Mit klopfendem Herzen sa? Catherine da. Ihre Hande zitterten, sie schlang sie fest ineinander, um das Zittern zu unterdrucken. Ihr Blick fiel auf den Kellner, und sie wollte sich etwas zu trinken bestellen, aber sie hielt sich zuruck. Sie wollte sich nicht durch eine verruckte alte Frau ihre strahlende Zukunft zerstoren lassen. Tief atmend sa? sie da, bis sie ihre Selbstbeherrschung wieder gewonnen hatte, und nach langer Zeit erhob sie sich, griff nach ihrer Tasche und ihren Handschuhen und verlie? die Taverne.
In dem strahlend hellen Sonnenlicht fuhlte Catherine sich gleich wohler. Es war albern gewesen, sich von einer alten Frau Angst einjagen zu lassen. Eine Hexe wie sie sollte eingesperrt werden, statt dass man ihr erlaubte, anderen Leuten Schrecken einzujagen. Von jetzt an, gelobte Catherine sich, wurde sie sich nur noch an Weissagungen in Knallbonbons halten.
Als sie in ihre Wohnung zuruckkam, sah sie sich im Wohnzimmer um, und es war, als ob sie es zum ersten Mal erblickte. Es bot einen bedruckenden Anblick. Uberall dicker Staub, und Kleidungsstucke lagen im Zimmer verstreut. Catherine fand es unglaublich, dass sie die Unordnung in ihrem trunkenen Zustand nicht wahrgenommen haben sollte. Nun, als erstes wurde sie die Wohnung tadellos in Ordnung bringen. Sie wendete sich der Kuche zu, als sie horte, wie im Schlafzimmer eine Schublade zugeschoben wurde. Ihr Herz klopfte plotzlich erschrocken, und sie naherte sich vorsichtig der Schlafzimmertur.
Larry war im Schlafzimmer. Ein geschlossener Koffer lag auf seinem Bett, und mit dem Packen eines zweiten war er gerade fertig geworden. Catherine blieb stehen und sah ihm einen Augenblick lang zu. »Falls das fur das Rote Kreuz sein sollte«, sagte sie, »ich habe schon eine Spende gegeben.«
Larry blickte auf. »Ich gehe.«
»Wieder ein Flug fur Demiris?«
»Nein«, antwortete er, ohne seine Tatigkeit zu unterbrechen. »Diesmal fur mich. Ich gehe fort.«
»Larry ...«
»Daruber gibt es keine Diskussion mehr.«
Sie trat in das Schlafzimmer, kampfte um ihre Selbstbeherrschung. »Doch, doch. Wir haben eine Menge zu bereden. Ich war heute beim Arzt, und er versprach mir, ich wurde vollig geheilt werden.« Ihre Worte ubersturzten sich. »Ich werde das Trinken aufgeben und ...«
»Cathy, es ist vorbei. Ich will die Scheidung.«
Diese Worte trafen sie wie eine Serie von Schlagen in die Magengrube. Sie presste fest den Mund zusammen, damit sie sich nicht ubergeben musste, versuchte, die Galle hinunterzu-wurgen, die ihr in die Kehle stieg. »Larry«, begann sie. Sie sprach langsam, damit ihre Stimme nicht zitterte. »Ich mache dir keine Vorwurfe. Ein gro?er Teil ist meine Schuld – vielleicht der gro?te -, aber es wird anders werden. Ich werde mich andern – ich meine es aufrichtig.« Sie streckte flehend die Hand aus. »Ich bitte dich, gib mir eine Chance.«
Larry drehte sich um. Seine dunklen Augen waren kalt und voller Verachtung. »Ich liebe eine andere. Alles, was ich von dir erwarte, ist die Scheidung.«
Catherine stand einen Augenblick reglos vor ihm, drehte sich dann um und ging ins Wohnzimmer zuruck. Sie setzte sich auf die Couch und starrte auf eine griechische Modezeitschrift, wahrend er fertig packte. Sie horte Larrys Stimme sagen: »Mein Anwalt wird sich mit dir in Verbindung setzen« und danach das Zuschlagen der Wohnungstur. Catherine sa? auf der Couch und blatterte Seite fur Seite der Zeitschrift um. Als sie damit fertig war, legte sie sie ordentlich in die Mitte des Tisches. Dann stand sie auf, ging ins Badezimmer und offnete das Apothekenschrankchen. Sie nahm eine Rasierklinge heraus und schnitt sich die Pulsadern auf.
