ihn wissen wollen, konnen Sie ihn auf der Vorderseite jeder Zeitung lesen.«
Unter den Zuschauern wurde anerkennend gelacht.
Auguste Lanchon drehte sich auf seinem Platz um und funkelte die Zuschauer an, seine kleinen Schweinsaugen gluhten vor Zorn. Wie konnten sie es wagen, uber seine Noelle zu lachen! Demiris bedeutete ihr nichts. Dem Mann, dem sie ihre Unschuld hingab, bleibt eine Frau immer zugetan. Dem fetten kleinen Kramer aus Marseille war es noch nicht moglich gewesen, mit Noelle Verbindung aufzunehmen, aber er hatte vierhundert kostbare Drachmen fur eine Eintrittskarte zum Gerichtssaal bezahlt und war in der Lage, seine geliebte Noelle jeden Tag zu beobachten. Wenn sie freigesprochen wurde, wurde Lanchon vortreten und ihr Leben in seine Hande nehmen. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf den Anwalt.
»Von der Anklagevertretung wurde gesagt, dass die beiden Angeklagten die Frau von Mr. Douglas ermordet haben, damit sie einander heiraten konnten. Sehen Sie die beiden an.«
Chotas drehte sich um, um Noelle Page und Larry Douglas anzusehen, und alle Augen im Gerichtssaal taten das gleiche.
»Lieben diese beiden Menschen sich? Das ist moglich. Aber macht sie das schon zu Verschworern und Intriganten und Mordern? Nein. Wenn es in diesem Prozess Opfer gibt, dann sehen Sie sie hier vor sich. Ich habe alle Beweise gegen sie sorgfaltig gepruft und habe mich davon uberzeugt, wie ich Sie uberzeugen werde, dass diese beiden Menschen unschuldig sind. Ich darf den Geschworenen gegenuber betonen, dass ich nicht Lawrence Douglas vertrete. Er hat seinen eigenen Anwalt, und das ist ein sehr fahiger Mann. Aber von der Anklage ist unterstellt worden, dass die beiden Menschen, die hier sitzen, Konspiratoren sind, dass sie zusammen einen Mord geplant und begangen haben. Wenn also einer von ihnen schuldig ist, dann sind beide schuldig. Ich sage Ihnen jetzt, dass sie beide unschuldig sind. Nur das Corpus delicti konnte mich veranlassen, meine Meinung zu andern. Und es gibt keines.«
Chotas Stimme wurde zorniger. »Es ist eine Fiktion. Meine Klientin hat nicht mehr Ahnung als Sie, ob Catherine Douglas tot ist oder lebt. Woher sollte sie es wissen? Sie ist ihr nie begegnet, geschweige denn, dass sie ihr je etwas angetan hat. Stellen Sie sich die Ungeheuerlichkeit vor, angeklagt zu werden, jemanden ermordet zu haben, den man nie zu Gesicht bekommen hat. Es gibt viele Theorien daruber, was Catherine Douglas zugesto?en sein konnte. Dass sie ermordet wurde, ist eine davon. Aber nur eine. Die wahrscheinlichste Theorie ist die: Sie entdeckte, dass ihr Mann und Mademoiselle Page sich liebten, und aus einem Gefuhl des Gekranktseins – nicht der Angst, meine Herren, des Gekranktseins – ging sie fort. So einfach liegt der Fall, und dafur richtet man nicht eine unschuldige Frau und einen unschuldigen Mann hin.«
Frederick Stavros, Larry Douglas' Verteidiger, stie? einen verstohlenen Seufzer der Erleichterung aus. Sein standiger Alptraum war, dass Noelle Page freigesprochen, wahrend sein Klient verurteilt werden wurde. Wenn das geschahe, wurde er zum Gelachter aller Juristen werden. Stavros hatte nach einer Moglichkeit gesucht, sich an den Stern von Napoleon Chotas anzuhangen, und nun hatte Chotas ihm das Problem abgenommen. Durch seine Verkettung der beiden Klienten war die Verteidigung von Noelle zur Verteidigung seines Klienten geworden. Der Gewinn dieses Prozesses wurde Frederick Stavros' ganze Zukunft andern, ihm alles geben, was er sich je gewunscht hatte. Ein Gefuhl warmer Dankbarkeit fur den alten Meister erfullte ihn.
Stavros beobachtete befriedigt, dass die Geschworenen an jedem Wort von Chotas hingen.
»Dies war keine Frau, die sich fur materielle Dinge interessierte«, sagte Chotas in bewunderndem Ton. »Sie war ohne Zogern bereit, fur den Mann, den sie liebte, alles aufzugeben.
