«Na, hat Ihnen der Karneval Spa? gemacht?«fragte der Fahrer.
Tracy schluckte.»Ich… ja. «Sie holte einen kleinen Spiegel aus ihrer Handtasche und richtete sich notdurftig her. Was fur eine Dummheit von ihr, Romano zu einem Gestandnis zwingen zu wollen. Alles war verkehrt gelaufen. Wie sage ich's Charles? Sie wu?te, er wurde schockiert sein. Aber wenn sie ihm alles erklart hatte, wurde er sie verstehen. Und wissen,
was zu tun war.
Als Tracy das Empfangsgebaude des New Orleans International Airportbetrat, schien ihr, da? alle Leute sie vorwurfsvoll anstarrten. Das macht mein schlechtes Gewissen, dachte sie. Wenn sie nur in Erfahrung hattebringen konnen, wie es Joe Romano ging! Aber sie hatte keine Ahnung, in welches Krankenhaus er eingeliefert worden war und an wen sie sich wenden konnte. Er wird es uberleben. Charles und ich werden zu MuttersBeerdigung nach New Orleans zuruckfliegen, und Joe Romano wird wieder gesund. Sie versuchte, dasBild des Mannes auf demBoden aus ihren Gedanken zu verbannen, dessenBlut den wei?en Teppich rot farbte. Sie mu?te nach Hause, sie mu?te zu Charles.
Tracy ging zum Schalter der Delta Airlines.»Ein Ticket fur den nachsten Flug nach Philadelphia, bitte. Touristenklasse.«
Der Mann hinter dem Schalter zog seinen Computer zu Rat.»Flugnummer 304… Sie haben Gluck. Da ist noch ein Platz frei.«
«Wann startet die Maschine?«
«In zwanzig Minuten. Das schaffen Sie noch.«
Tracy langte in ihre Handtasche und fuhlte eher, als da? sie es sah, wie zwei Polizisten neben sie traten. Der eine fragte:»Sind Sie Tracy Whitney?«
Ihr Herz horte einen Moment auf zu schlagen. Es ware albern zu leugnen, da? ich Tracy Whitneybin.»Ja…«
«Sie sind verhaftet.«
Und Tracy spurte, wie sich der kalte Stahl von Handschellen um ihre Gelenke schlo?.
Alles geschah in Zeitlupe. Alles geschah einer anderen Person. Tracybeobachtete, wie sie aus dem Empfangsgebaude gefuhrt wurde. Passanten drehten sich um und gafften. Sie wurde in den Fond eines Streifenwagens gesto?en. Stahldraht trennte Vorder- und Rucksitz. Der
Streifenwagen fuhr los. Blaulicht an, mit jaulenden Sirenen. Tracy machte sich klein, versuchte unsichtbar zu werden. Sie war eine Morderin. Joe Romano war gestorben. Aber es war ein Versehen gewesen. Sie wurde erklaren, wie es passiert war. Sie mu?ten ihr glauben. Sie mu?ten.
Das Polizeirevier, auf das Tracy gebracht wurde, befand sich im Stadtteil Algiers, am Westufer des Mississippi. Es war ein dusterer, ja drohenderBau, der Hoffnungslosigkeit ausstrahlte. Die Wachstube war voll von schabig aussehenden Typen: Prostituierte, Zuhalter, Diebe und ihre Opfer. Tracy wurde zum Schreibtisch des diensthabenden Sergeants gefuhrt.
«Das ist die Whitney, Sergeant«, sagte einer der Polizisten, die sie verhaftet hatten.»Wir haben sie auf dem Flughafen erwischt. Sie wollte gerade abhauen.«
«Ich wollte nicht…«
«Nehmen Sie ihr die Handschellen ab.«
Die Fesseln verschwanden, und Tracy sagte:»Es war ein Versehen. Ich wollte ihn nicht toten. Er hat versucht, mich zu vergewaltigen, und…«Sie wurde der Hysterie in ihrer Stimme nicht Herr.
Der Sergeant fragtebarsch:»Sind Sie Tracy Whitney?«
«Ja. Ich…«
«Abfuhren.«
«Nein! Einen Moment noch«, bat Tracy.»Ich mu? jemand anrufen. Ich… ich habe das Recht, ein Telefongesprach zu fuhren.«
Der Sergeantbrummte:»Sie kennen sich aus, oder? Wie oft waren Sie denn schon im Knast, Schatzchen?«
«Noch nie. Das ist…«
«Okay, Sie konnen ein Telefongesprach fuhren. Drei Minuten. Welche Nummer?«
Tracy war so nervos, da? ihr Charles' Telefonnummer nicht einfiel. Sie konnte sich nicht einmal an die Vorwahl von Philadelphia erinnern. Zwei?funf?eins? Nein.