Noelle und Catherine
Athen 1946
Gespenster in Wei? umgaben sie, und sie schwebten umher und trieben dann ins Nichts davon, mit leisem Flustern in einer Sprache, die Catherine nicht verstand; aber sie verstand, dass es die Holle war und dass sie fur ihre Sunden bu?en musste. Man hatte sie auf das Bett geschnallt, und sie vermutete, das sei ein Teil ihrer Strafe, und sie war froh uber die Riemen, denn sie spurte, wie die Erde im Raum rotierte, und furchtete, von dem Planeten abzusturzen. Das Teuflischste, was man ihr angetan hatte, war, dass man ihre Nerven an die Au?enseite ihres Korpers gezerrt hatte, so dass sie alles tausendfach spurte, und es war unertraglich. Ihr Korper war voll von schrecklichen und ihr unbekannten Gerauschen. Sie konnte horen, wie ihr Blut durch die Adern rann, und es war wie ein rauschender roter Fluss, der sie durchstromte. Sie horte das Pochen ihres Herzens, und es klang wie eine ungeheure Trommel, die von einem Riesen geschlagen wurde. Sie hatte keine Augenlider, und das wei?e Licht drang ihr ins Gehirn und blendete sie mit seiner Helligkeit. Alle Muskeln ihres Korpers lebten, waren in standiger ruheloser Bewegung, wie ein Nest von Schlangen unter ihrer Haut, die bereit waren zuzusto?en.
Funf Tage nachdem Catherine in das Evangelismos Hospital eingeliefert worden war, schlug sie die Augen auf und fand sich in einem kleinen wei?en Krankenzimmer wieder. Eine Schwester in einem gestarkten wei?en Kittel zog ihr die Bettdecke zurecht, und Dr. Nikodes druckte ihr ein Stethoskop auf die Brust.
»He, das ist kalt«, protestierte sie schwach.
Er sah sie an und sagte: »Sieh da, wer ist denn hier wach?«
Catherine lie? ihre Blicke langsam durch den Raum wandern. Das Licht schien normal zu sein, und sie konnte nicht langer das Rauschen ihres Blutes oder das Drohnen ihres Herzens oder das Sterben ihres Korpers wahrnehmen.
»Ich dachte, ich ware in der Holle.« Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flustern.
»Waren Sie auch.«
Sie blickte auf ihre Handgelenke. Aus irgendeinem Grund waren sie verbunden. »Wie lange bin ich schon hier?«
»Funf Tage.«
Plotzlich erinnerte sie sich an den Grund fur die Verbande. »Wahrscheinlich habe ich etwas sehr Dummes getan«, sagte sie.
»Ja.«
Sie presste die Augen zu und sagte: »Es tut mir leid.« Dann offnete sie die Augen wieder, und es war Abend, und Bill Fraser sa? auf dem Stuhl neben ihrem Bett und betrachtete sie. Auf dem Nachttisch standen Blumen und lagen Su?igkeiten.
»Hallo«, sagte er vergnugt. »Du siehst schon viel besser aus.«
»Besser als was?« fragte sie mit schwacher Stimme.
Er legte seine Hand auf die ihre. »Du hast mir einen Mordsschrecken eingejagt, Catherine.«
»Es tut mir schrecklich leid, Bill.« Ihre Stimme versagte, und sie furchtete, sie wurde weinen mussen.
»Ich habe dir ein paar Blumen und Su?igkeiten mitgebracht. Wenn du dich kraftiger fuhlst, bringe ich dir auch Bucher.«
Sie blickte ihn an, sah in sein freundliches, markantes Gesicht und dachte: Warum liebe ich ihn nicht? Warum liebe ich den Mann, den ich hasse? Warum musste Gott sich mir als Groucho Marx offenbaren? »Wie bin ich hier hergekommen?« fragte Catherine.
»In einem Krankenwagen.«
»Ich meine – wer hat mich gefunden?«
Fraser antwortete nicht gleich. »Ich«, sagte er dann. »Ich habe dich mehrmals angerufen, und als du dich nicht meldetest, wurde ich unruhig und drang in die Wohnung ein.«
»Wahrscheinlich sollte ich dir dafur dankbar sein«, sagte sie, »aber, ehrlich gesagt, bin ich noch nicht so sicher.«
»Willst du daruber sprechen?«
Catherine schuttelte den Kopf, und durch die Bewegung begann ihr Kopf zu pochen. »Nein«, sagte sie leise.
Fraser nickte. »Ich muss morgen fruh nach Hause fliegen. Ich bleibe aber mit dir in Verbindung.«
Sie spurte einen sanften Kuss auf der Stirn und schloss die Augen, um die Welt auszuschlie?en, und als sie ihre Augen wieder offnete, war sie allein, und es war mitten in der Nacht.
Am nachsten Morgen besuchte Larry sie. Catherine sah ihm entgegen, als er ins Zimmer trat und sich auf den Stuhl neben ihrem Bett setzte. Sie hatte erwartet, dass er abgespannt und unglucklich aussehen wurde, aber