Kymbale betrachteten die Geschichte mehr vom touristischen Standpunkte, der eine, um Vorwurfe fur Bilder zu wahlen, der andere, um Stoff fur Zeitungsartikel zu sammeln. Jovita Foley aber erklarte Lissy Wag in Bezug auf diese Angelegenheit folgendes:
»Ich werde, liebe Lissy, Herrn Marshall Field darum ersuchen, da? er Dir und auch mir einen Urlaub bewilligt, denn ich werde Dich unbedingt bis zum dreiundsechzigsten Felde begleiten…
– Die ganze Geschichte ist ja eine Tollheit! antwortete das junge Madchen.
– O, das gerade Gegentheil, erwiderte Jovita Foley, und da Du es bist, die die sechzig Millionen Dollars des ehrenwerthen Herrn Hypperbone gewinnen wird…
– Ich?…
– Ja, ja, Du, Lissy. Du trittst mir dann fur meine Bemuhungen die Halfte davon ab.
– Alles… wenn Du es wunschest…
– Angenommen!« rief Jovita Foley im gro?ten Ernste.
Es versteht sich wohl, da? Frau Titbury ihrem Hermann auf allen seinen Kreuz-und Querzugen folgen sollte, obgleich das die doppelte Ausgabe verursachte. Wurde es ihnen nicht ausdrucklich untersagt, zusammen zu reisen, so wollten sie es thun. Das schien fur beide Theile besser zu sein.
Uebrigens drang Frau Titbury darauf, ebenso wie sie es durchgesetzt hatte, da? Herr Titbury seine Rolle als Partner ubernahm, denn solches Hin-und Herfliegen von Ort zu Ort im Verein mit den dabei unumganglichen Ausgaben erschreckten das ebenso furchtsame wie geizige Mannchen gewaltig. Die herrschsuchtige Kate hatte aber einmal ihren Kopf aufgesetzt. und Hermann mu?te wohl oder ubel gehorchen.
Ganz ahnlich lag es mit Tom Crabbe, dem sein Traineur ebenfalls nicht von der Seite weichen wollte und der, das konnte man glauben, jenen schon tuchtig herumschleppen wurde.
Ob der Commodore Urrican, Max Real und Harris T. Kymbale allein oder in Begleitung eines Dieners reisen wollten, daruber hatten sich die Genannten noch nicht ausgesprochen. Eine Testamentsklausel, die ihnen verboten hatte, einen Begleiter mitzunehmen, gab es nicht. Sie hatten also freie Wahl und konnten auch auf den einen oder den andern wetten, wie man auf Rennpferde zu wetten pflegt.
Wir brauchen hier wohl nicht besonders hervorzuheben, da? die posthume Excentricitat William I. Hypperbone’s in der Neuen und sogar in der Alten Welt ein ungeheueres Aufsehen erregt hatte.
Bei der Speculationswuth der Amerikaner war nicht zu bezweifeln, da? sie gewaltige Summen auf den Ausgang der aufregenden Partie verwetten oder sich mit solchen daran mittelbar betheiligen wurden.
Auf die eigenen Hilfsmittel gestutzt, konnten freilich nur Hermann Titbury und Hodge Urrican, beide sehr reiche Leute, und etwa John Milner, der durch die Ringkampfe Tom Crabbe’s viel Geld verdiente, darauf rechnen, da? sie unterwegs, wegen Nichterlegung der Einsatze, nicht aufgehalten wurden. Ihrem Mitarbeiter Harris T. Kymbale erbot sich die »Tribune« – das war ja eine unschatzbare Reclame fur das Blatt – den nothwendigen Credit zu eroffnen.
Max Real bekummerte sich blutwenig um diese finanzielle Verpflichtung, die er werde erfullen oder nicht erfullen konnen. Das wollte er erst im eingetretenen Fall beurtheilen.
Was Lissy Wag anging, so suchte Jovita Foley deren Bedenken zu zerstreuen.
»Furchte Dich nur nicht, meine Liebe, wir verwenden alle unsere Ersparnisse auf die Kosten der Reise.
– Damit werden wir nicht weit kommen, Jovita…
– Sehr weit, Lissy!
– Wenn wir aber in die Lage kommen, Einsatze zahlen zu mussen…
– Das kommt nicht vor… wir haben nur zu gewinnen!« erklarte Jovita Foley so bestimmten Tones, da? Lissy Wag es vorzog, ihr nicht weiter zu widersprechen.
Hochst wahrscheinlich wurden weder Lissy Wag noch Max Real die Objecte der amerikanischen Speculanten, da die Nichtzahlung eines Einsatzes sie zu Gunsten ihrer Mitbewerber von der Partie ausschlo?.
»Wie, Max, Du wolltest die sich bietende Gelegenheit nicht beachten…« (S. 85.)
