sicher, da? Tracy ihren ersten Schritt getan hatte.

Der Warter rauschte herbei und rief:»Was ist hier los?!«

Der Zwischenfall hatte die Aufmerksamkeit der Touristen erregt, und sie umwogten die gesturzte Malerin und traten auf

die aufgeplatzten Tuben und verschmierten die Farben zu grotesken Mustern. Der Warter geriet in Panik und schrie:»Sergio! Komm her! Schnell!«

Tracybeobachtete, wie der Warter aus dem Raum nebenan seinem Kollegen zu Hilfe rannte. Cesar Porretta war mit dem Puerto allein.

Tracy stand inmitten des Tumults. Diebeiden Warter versuchten vergeblich, die Touristen von dem farbverschmiertenBoden wegzudrangen.

«Hol den Direktor!«rief Sergio.

Der andere Warter eilte davon, auf die Treppe zu. Heiliger Gott, dachte er, was fur eine Schweinerei!

Zwei Minuten spater erschien Miguel Machada am Katastrophenort. Er warf einen entsetztenBlick auf denBoden und schrie:»Ein paar Putzfrauen! Tempo! Sie sollen Terpentin mitbringen und Lappen und Wasser zum Aufwischen!«

Sein Assistent sauste los, um dem Wunsch des Direktors zu willfahren.

Machada wandte sich Sergio zu.»Und Sie gehen gefalligst wieder auf Ihren Posten«, raunzte er.

«Ja, Senor.«

Tracybeobachtete, wie sich der Warter mitbeiden Ellenbogen seinen Weg durch die Mengebahnte — zuruck in den Raum, in dem Cesar Porretta arbeitete.

Cooper hatte Tracy tatsachlich nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen. Er hatte auf ihren nachsten Schritt gewartet. Doch der war ausgeblieben. Sie hatte sich weder einem der Gemalde genahert noch Kontakt zu einem Komplizen aufgenommen. Sie hatte lediglich eine Staffelei mit Farbtuben umgesto?en, aber er war sicher, da? sie es mit Absicht getan hatte. Nur: zu welchem Zweck? Irgendwie hatte Cooper das Gefuhl, da? das Geplante — was immer es gewesen sein mochte — bereits geschehen war. Er schaute sich im Raum um. KeinBild fehlte.

Cooper hastete in den nachsten Raum. Dort war niemand au?er dem Warter und einem alteren, buckligen Mann, der dieBekleidete Maja kopierte. Auch hier fehlte keinBild. Aber irgend etwas stimmte trotzdem nicht. Cooper wu?te es.

Er eilte zu dembeunruhigten Direktor, mit dem er schon einmal gesprochen hatte, und platzte gleich mit seinem Anliegen heraus:»Ich habe Grund zu der Annahme, da? hier in den letzten Minuten einBild gestohlen worden ist.«

Miguel Machada starrte den Amerikaner mit den fanatischen Augen an.»Was reden Sie da? Wenn das der Fall ware, hatte einer der Warter schon langst den Alarmknopf gedruckt.«

«Ich glaube, da? irgendwie eine Falschung gegen ein Original ausgetauscht worden ist.«

Der Direktor lachelte milde.»Ihre Theorie in Ehren, Senor — sie hat nur einen kleinen Fehler. Diebreite Offentlichkeit wei? es zwar nicht, aber hinter jedemBild sind Sensoren verborgen. Wenn jemand versuchen wollte, eins von der Wand zu nehmen, was ja wohl notig ware, um ein anderes hinzuhangen, wurde auf der Stelle der Alarm ausgelost.«

Daniel Cooper gabsich immer noch nicht zufrieden.»Konnte der Alarm nicht lahmgelegt worden sein?«

«Nein. Wenn ihn jemandblockieren wurde, ginge ein anderer Alarm los. Senor, es ist ein Ding der Unmoglichkeit, einBild aus dem Prado zu stehlen. Unsere Sicherheitsma?nahmen sind hundertprozentig.«

Cooper stand da und zitterte vor Frustration. Alles, was der Direktor sagte, war uberzeugend. Es schien in der Tat ein Ding der Unmoglichkeit. Aber warum hatte Tracy Whitney dann mit Absicht diese Farbtuben uber denBoden verstreut?

Cooper lie? nicht locker.»Tun Sie mir einen Gefallen. Sagen Sie Ihren Leuten, sie sollen durchs ganze Museum gehen und sich vergewissern, da? wirklich nichts fehlt. Sie erreichen mich in meinem Hotel.«

Mehr konnte Cooper nicht machen.

Um 19 Uhr rief Miguel Machada den Amerikaner an.»Ich habe alles personlich uberpruft, Senor. Jedes Gemalde hangt an seinem Platz. Nichts fehlt.«

Das war's also. Es hatte sich scheinbar nur um einen dummen Zwischenfall gehandelt. Doch Daniel Cooper spurte mit der Witterung des Jagers, da? das verfolgte Wild entkommen war.

