Helena offnete den Mund, und Larry sah, dass ihr drei der oberen Vorderzahne ausgeschlagen worden waren. »Z-zwei Manner«, stammelte sie. »Sie kamen gleich, nachdem du fort warst.«
»Hast du nicht die Polizei gerufen?« fragte Larry fassungslos.
»Sie – sie haben gesagt, sie wurden mich umbringen, wenn ich sie verriete. Sie meinten es ernst, Larry.« Sie war unter einem schweren Schock und stutzte sich an der Tur.
»Haben sie dich beraubt?«
»N-nein. Sie dr-drangen hier ein und vergewaltigten mich und dann – dann schlugen sie mich zusammen.«
»Zieh dir etwas an«, befahl er. »Ich bringe dich ins Krankenhaus.«
»Ich kann – ich kann doch nicht auf die Stra?e mit meinem Gesicht«, stammelte sie.
Selbstverstandlich hatte sie recht. Larry telefonierte mit einem befreundeten Arzt und bat ihn herzukommen.
»Es tut mir leid, aber ich kann nicht bleiben«, erklarte er Helena. »Ich muss mit Demiris in einer halben Stunde abfliegen. Ich komme zu dir, sobald ich wieder zuruck bin.«
Aber er sah sie nie wieder. Als Larry zwei Tage spater zuruckkam, stand die Wohnung leer, und die Wirtin sagte ihm, die junge Dame sei ausgezogen, ohne eine neue Adresse zu hinterlassen. Selbst dann argwohnte Larry die Wahrheit noch nicht. Erst einige Nachte spater, als er bei Noelle war und sie liebte, erhielt er einen Hinweis darauf, was geschehen war.
»Du bist so gottverdammt phantastisch«, sagte er. »Ich habe noch nie jemanden wie dich kennen gelernt.«
»Gebe ich dir alles, was du dir wunschst?« fragte sie.
»Ja«, stohnte er. »Oh, mein Gott, ja.«
Noelle hielt in ihrem Tun inne. »Dann schlafe niemals mit einer anderen Frau«, sagte sie leise. »Das nachste Mal bringe ich sie um.«
Larry erinnerte sich ihrer Worte: Du gehorst mir. Plotzlich nahmen sie eine neue, drohende Bedeutung an. Zum ersten Mal hatte er eine Vorahnung, dass dies keine gelegentliche nachtliche Affare sei, die er jederzeit abbrechen konne, wenn ihm danach zumute war. Er spurte das kalte, todliche, ungreifbare Zentrum in Noelle Page, und ein Schauer von Furcht uberlief ihn. Wahrend dieser Nacht setzte er ein halbes Dutzend Mal dazu an, das Gesprach auf Helena zu bringen, doch jedes Mal hielt er sich zuruck aus Furcht vor dem Wissen, aus Furcht, es in Worte zu kleiden, ganz als ob Worte mehr Gewalt hatten als die Tat selbst. Wenn Noelle dazu fahig war ...
Beim Fruhstuck am nachsten Morgen beobachtete er Noelle insgeheim, suchte nach Anzeichen von Grausamkeit, Sadismus, doch alles, was er sah, war eine liebende, schone Frau, die ihm amusante Anekdoten erzahlte, jeden seiner Wunsche erriet und erfullte. Ich muss mich in ihr tauschen, dachte er. Doch danach wich er vorsichtig allen Verabredungen mit Madchen aus, und nach wenigen Wochen hatte er jedes Verlangen danach verloren, weil er von Noelle vollkommen besessen war.
Von Anfang an wies Noelle Larry darauf hin, dass sie ihre Affare vor Constantin Demiris unbedingt geheim halten mussten.
»Nie darf der geringste Schatten eines Verdachts auf uns fallen«, scharfte Noelle ihm ein.
»Warum soll ich mir nicht ein Apartment mieten?« schlug Larry vor. »Einen Ort, an dem wir ...«
Noelle schuttelte den Kopf. »Nicht in Athen. Irgend jemand wurde mich erkennen. Lass mich daruber nachdenken.«
Zwei Tage spater schickte Demiris nach Larry. Zunachst war Larry beunruhigt, fragte sich, ob der griechische Magnat etwas uber Noelle und ihn in Erfahrung gebracht hatte, aber Demiris begru?te ihn freundlich und begann mit ihm ein Gesprach uber ein neues Flugzeug, dessen Kauf er erwog.
»Es ist ein umgebauter Mitchell-Bomber«, erlauterte Demi-ris. »Ich mochte, dass Sie ihn sich ansehen.«
Larrys Gesicht leuchtete auf. »Das ist ein gro?artiges Flugzeug«, sagte er. »Durch sein Gewicht und seine Gro?e ist es das komfortabelste Flugzeug, das Sie bekommen konnen.«
»Wie viel Passagiere kann es befordern?«
Larry dachte einen Augenblick nach. »Mit allem Luxus neun. Dazu der Pilot, ein Navigator und ein Bordmechaniker. Die Maschine macht vierhundertachtzig Meilen in der Stunde.«
»Das klingt recht interessant. Wollen Sie sie fur mich uberprufen und mir dann berichten?«
»Ich kann es kaum erwarten.« Larry grinste vergnugt.