Zweifellos, meine guten Freunde, entspricht das nicht dem Charakter einer hinterhaltigen, intriganten Morderin.«
Wahrend Chotas weiter sprach, schlugen die Empfindungen der Geschworenen wie eine sichtbare Welle um, wandten sich mit wachsendem Einfuhlungsvermogen und Verstandnis Noelle Page zu. Langsam und geschickt zeichnete der Verteidiger das Bild einer schonen Frau, die die Geliebte eines der machtigsten und reichsten Manner der Welt war, die mit jedem Luxus und jedem Vorrecht uberschwemmt wurde, die aber am Ende der Liebe zu einem jungen vermogenslosen Piloten folgte, den sie erst seit kurzer Zeit kannte.
Chotas spielte auf den Gefuhlen der Geschworenen wie ein Virtuose auf seinem Instrument, brachte sie zum Lachen, trieb ihnen die Tranen in die Augen und hielt standig ihre Aufmerksamkeit gefesselt. Als er seine Eroffnungsrede beendet hatte, schlurfte er zu dem langen Tisch zuruck und setzte sich unbeholfen, und die Zuschauer mussten sich sehr zusammennehmen, um nicht zu applaudieren.
Larry Douglas sa? auf seinem Platz und horte zu, wie Chotas ihn verteidigte, und Larry wurde wutend. Er brauchte niemanden zu seiner Verteidigung. Er hatte nichts Unrechtes getan, dieser ganze Prozess war nichts weiter als eine irrsinnige Dummheit, und wenn jemand schuld daran hatte, dann war es Noelle. Das Ganze war ihre Idee gewesen. Larry sah sie an, sie war schon und gelassen. Aber er verspurte keine begehrliche Regung, nur die Erinnerung an eine Leidenschaft, einen fluchtigen emotionellen Schatten, und er fragte sich verwundert, warum er sein Leben fur diese Frau in Gefahr gebracht hatte. Larrys Blick wanderte zu den Pressebanken. Eine attraktive Reporterin, etwa Mitte Zwanzig, sah zu ihm heruber. Er warf ihr ein leises Lacheln zu und sah, wie ihr Gesicht sich aufhellte.
Peter Demonides vernahm einen Zeugen.
»Wurden Sie dem Gericht bitte Ihren Namen sagen?«
»Alexis Minos.«
»Was sind Sie von Beruf?«
»Ich bin Rechtsanwalt.«
»Wurden Sie bitte die beiden Angeklagten auf der Anklagebank ansehen, Herr Minos, und dem Gericht sagen, ob Sie einen der beiden schon einmal gesehen haben.«
»Ja, einen.«
»Welchen?«
»Den Mann.«
»Mr. Lawrence Douglas?«
»Jawohl.«
»Wurden Sie uns bitte sagen, unter welchen Umstanden Sie Mr. Douglas sahen?«
»Er kam vor sechs Monaten zu mir in meine Kanzlei.«
»Kam er, um sich von Ihnen in Ihrer beruflichen Eigenschaft beraten zu lassen?«
»Ja.«
»Mit anderen Worten, er wunschte juristische Hilfe von Ihnen?«
»Ja.«
»Und wurden Sie uns bitte sagen, was Sie fur ihn tun sollten?«
»Er bat mich, ihm zur Scheidung zu verhelfen.«
»Und hat er Ihnen zu diesem Zweck ein Mandat erteilt?«
»Nein. Als er mir die naheren Umstande auseinandersetzte, erklarte ich ihm, es sei fur ihn unmoglich, in Griechenland geschieden zu werden.«
»Und worin bestanden diese Umstande?«
»Vor allem, sagte er, durfe es nicht bekannt werden, und zweitens sagte er, dass seine Frau sich weigere, in eine Scheidung einzuwilligen.«
»Mit anderen Worten, er hatte seine Frau um die Scheidung gebeten, und sie hatte sich geweigert.«
»Das hat er mir gesagt.«
»Und dann erklarten Sie ihm, dass Sie ihm nicht helfen konnten? Dass es, falls seine Frau mit der Scheidung nicht einverstanden sei, fur ihn schwierig oder unmoglich ware, die Scheidung durchzusetzen, und dass es sehr wohl an die Offentlichkeit dringen konnte?«
»Das ist richtig.«
»Folglich konnte der Angeklagte, von einem Verzweiflungsschritt abgesehen, nichts unternehmen, um ...«
»Einspruch!«
»Stattgegeben.«
»Ihr Zeuge.«
Napoleon Chotas erhob sich mit einem Seufzer von seinem Platz und ging langsam zu dem Zeugen hinuber. Peter Demo-nides war nicht beunruhigt. Minos war Rechtsanwalt und zu erfahren, um sich durch Chotas forensische Tricks tauschen zu lassen.