ihm schon gesagt, dass ich nicht mitfahren kann. Wir haben zehn herrliche Tage vor uns. Aber du gehst jetzt besser.«
Larry drehte sich um und ging ins Cockpit zuruck.
»Wie war es?« fragte Metaxas. »Hast du was erreicht?«
»Nicht viel«, antwortete Larry. »Es braucht Zeit.«
Larry besa? einen Wagen, ein Citroen-Kabriolett, aber Noelle bestand drauf, dass er sich bei einer kleinen Autovermietung in Athen einen Leihwagen nahm. Noelle war allein nach Rafina vorausgefahren, und Larry sollte sie dort treffen. Die angenehme Fahrt fuhrte auf einer staubigen Bergstra?e hoch uber dem Meer entlang. Zweieinhalb Stunden von Athen entfernt, kam
Larry in ein winziges, reizendes, an die Kuste gekuscheltes Dorf. Noelle hatte ihm genaue Anweisungen gegeben, so dass er im Dorf nicht anzuhalten und nachzufragen brauchte. Er erreichte den Dorfrand, bog nach links ab und fuhr uber einen Feldweg, der zum Meer fuhrte. Dort standen mehrere Villen, jede fur sich hinter hohen Mauern abgeschlossen. Am Ende einer Felsstra?e stand auf einem uber das Meer hinausragenden Vorsprung eine gro?e luxuriose Villa.
Larry fuhr vors Tor und druckte auf die Klingel. Einen Augenblick spater schwang das elektrische Tor auf. Er fuhr hindurch, und das Tor schloss sich hinter ihm. Er befand sich auf einem gro?en Hof mit einem Springbrunnen in der Mitte. Die Seiten des Hofs waren von Blumenrabatten umsaumt. Das Haus selbst war eine typische mediterrane Villa, uneinnehmbar wie eine Festung. Die Vordertur offnete sich, und Noelle erschien in einem wei?en Baumwollkleid. Lachelnd standen sie einander gegenuber, und dann lag sie in seinen Armen.
»Komm und sieh dir dein neues Haus an«, sagte sie eifrig und zog ihn hinein.
Das Innere des Hauses bestand aus hohlenartigen, weitlaufigen Raumen mit gewolbten Decken. Unten befanden sich ein sehr gro?er Wohnraum, eine Bibliothek, ein Speisesaal und eine altmodische Kuche mit einem runden Herd in der Mitte. Die Schlafraume lagen oben.
»Wie sieht es mit der Bedienung aus?« fragte Larry.
»Du siehst sie vor dir.«
Larry betrachtete sie uberrascht. »Willst du selbst kochen und saubermachen?«
Sie nickte. »Wenn wir wieder fort sind, kommt ein Ehepaar her, um zu putzen, aber es wird uns nicht zu Gesicht bekommen. Ich habe alles mit einer Agentur arrangiert.«
Larry grinste zynisch.
In Noelles Stimme lag ein warnender Ton. »Begeh ja nicht den Fehler, Constantin Demiris zu unterschatzen. Wenn er uns
auf die Sprunge kommt, wird er uns beide umbringen.«
Larry lachelte. »Du ubertreibst«, sagte er. »Dem Alten mag es nicht passen, aber ...«
Ihre blauen Augen blickten fest in die seinen. »Er wird uns beide toten.« In ihrer Stimme lag etwas, das ein Gefuhl boser Vorahnungen in ihm ausloste.
»Ist das wirklich dein Ernst?«
»Ich war nie ernster in meinem Leben. Er kennt keine Rucksicht.«
»Aber wenn du sagst, er wurde uns toten«, widersprach Larry, »das hei?t doch nicht ...«
»Er wird nicht auf uns schie?en«, sagte Noelle entschieden, »sondern er wird eine komplizierte, raffinierte Methode finden, und er wird niemals dafur zur Rechenschaft gezogen werden.« Ihr Ton wurde leichter. »Aber er wird uns nicht auf die Spur kommen, Liebling. Komm, ich will dir unser Schlafzimmer zeigen.« Sie nahm ihn bei der Hand, und sie stiegen die weit geschwungene Treppe hinauf. »Wir haben vier Gastezimmer«, sagte sie und fugte mit einem Lacheln hinzu: »Und wir konnen sie alle ausprobieren.« Sie fuhrte ihn in den Hauptschlafraum, ein riesiges Eckzimmer, von wo man auf das Meer hinausblickte. Durch das Fenster konnte Larry auf eine gro?e Terrasse hinab sehen und auf einen kurzen Pfad, der sich zum Wasser hinunterschlangelte. Dort befand sich ein Landesteg, an dem ein gro?es Segelboot und ein Motorboot festgemacht lagen. »Wem gehoren die Boote?«
»Dir«, antwortete sie. »Sie sind dein Begru?ungsgeschenk.« Er drehte sich um und sah, dass sie ihr Baumwollkleid abgestreift hatte. Sie war nackt. Den Rest des Nachmittags verbrachten sie im Bett.