Sie zitterte.
«Na, nun machen Sie schon. Ich habnicht die ganze Nacht lang Zeit.«
Zwei?eins?funf… Ja!» Zwei?eins?funf?funf?funf?funf?neun?drei?null?eins.«
Der Sergeant wahlte die Nummer und gabTracy den Horer. Es klingelte einmal, zweimal, endlos. Niemand hobab. Aber Charles mu? doch zu Hause sein!
«Ihre Zeit ist um«, sagte der Sergeant, streckte die Hand aus und wollte Tracy den Horer abnehmen.
«Bitte, warten Sie!«rief Tracy verzweifelt. Und nun fiel ihr plotzlich wieder ein, da? Charles sein Telefon nachts abstellte, um nicht gestort zu werden. Sie horte es unablassig klingeln und erkannte mit entsetzlicher Klarheit, da? sie ihn nicht erreichen konnte.
Der Sergeant fragte:»Sind Sie fertig?«
Tracyblickte ihn an und sagte dumpf:»Ja, ichbin fertig.«
Ein hemdsarmeliger Polizist fuhrte sie in einen Raum, wo ihre Personalien aufgeschrieben und Fingerabdrucke gemacht wurden. Dann wurde sie einen Flur entlanggefuhrt und in eine Einzelzelle gesperrt.
«Das Hearing ist morgen fruh«, brummte der Polizist. Dann ging er. Tracy war allein.
Das ist nicht wahr, dachte sie. Das ist nur ein furchtbarer Traum. O Gott, la? esbitte nicht Wirklichkeit sein.
Aber die stinkende Pritsche war Wirklichkeit und die Toilette ohneBrille war Wirklichkeit, und die Gitterstabe auch.
Die Nachtstunden zogen sich endlos hin. Wenn ich Charles nur erreicht hatte. Siebrauchte ihn jetzt, wie sie noch nie jemanden gebraucht hatte. Ich hatte ihm alles anvertrauen sollen. Wenn ich ihm alles anvertraut hatte, ware das nicht passiert.
Um 6 Uhrbrachte ein gelangweilter Warter das Fruhstuck:
lauwarmen Kaffee und kalte Hafergrutze. Tracy kriegte nichts hinunter. Ihr Magen revoltierte. Um 9 Uhr wurde sie von einer Aufseherin geholt.
«Es geht los, Su?e. «Die Aufseherin schlo? die Zellentur auf.
«Ich mu? ein Telefongesprach fuhren«, sagte Tracy.»Es ist sehr…«
«Spater«, erwiderte die Aufseherin.»Sie wollen den Richter doch sicher nicht warten lassen. Der kann namlich ganz schon fies werden.«
Sie marschierte mit Tracy einen Flur entlang und dann durch eine Tur, die in einen Gerichtssaal fuhrte. Auf der Richterbank sa? ein ziemlich alter Mann, dessen Kopf und Hande unablassig zuckten. Vor ihm stand der Staatsanwalt, Ed Topper, ein Mittvierziger mit welligem, graumeliertem Haar und kalten schwarzen Augen.
Tracy wurde zu einem Stuhl gefuhrt, und dann rief der Gerichtsdiener» Im Namen des Volkes. «Tracy merkte plotzlich, da? sie auf die Richterbank zusteuerte. Der Richter uberflog einBlatt Papier, das vor ihm lag. Sein Kopf ging ruckartig auf und nieder.
Jetzt. Jetzt konnte Tracy endlich erklaren, was geschehen war. Sie pre?te ihre Hande aneinander, damit sie nicht zitterten.
«Euer Ehren, es war kein Mord. Ich habe auf ihn geschossen, ja, aber nur aus Versehen. Ich wollte ihn lediglich erschrecken. Er hat versucht, mich zu vergewaltigen, und ich…«
Der Staatsanwalt fiel ihr ins Wort.»Euer Ehren, wir wollen hier nicht unsere Zeit vergeuden. Diese Frau ist, bewaffnet mit einem Revolver vom Kaliber 32 mm, in Mr. Romanos Haus eingebrochen und hat einen Renoir im Wert von einer halben Million Dollar gestohlen. Als Mr. Romano sie auf frischer Tat ertappte, hat sie ihn kaltblutig niedergeschossen und die Flucht ergriffen.«
Tracy spurte, wie ihr dasBlut aus dem Gesicht wich.»Wovon… wovon reden Sie eigentlich?«
All das gabkeinen Sinn.
Der Staatsanwalt polterte:»Wir haben die Waffe sichergestellt, mit der Mr. Romano verwundet wurde. Tracy Whitneys Fingerabdruckebefinden sich darauf.«
Verwundet! Also lebte Joe Romano, und sie war keine Morderin.