besten Vernunftgrunde nicht zu beugen. Der Leser errath wohl, da? es Hodge Urrican war, der keine Vernunft annehmen wollte. Er war vom Schicksal auserkoren, an dem Spiele theilzunehmen und wollte das auch bis zum Ende ausfuhren. Die Besprechung mu?te abgebrochen werden, denn der Commodore blieb bei seinem unuberwindlichen Widerspruch, trotz der Drohung eines kraftigen Fauststo?es, den Tom Crabbe auf Anstiften John Milner’s schon bereit war, ihm zukommen zu lassen und der ihm gewi? einige gesunde Rippen gekostet hatte. Ueberdies verga? man noch eine Sache, da? nach dem Codicill nicht sechs, sondern sieben Spieler vorhanden waren; es kam doch der Unbekannte, jener von William I. Hypperbone gewahlte X. K. Z. hinzu. Wer war es?… Wohnte er in Chicago?… Hatte vielleicht Meister Tornbrock nahere Kenntni? von ihm?… Das Codicill bestimmte, da? der Name der geheimni?vollen Personlichkeit nur genannt werden sollte, wenn diese die Partie gewonne. Das lie? den Geistern nun gar keine Ruhe ubrig und verlieh der Geschichte ein neues Object der Neugier. Da dieser X. K. Z. das vorgeschlagene Abkommen gut zu hei?en nun gar nicht im Stande war, konnte es also auch nicht zu einem vollig befriedigenden Abschlusse kommen, selbst wenn der Commodore Urrican seine Zustimmung dazu gegeben hatte.
Es blieb nun nichts anders ubrig, als zu warten, wie die Wurfel das erstemal fallen wurden, und das sollte am 30. April im Theatersaale des Auditoriums bekanntgegeben werden.
Heute war der 24. April – sechs Tage dauerte es noch bis zu dem schicksalsschweren Termine. Was die nothigen Reisevorbereitungen anging, so fehlte es dazu dem Commodore Urrican, der erst als Sechster aufbrechen sollte, nicht an Zeit, auch nicht den vier andern, Tom Crabbe, Hermann Titbury, Harris T. Kymbale und Lissy Wag, die alle noch vor ihm abreisen sollten.
Gerade der aber, der sich als erster auf den Weg machen sollte, schien. sich uber die Reise am wenigsten den Kopf zu zerbrechen. Der phantastische Max Real verrieth wenig oder gar nicht, da? er an die ganze Geschichte dachte. Frau Real, die nach ihrem Weggange von Quebec nun ebenfalls in dem Hause ihres Sohnes in der Halsted Street wohnte, ging die Angelegenheit offenbar mehr zu Herzen; sie ermahnte den jungen Maler deshalb, seine Vorbereitungen zu beschleunigen.
»Ich habe ja noch Zeit genug! antwortete er darauf.
– O nein… nicht mehr viel Zeit, mein Kind!
– Aber, liebe Mutter, was hat es denn nur fur Zweck, sich in dieses thorichte Abenteuer einzulassen?
– Wie, Max, Du wolltest die sich bietende Gelegenheit nicht beachten…
– Ein vielfacher Millionar zu werden?
– Ja freilich, fuhr die vortreffliche Dame fort, die sich denselben Traumereien wie alle Mutter fur ihre Sohne hingab.
– Morgen… liebe Mutter… ubermorgen!… Doch nein… am Tage vor der Abfahrt!
– Sage nur wenigstens, was Du auf die Fahrt alles mitnehmen willst.
– Meinen Pinsel, meinen Farbenkasten, Malerleinwand… meinen Rucksack, wie ein Soldat.
– Bedenke doch, da? Du nach dem au?ersten Ende Amerikas verschlagen werden konntest.
– Hochstens nach dem der Vereinigten Staaten, erwiderte der junge Mann, und nothigenfalls mache ich eine Reise um die Erde mit nichts als einem Handkoffer!«
Eine weitere Antwort war ihm nicht zu entlocken, denn er kehrte jetzt schon nach seinem Atelier zuruck. Frau Real beharrte aber dabei, ihn eine so schone Gelegenheit, ein Vermogen zu erwerben, nicht verfehlen zu lassen.
Lissy Wag mangelte es nicht an Zeit, da sie erst zehn Tage nach Max Real abreisen sollte, woruber die ungeduldige Jovita Foley sich nicht wenig beklagte.
»Welches Ungluck, meine arme Lissy, rief sie wiederholt, da? Du erst die Nummer funf hast!
– O, beruhige Dich nur darum, liebste Freundin, antwortete das junge Madchen, diese Nummer funf ist so gut… oder so schlecht wie die andern!
– Sage so etwas nicht, Lissy! Solche Gedanken darfst Du nicht hegen… das konnte uns Ungluck bringen!
