eine Stimme, die ihm zu schrie einzuhalten, sich zu entschuldigen, zu sagen, dass er betrunken ware, davonzurennen, ehe es fur ihn zu spat war, sich zu retten, aber er wusste, dass es schon zu spat war. Es gab kein Zuruck mehr. Er warf sie brutal aufs Bett.
Er konzentrierte sich auf ihren Korper, weigerte sich, an die Strafe zu denken, die ihn dafur treffen wurde. Er machte sich keine Illusionen daruber, was Demiris mit ihm tun wurde, denn die Ehre des Griechen wurde sich nicht damit bescheiden, dass er ihn lediglich hinauswurfe. Larry kannte den Magnaten gut genug, um zu wissen, dass dessen Rache weit schrecklicher sein wurde, und obwohl er das wusste, konnte er sich nicht zuruckhalten.
Sie lag auf dem Bett und blickte zu ihm auf, ihre Augen funkelten. Er warf sich uber sie und drang in sie ein, erkannte erst in diesem Augenblick, wie sehr er sich schon die ganze Zeit gewunscht hatte, genau das zu tun, und irgendwie verschmolz der Trieb vollstandig mit dem Hass, und er spurte, dass ihre Arme sich um seinen Nacken schlangen und sie ihn an sich druckte, als ob sie ihn nie wieder loslassen wollte, und sie sagte: »Willkommen daheim«, und es fuhr Larry durch den Sinn, dass sie verruckt sei oder dass sie ihn mit einem anderen verwechsle, doch das war ihm gleichgultig, denn ihr Korper zuckte und wand sich unter ihm, und er verga? alles andere in dem Gefuhl dessen, was ihm widerfuhr, und in der plotzlichen, wundervollen Erkenntnis, dass jetzt alles gut war.
Noelle und Catherine
Athen 1946
Unerklarlicherweise war die Zeit Catherines Feind geworden. Zunachst bemerkte sie es nicht, und wenn sie zuruckblickte, konnte sie nicht den genauen Augenblick bezeichnen, seitdem die Zeit gegen sie arbeitete. Sie hatte nicht bemerkt, wann Larrys Liebe gestorben war oder warum oder wie, aber eines Tages war sie nicht mehr da, verschwunden im Gang der Zeit, und alles, was ubrig blieb, war ein kaltes, hohles Echo. Tag fur Tag sa? sie allein in der Wohnung und versuchte zu ergrunden, was geschehen, was fehlgeschlagen war. Es gab nichts Bestimmtes, woran Catherine sich entsinnen konnte, keinen einzelnen Augenblick der Erkenntnis, auf den sie deuten und sagen konnte: Das war es, das war der Punkt, an dem Larry aufhorte, mich zu lieben. Vielleicht hatte es begonnen, als Larry von einem dreiwochigen Aufenthalt in Afrika zuruckkam, wohin er Demiris zu einer Safari gebracht hatte. Larry hatte Catherine mehr gefehlt, als sie fur moglich gehalten hatte. Er ist die ganze Zeit uber fort, dachte sie. Es ist wie im Krieg, nur gibt es diesmal keinen Feind.
Aber darin irrte sie sich. Es gab einen Feind.
»Ich habe dir die gute Neuigkeit noch gar nicht berichtet«, sagte Larry. »Ich habe eine Gehaltserhohung bekommen. Siebenhundert im Monat. Was sagst du dazu?«
»Das ist wunderbar«, antwortete sie. »Um so fruher konnen wir nach Hause zuruck.« Sie sah, wie sein Gesicht finster wurde. »Was ist denn?«
»Hier sind wir zu Hause«, entgegnete Larry knapp.
Sie blickte ihn verstandnislos an. »Nun ja, zur Zeit«, stimmte sie nachgiebig zu, »aber ich meine – du wirst doch nicht fur immer hier leben wollen.«
»Du hast es nie so gut gehabt«, entgegnete Larry. »Du lebst
hier wie in der Sommerfrische.«
»Aber es ist nicht wie das Leben in Amerika.«
»Schei? auf Amerika«, antwortete Larry. »Vier Jahre lang habe ich mein Leben dafur riskiert, und was hat es mir eingebracht? Eine Handvoll billiger Orden. Nach dem Krieg wollten sie mir nicht einmal einen Job geben.«
»Das ist nicht wahr«, widersprach sie. »Du ...«
»Was ich?«
Catherine wollte keinen Streit provozieren, schon gar nicht am Abend seiner Heimkehr. »Nichts, Liebling«, sagte sie. »Du bist mude. Wir werden bald schlafen gehen.«
»Das werden wir nicht.« Er ging an die Bar, um sich einen Drink einzuschenken. »Im Argentina Night Club ist ein neues Programm. Ich habe Paul Metaxas gesagt, dass ich ihn mit ein paar Freunden dort treffen wurde.«
Catherine sah ihn an. »Larry« Sie musste sich Muhe geben, dass ihre Stimme gefasst klang. »Larry, wir haben uns fast einen Monat lang nicht gesehen. Wir haben nie die Moglichkeit, einfach – einfach beieinander zu sitzen und uns zu unterhalten.«
»Ich kann es nicht andern, dass mich mein Beruf nach auswarts fuhrt«, erwiderte er. »Glaubst du vielleicht, ich ware nicht gern bei dir?«
Sie schuttelte den Kopf. »Ich wei? nicht. Ich muss ein Orakel befragen.«
Darauf legte er seinen Arm um sie und strahlte sie mit seinem unschuldigen Jungenlacheln an. »Zum Teufel mit Metaxas und der ganzen Bande. Wir bleiben heute zu Hause, nur wir zwei allein. Einverstanden?«
Catherine sah ihm ins Gesicht und wusste, dass sie unvernunftig war. Selbstverstandlich konnte er nichts dafur, dass sein Beruf ihn von ihr fortfuhrte. Und wenn er nach Hause zuruckkam, war es nur naturlich, dass er andere Leute sehen wollte. »Lass uns doch ausgehen, wenn du gern mochtest«, schlug sie vor.
Er zog sie dicht an sich. »Wir bleiben allein, nur wir zwei.«
Das ganze Wochenende uber verlie?en sie die Wohnung nicht. Catherine kochte, und sie liebten sich und sa?en vor dem Feuer und unterhielten sich und spielten Romme und lasen, und es war alles so, wie Catherine es sich nur wunschen konnte.
Am Sonntagabend, nach einem kostlichen Essen, das Catherine zubereitet hatte, gingen sie zu Bett und liebten sich wieder. Sie lag im Bett und sah Larry nach, der nackt ins Bad ging, und dachte, was fur ein schoner Mann er sei und wie glucklich sie ware, dass er ihr gehore, und das Lacheln stand ihr noch im Gesicht, als Larry sich unter der Badezimmertur umdrehte und beilaufig sagte: »Triff fur die nachste Woche jede Menge Verabredungen, damit wir nicht wieder aneinanderkleben und uns langweilen.« Damit ging er ins Bad und lie? Catherine mit erstarrtem Lacheln zuruck.
Oder hatten die Schwierigkeiten vielleicht mit Helena, der schonen griechischen Stewardess, angefangen? An einem hei?en Sommernachmittag war Catherine einkaufen gewesen. Larry war auswarts. Sie erwartete ihn am nachsten Tag zuruck und wollte ihn mit einem seiner Lieblingsgerichte uberraschen. Als Catherine, die Arme voller Lebensmittel, den Markt verlie?, fuhr ein Taxi an ihr vorbei. Auf dem Rucksitz sa? Larry, den Arm um ein