Jeff hatte Tracy zum Essen eingeladen. Sie soupierten im Speisesaal des Ritz.

«Sie sehen heute abendbesonders gut aus«, sagte Jeff.

«Danke. Ich fuhle mich auch so.«

«Fahren Sie nachste Woche mit mir nachBarcelona, Tracy? Es ist eine faszinierende Stadt. Sie wird Ihnen sicher…«

«Tut mir leid, Jeff. Das geht nicht. Ich reise demnachst aus Spanien ab.«

«Wirklich?«Seine Stimme klang etwasbekummert.»Wann?«

«In ein paar Tagen.«

«Ach, dabin ich aber schwer enttauscht.«

Du wirst noch schwerer enttauscht sein, wenn du erfahrst, da? ich den Puerto geklaut habe, dachte Tracy. Sie fragte sich, wie er dasBild hatte stehlen wollen. Das zahlte jetzt freilich nicht mehr. Ich habe den schlauen Jeff Stevens ausgetrickst. Und trotzdem empfand Tracy aus irgendeinem unerklarlichen Grund ein leisesBedauern.

Miguel Machada sa? in seinemBuro, starkte sich mit einer Tasse Kaffee undbegluckwunschte sich dazu, was fur ein Erfolg derBesuch des Gro?herzogs gewesen war. Bis auf den dummen Zwischenfall mit den verschmierten Farben war alles genau nach Plan gelaufen. Er war dankbar, da? der Gro?herzog und seineBegleitung hatten abgelenkt werden konnen, bis das Chaosbeseitigt war. Der Direktor lacheltebei dem Gedanken an den schwachsinnigen amerikanischen Detektiv, der ihm einzureden versucht hatte, jemand habe einBild aus dem Prado gestohlen. Nicht gestern, nicht heute, nicht morgen, dachte er selbstgefallig.

Seine Sekretarinbetrat dasBuro.»Entschuldigung, Senor. Da ist ein Herr, der Sie sprechen mochte. Er hat mich gebeten, Ihnen dies zu geben.«

Sie reichte dem Direktor ein Schreiben. ImBriefkopf war ein Genfer Museum genannt.

Sehr verehrter Kollege, dieses Schreiben soll Monsieur Henri Rendell, den ma?geblichen Kunstexperten unseres Hauses, bei Ihnen einfuhren. Monsieur Rendellbereist zur Zeit diebedeutenden Museen der Welt und mochte insbesondere Ihre unvergleichliche Sammlung sehen. Ich ware Ihnen zu gro?em Dank verpflichtet, wenn Sie ihm diese zeigen wollten.

Unterschrieben war derBrief vom Direktor des Genfer Museums.

Fruher oder spater kommen sie alle zu mir, dachte Machada stolz.

«Bitten Sie ihn herein«, sagte er zu seiner Sekretarin.

Henri Rendell war ein hochgewachsener, distinguiert aussehender Herr mit schutterem Haar. Als sie einander die Hand gaben, bemerkte Machada, da? seinemBesucher der rechte Zeigefinger fehlte.

Henri Rendell sagte:»Ich danke Ihnen. Ichbin zum ersten Mal in Madrid, und ich freue mich schon darauf, Ihre weltberuhmte Sammlung zu sehen.«

Miguel Machada antwortetebescheiden:»Ich glaube, da? Sie nicht enttauscht sein werden, Senor Rendell. Darf ich Sie nunbitten, mir zu folgen. Ich werde Sie personlich fuhren.«

Sie gingen langsam durch die Rotunde, sie schritten durch die Sale mit den spanischen Meistern, und Henri Rendell studierte jedesBild. Dabei fachsimpelten diebeiden Manner, sprachen uber stilistische Eigenarten der Kunstler, ihre Auffassung von der Perspektive und ihren Farbsinn.

«Und nun«, verkundete Machada,»besichtigen wir Spaniens ganzen Stolz. «Er fuhrte seinenBesucher die Treppe hinunter, zur Goya?Sammlung.

«Wie herrlich!«rief Rendell uberwaltigt.»Bitte lassen Sie mich einen Moment nur dastehen und schauen.«

Miguel Machada wartete und freute sich uber das ehrfurchtige Staunen des Schweizers.

«So etwas Gro?artiges habe ich noch nie gesehen«, erklarte Rendell. Er ging langsam durch den Raum undbetrachtete die Gemalde.»Der Hexensabbat«, murmelte Rendell.»Brillant!«

Sie liefen weiter.

«Goyas Selbstportrat — phantastisch!«

Miguel Machada strahlte.

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