Die nachsten zehn Tage vergingen wie im Flug. Noelle war quicklebendig, eine Nymphe, ein Luftgeist, ein Dutzend schoner Dienerinnen, die Larry jeden Wunsch erfullten, noch ehe er wusste, was er sich wunschte. Er fand die Bibliothek der
Villa mit seinen Lieblingsbuchern und -platten bestuckt. Noelle kochte seine Lieblingsgerichte mit aller Perfektion, segelte mit ihm, schwamm mit ihm in dem warmen blauen Meer, umarmte ihn, massierte ihn abends, bis er einschlief. In gewisser Weise waren sie zwei Gefangene, denn sie wagten nicht, einen anderen Menschen zu sehen. Jeden Tag entdeckte Larry neue Seiten an Noelle. Sie unterhielt ihn mit faszinierenden Anekdoten von beruhmten Leuten, die sie kannte. Sie versuchte, mit ihm uber Wirtschaft und Politik zu diskutieren, bis sie entdeckte, dass er sich fur keines von beiden interessierte.
Sie spielten Poker und Romme, und Larry wurde wutend, weil er nie gewann. Noelle brachte ihm Schach und Halma bei, und in beidem konnte er sie niemals schlagen. An ihrem ersten Sonntag in der Villa bereitete sie ein kostliches Picknick, und sie sa?en am Strand in der Sonne und genossen es. Wahrend sie a?en, blickte Noelle auf und sah in der Ferne zwei Manner, die in ihrer Richtung den Strand entlang geschlendert kamen.
»Lass uns hineingehen«, sagte Noelle.
Larry blickte auf und sah die beiden Manner. »Mein Gott, sei doch nicht so angstlich. Das sind zwei Dorfbewohner, die einen Spaziergang machen.«
»Sofort hinein«, befahl sie.
»Na gut«, sagte er murrisch, uber den Vorfall und ihren Ton gereizt.
»Hilf mir zusammenzupacken.«
»Warum lassen wir die Sachen nicht einfach hier?« fragte er.
»Weil sie Verdacht erregen wurden.«
Schnell stopften sie alles in den Picknickkorb und gingen zuruck ins Haus. Larry war den Rest des Nachmittags schweigsam. Mit seinen Gedanken beschaftigt, sa? er in der Bibliothek, wahrend Noelle in der Kuche arbeitete.
Spat am Nachmittag kam sie in die Bibliothek und setzte sich zu seinen Fu?en nieder. Mit ihrem untruglichen Sinn fur seine Gedanken sagte sie: »Denk nicht langer an sie.«
»Das waren doch nur ein paar idiotische Dorfler«, knurrte Larry. »Ich hasse es, mich wie ein Verbrecher zu verkriechen.« Er sah sie an, und sein Ton anderte sich. »Ich will mich nicht vor jedem verstecken mussen. Ich liebe dich.«
Noelle wusste, dass es diesmal die Wahrheit war. Sie dachte an die Jahre, in denen sie geplant hatte, Larry zu vernichten, und an die wilde Freude, mit der sie sich seine Vernichtung vorgestellt hatte. Und dennoch: In dem Augenblick, als Noelle Larry wieder gesehen hatte, wusste sie sofort, dass noch etwas Tieferes als Hass in ihr lebte. Als sie ihn bis an den Rand des Todes getrieben hatte, ihn auf diesem schrecklichen Flug nach Amsterdam gezwungen hatte, ihrer beider Leben zu riskieren, war es gewesen, als ob sie in einer wilden Herausforderung des Schicksals seine Liebe zu ihr auf die Probe stellte. Sie war vorn bei Larry im Cockpit gewesen, hatte mit ihm das Flugzeug gesteuert, mit ihm gelitten, gewusst, dass sie zusammen sterben wurden, wenn er starb, und er hatte sie beide gerettet. Und als er in Amsterdam zu ihr ins Zimmer kam und sie liebte, waren ihr Hass und ihre Liebe mit ihren beiden Korpern ineinander verschmolzen, und irgendwie hatte sich die Zeit ausgedehnt und war zusammengeschrumpft, und sie waren wieder in ihrem kleinen Hotelzimmer in Paris, und Larry sagte zu ihr: »Warum heiraten wir eigentlich nicht? Lassen wir uns von irgendeinem Maire auf dem Land trauen«, und Gegenwart und Vergangenheit waren berauschend eins geworden, und da erkannte Noelle, dass sie zeitlos waren, immer zeitlos gewesen waren, dass in Wirklichkeit sich nichts geandert hatte und dass die Tiefe ihres Hasses auf Larry der Hohe ihrer Liebe zu ihm entsprang. Wenn sie ihn vernichtete, wurde sie sich selbst vernichten, denn sie selbst hatte sich ihm vor langer Zeit schon vollstandig hingegeben, und nichts konnte das jemals andern.
Noelle schien es, dass alles, was sie in ihrem Leben erreicht hatte, durch Hass errungen worden war. Der Betrug ihres Vaters hatte sie geformt und gebildet, zah gemacht und gehartet, mit Rachsucht erfullt, die durch nichts Geringeres als ein eigenes Konigreich, in dem sie allmachtig war, in dem sie nie wieder betrogen werden, nie wieder verletzt werden konnte, zu befriedigen war. Das hatte sie schlie?lich erreicht. Und jetzt war sie bereit, alles fur diesen Mann aufzugeben. Weil sie jetzt wusste, dass sie sich nie etwas anderes gewunscht hatte, als dass Larry sie brauchte, sie liebte. Und endlich brauchte und liebte er sie. Und das war schlie?lich ihr wahres Konigreich.