– Ich bitte Dich, Jovita, sieh mir einmal gerade ins Gesicht!… Konntest Du im Ernste glauben…
– Glauben, da? Du gewinnen mu?test?…
– Ja.
– Dessen bin ich sicher, meine Liebe, so sicher, wie da? ich noch meine vollen zweiunddrei?ig Zahne habe!«
Lissy Wag schlug daruber ein so lautes Lachen an, da? Jovita Foley ihr daruber fast ernstlich bose geworden ware.
Ueber die Gemuthsverfassung des Commodore Urrican brauchen wir kaum vieles zu sagen. Er lebte eigentlich gar nicht mehr. Zehn Minuten nachdem fur ihn die Wurfel gefallen waren, wollte er von Chicago abreisen, wollte sich keinen Tag, keine Stunde irgendwo aufhalten, selbst wenn man ihn nach den au?ersten Evergladen der Halbinsel Florida schickte.
Das Ehepaar Titbury dachte nur an die fast Strafgeldern gleichenden Einsatze, die im unglucklichen Falle zu bezahlen waren – daran noch mehr, als an den gezwungenen Aufenthalt im Gefangnisse zu Missouri oder im Schachte von Nevada. Doch wer wei? – vielleicht lachelte den Titbury’s das Gluck und hielt sie von jenen verderblichen Orten fern.
Zum Schlu? noch ein Wort uber Tom Crabbe.
Der Boxer nahm, ohne sich um die Zukunft zu kummern, taglich die gewohnten sechs Mahlzeiten ein und gedachte, an diesem loblichen Gebrauch auch im Verlaufe der Reise nichts zu andern. Ein wie starker Esser er auch war, jedenfalls fand er, selbst in den unbedeutendsten Ortschaften, Gasthauser, die seinen Bedarf allemal decken konnten. John Milner wurde ja dabei sein und daruber wachen, da? ihm nichts abginge. Das mochte viele Kosten verursachen, bildete fur den Champion der Neuen Welt aber auch eine ausgezeichnete Reclame, und vielleicht lie?en sich unterwegs da und dort kleine Faustkampfe veranstalten, aus denen der Kinnladenzertrummerer jedenfalls mit Ehren und mit Gewinn hervorginge.
In Chicago und vielen andern Stadten der Union hatten sich bereits Wettbureaus aufgethan, um uber jeden einzelnen Partner besonders Buch zu fuhren. Naturlich konnten sie vor Beginn der gro?en Spielpartie noch nicht eigentlich in Thatigkeit treten. Und wenn die Ungeduld des Publicums schon zwischen dem 1. und dem 15. April – dem Tage der Testamentseroffnung – sehr gro? gewesen war, so verminderte sie sich auch nicht zwischen dem 15. und 30. April, wo zum erstenmale die Wurfel uber die von William I. Hypperbone entworfene Karte rollen sollten. Alle Leute, die bei Pferderennen zu wetten liebten, konnten jetzt kaum noch die Stunde erwarten, um auf die »Sechs
Auf jeden Fall verhielt sich Max Real so seltsam, da? er sich die Gunst der Wettenden vollstandig verscherzte. Wer wurde es glauben, da? er am 29. April, also am Tage vor dem Termine, der fur seine Abreise bestimmt war, Chicago verlassen hatte! Vor achtundvierzig Stunden war er, mit den Malgerathen auf der Schulter, aufs Land hinausgegangen. Seine im hochsten Grade beunruhigte Mutter konnte nicht einmal sagen, wann er zuruckkehren werde. Ah, wenn er irgendwo zuruckgehalten wurde, wenn er morgen nicht anwesend ware, um auf den Aufruf seines Namens zu antworten, welche Befriedigung wurde das dem sechsten Partner gewahren, der dadurch ja zum funften aufruckte. Dieser Funfte ware dann namlich Hodge Urrican, und dieser hochst merkwurdige Mann jubelte schon bei dem Gedanken, da? er in der Reihenfolge um eine Stelle vorruckte und nur funf Mitbewerber zu bekampfen hatte.
Noch am Morgen des 30. April hatte niemand sagen konnen, ob Max Real von seinem Ausfluge zuruck sei, noch ob er sich im Saale des Auditoriums befinde.
Schlag zwolf Uhr schuttelte hier vor einer unruhigen Zuschauermenge Meister Tornbrock unter Aufsicht Georges B. Higginbotham’s und umgeben von den Mitgliedern des Excentric Club den Wurfelbecher mit fester Hand und lie? die beiden Wurfel auf der Karte hinrollen…
»Vier und vier! rief er laut.
– Acht!« antwortete mit einer Stimme der ganze Zuschauerkreis.
Die Zahl war die, mit der der Testator den Staat Kansas bezeichnet hatte.