Demiris erhob sich. »Ubrigens, Douglas. Miss Page will morgen fruh nach Berlin. Ich wunsche, dass Sie sie hinfliegen.«
»Jawohl, Sir«, antwortete Larry und fugte dann arglos hinzu: »Hat Miss Page Ihnen berichtet, dass wir etwas besser miteinander auskommen?«
Demiris blickte auf. »Nein«, antwortete er uberrascht. »Tatsache ist, dass sie sich erst heute morgen bei mir uber Ihre Uberheblichkeit beschwerte.«
Larry starrte ihn erschrocken an, doch dann begriff er und versuchte schnell, seinen Fehler zu kaschieren. »Ich gebe mir Muhe, Mr. Demiris«, sagte er ernst. »Ich werde mir noch mehr Muhe geben.«
Demiris nickte. »Tun Sie das. Sie sind der beste Pilot, den ich je hatte, und es ware zu bedauerlich, wenn ...« Er verstummte, aber das, was er sagen wollte, war eindeutig.
Auf der Fahrt nach Hause machte Larry sich die gro?ten Vorwurfe. Er sollte lieber daran denken, dass er jetzt in der hochsten Liga spielte. Noelle war klug genug gewesen zu erkennen, dass jede plotzliche Anderung in ihrer Einstellung gegenuber Larry Demiris misstrauisch machen wurde. Das bisherige Verhaltnis zwischen ihnen beiden war eine perfekte Tarnung fur das, was sie taten. Demiris versuchte, sie einander naher zu bringen. Der Gedanke lie? Larry laut auflachen. Es war ein gutes Gefuhl zu wissen, dass er etwas besa?, wovon einer der machtigsten Manner der Welt glaubte, dass es ihm gehore.
Auf dem Flug nach Berlin ubergab Larry das Steuer an Paul Metaxas und sagte ihm, er gehe in die Kabine, um mit Noelle Page zu sprechen.
»Hast du keine Angst, dass dir der Kopf abgerissen wird?« fragte Metaxas.
Larry zogerte. Er fuhlte sich versucht zu prahlen, unterdruckte diesen Impuls aber. »Sie ist ein Erzluder«, sagte er schulterzuckend. »Aber wenn ich keinen Weg finde, um sie zuganglicher zu machen, konnte ich leicht einmal auf dem Hintern landen.«
»Viel Gluck«, wunschte Metaxas nuchtern.
»Danke.«
Larry schloss sorgfaltig die Tur zum Cockpit hinter sich und ging in den Salon, wo Noelle sa?. Die beiden Stewardessen befanden sich im hinteren Teil der Maschine. Larry wollte sich Noelle gegenuber setzen.
»Sei vorsichtig«, warnte sie leise. »Jeder, der bei Constantin arbeitet, liefert ihm Berichte.«
Larry blickte zu den Stewardessen hinuber und dachte an Helena.
»Ich habe etwas fur uns gefunden«, sagte Noelle. Ihr Ton war freudig erregt.
»Ein Apartment?«
»Ein Haus. Wei?t du, wo Rafina liegt?«
Larry schuttelte den Kopf. »Nein.«
»Es ist ein kleines Dorf am Meer, hundert Kilometer nordlich von Athen. Wir haben eine abgelegene Villa dort.«
Er nickte. »In wessen Namen hast du sie gemietet?«
»Ich habe sie gekauft«, antwortete Noelle. »Unter einem anderen Namen.«
Larry fragte sich, wie man sich vorkommen musste, wenn man in der Lage war, eine Villa zu kaufen, nur um gelegentlich mit jemandem ins Heu zu hopsen. »Gro?artig«, sagte er. »Ich kann es kaum erwarten, sie zu sehen.«
Sie musterte ihn einen Augenblick. »Wirst du Schwierigkeiten haben, von Catherine fort zu kommen?«
Larry sah Noelle uberrascht an. Zum ersten Mal erwahnte sie seine Frau. Er hatte gewiss kein Geheimnis aus seiner Ehe gemacht, aber es war merkwurdig, Noelle Catherines Namen aussprechen zu horen. Offensichtlich hatte sie Nachforschungen angestellt, und wie er sie allmahlich kannte, waren es wahrscheinlich grundliche Nachforschungen. Sie wartete auf seine Antwort. »Nein«, sagte er. »Ich komme und gehe, wie es mir passt.«
Noelle nickte befriedigt. »Gut. Constantin geht in Geschaften auf eine Kreuzfahrt nach Dubrovnik. Ich habe