Was bei dem oder jenem vielleicht zum Vortheile Max Real’s sprechen konnte, war der Umstand, da? es ihm durch das Los beschieden war, zuerst abzureisen. Der Commodore Urrican geberdete sich wegen seines »Pechs« wie ein Wahnsinniger. Er konnte nun einmal nicht daruber hinwegkommen, da? ihm nach Max Real, Tom Crabbe, Hermann Titbury, Harris T. Kymbale und Lissy Wag erst die Nummer sechs zugefallen war. Und doch war das, wie hier wiederholt sei, von gar keiner ernsten Bedeutung. Der zuletzt Abreisende konnte ja alle seine Partner mit einem Schlage uberholen, wenn er durch funf und vier Augen beim ersten Wurfeln sogleich nach dem dreiundfunfzigsten Felde, nach dem Staate Florida, versetzt wurde. Denn so wunderbar kann ja der Verlauf des Spieles sein, das man – wir folgen hier der Legende – der seinen und dichterischen Veranlagung der alten Hellenen verdankt.
Offenbar wollte die von Anfang an sehr erregte Allgemeinheit nichts von den Schwierigkeiten und noch weniger von den Anstrengungen der bevorstehenden Reise wissen. Sicherlich war es moglich, da? die ganze Sache in wenigen Wochen abgemacht war, sie konnte sich aber auch Monate, ja Jahre hindurch hinziehen. Die Mitglieder des Excentric Club, die Zeugen oder Theilnehmer der von William I. Hypperbone taglich veranla?ten, oft endlosen Partien gewesen waren, konnten daruber aus Erfahrung sprechen. Sich bei solcher Ueberanstrengung und mit der vorgeschriebenen Schnelligkeit von einem Orte zum andern zu begeben, legte die Gefahr nahe, da? einige der Partner durch Erkrankung aufgehalten werden und gezwungen sein konnten, selbst die besten Aussichten auf Erreichung des Zieles zu Gunsten eines energischeren oder vom Zufall mehr begunstigten Theilnehmers unbenutzt zu lassen.
Um eine derartige Moglichkeit kummerte sich zunachst freilich niemand. Alle konnten es kaum noch erwarten, da? die Sache in Gang kame, um dann, wenn die »Sechs« unterwegs waren, an allem, was ihnen zustie?, theilzunehmen, sie im Geiste zu begleiten oder ihnen gar wirklich zu folgen, wie es oft Herrenradfahrer thun, wenn sie mit Berufsfahrern bei deren Rennen durch Amerika Schritt zu halten suchen.
Wie lief den Hotelwirthen der von den Reisenden beruhrten Staaten da schon im voraus das Wasser im Munde zusammen!
Ueberlegte sich das Publicum auch nicht die Hindernisse jeder Art, die sich vor den Spielern aufthurmen konnten, so tauchte bei einigen von diesen jetzt doch ein ubrigens recht nahe liegender Gedanke auf. Warum sollten sie denn nicht untereinander ein Abkommen treffen – ein Abkommen, wonach der Gewinner sich verpflichtete, seinen Gewinn mit denen, die das Schicksal nicht begunstigt hatte, zu theilen, oder wenigstens, wenn er etwa die Halfte des ungeheuern Vermogens fur sich behielt, doch die andere Halfte den minder Glucklichen abzutreten? Drei?ig Millionen Dollars fur ihn und der Rest fur die Verlierenden, das erschien ja annehmbar. In jedem Falle gesichert zu sein, funf Millionen einzuheimsen – diese Aussicht schien praktischen und nicht abenteuersuchtigen Leuten einer ernsten Erwagung werth zu sein.
Irgend welche Verletzung der Vorschriften des Erblassers war damit nicht verbunden; die Partie wurde auf jeden Fall in der von ihm geregelten Weise gespielt und dem Gewinner war es freigestellt, uber seinen Gewinn nach Gutdunken zu verfugen.
Die Mitbewerber und sonstigen Interessierten wurden denn auch, auf Betrieb des einen von ihnen – offenbar des Klugsten – zu einem Zusammentreten eingeladen, wo der erwahnte Vorschlag besprochen werden sollte. Hermann Titbury war sofort bereit, ihn anzunehmen – man bedenke nur: funf Millionen Dollars, die einem jeden garantiert waren! Bei dem ihr eigenen Temperament einer alten Spielerin zogerte Frau Titbury anfanglich, ihrem Gatten die Erlaubni?, dem Vorschlage zuzustimmen, zu ertheilen, schlie?lich gab sie aber doch nach. Nach einiger Ueberlegung, denn er war ein etwas abenteuerlustiger Charakter, fugte sich auch Harris T. Kymbale jenem Vorschlage und ebenso Lissy Wag auf Anrathen ihres Chefs, des Herrn Marshall Field, und trotz des Widerspruchs der ehrgeizigen Jovita Foley, die entweder alles oder nichts haben wollte. Was John Milner betraf, so wunschte er gar nichts mehr, als da? das Abkommen, bei dem er von Tom Crabbe’s Antheil auch nicht wenig zu erhalten hoffte, zu Stande kame, und wenn sich Max Real erst ein wenig bitten lie?, so lag das daran, da? bei Kunstlern ja gewohnlich eine Schraube etwas locker ist. Uebrigens lie? er sich, wenn es ihm auch nur darum zu thun war, Lissy Wag, fur deren Lage er sich lebhaft interessierte, nicht entgegenzutreten, leicht genug bereit finden, das geplante schriftliche Abkommen zu unterzeichnen.
Um dieses aber in jedem Falle wirksam werden zu lassen, bedurfte es der Unterschrift aller Theilnehmer der Spielpartie. Funf stimmten nun der Uebereinkunft zu, den Starrsinn des sechsten vermochten jedoch die