»Tom, gieb dem gelehrten Herrn doch einen tuchtigen Sto?…« (S. 110.)

Max Real scherzte hier nur, denn noch lief er nicht Gefahr, in Fort Riley verspatet einzutreffen. Statt dem Bahnhofe zuzustreben, von dem er jetzt ziemlich entfernt war und wo er wahrscheinlich auch keinen zur Abfahrt bereiten Zug gefunden hatte, schlenderte er gelassen weiter in die Ebene hinaus, so lange, da? ihm in der Dunkelheit schlie?lich die am Himmel hell glanzenden Sterne als Wegweiser dienen mu?ten.

So endete also der letzte Ausflug der ersten Reisestrecke, und noch hatte es am Kirchthurme der Stadt nicht acht Uhr geschlagen, als Max Real und Tommy vor dem Jackson Hotel standen.

Der zuerst Abgereiste befand sich damit an dem Orte, den William I. Hypperbone als achtes Feld gewahlt hatte. Wie er darauf gekommen war?… Vielleicht weil, wenn Missouri wegen seiner Lage im geographischen Mittelpunkte der Union der Centralstaat genannt werden konnte, Kansas andrerseits diese Bezeichnung verdiente, weil es die geometrische Mitte einnimmt, und hier liegt Fort Riley wieder genau im Herzen des Staates.

In Hinsicht hierauf ist auch nahe bei Fort Riley ein Denkmal an der Stelle errichtet worden, wo sich die zwei Hauptflusse des Staates, der Smoky Hill und der Republican, vereinigen.

Mochte der Grund der Wahl nun dieser oder sonst einer gewesen sein, jedenfalls befand sich Max Real heil und gesund in Fort Riley. Am nachsten Morgen ging er vom Jackson Hotel, wo er abgestiegen war, nach dem Postamte und erkundigte sich an dem betreffenden Schalter, ob ein Telegramm an seine Adresse eingelaufen sei.

»Ihr Name, mein Herr? fragte der Beamte.

– Max Real.

– Max Real… aus Chicago?…

– Wie Sie sagen… in eigener Person…

– Und einer der Theilnehmer an der gro?en Partie des Edlen Vereinigte Staatenspiels?…

– Ganz richtig.«

Im vorliegenden Falle war es ja unmoglich, ein Incognito zu bewahren, und schnell verbreitete sich nun in der Stadt die Neuigkeit, da? Max Real hier weile.

Der junge Maler kam infolgedessen, zu seinem gro?en Aerger, unter drohnenden Hurrahs nach dem Hotel zuruck. Hierher sollte ihm, sofort nach deren Eingange, die Depesche uberbracht werden, die ihm mittheilte, wieviel Augen beim zweiten Wurfeln fur ihn gefallen waren und wohin ihn nun die Laune des unerforschlichen Schicksals verschluge.

Achtes Capitel.

Tom Crabbe unter Fuhrung John Milner’s.

Elf durch funf und sechs, das war immerhin kein zu verachtender Wurf, wenn nicht einem der Spieler neun durch sechs und drei oder vier und funf zufielen und dieser damit nach dem sechsundzwanzigsten oder dem dreiundfunfzigsten Felde verwiesen wurde.

Zu beklagen war es vielleicht, da? der durch die Zahl elf bezeichnete Staat von Illinois sehr fern lag, und ohne Zweifel hatte sich Tom Crabbe, oder wenigstens sein Traineur John Milner, daruber etwas verdrossen gezeigt.

Das Schicksal sandte sie nach Texas, dem gro?ten Einzelstaate der Union, der allein eine Ausdehnung von 608340 Quadratkilometer hat. Dieser im Sudwesten der Confoderation gelegene Staat grenzt an Mexiko, von dem er erst 1835 abgetrennt wurde, nachdem der General Houston den mexikanischen General Santa-Anna entscheidend besiegt hatte.

Auf zwei Hauptreisewegen konnte Tom Crabbe nach Texas gelangen. Er konnte sich von Chicago aus entweder nach Saint-Louis begeben und von hier aus einen der Dampfer des Mississippi bis New Orleans benutzen, oder mit der Eisenbahn durch die Staaten Illinois, Tennessee und Mississippi bis zur Hauptstadt von Louisiana fahren. Hier galt es dann, den kurzesten Weg nach Austin, dem Sitze der Regierung von Texas, zu wahlen, wobei man sich fur die Schienenwege oder fur einen der Dampfer, die regelma?ig zwischen New Orleans und Galveston verkehren, entscheiden konnte.

John Milner glaubte, um Tom Crabbe nach Louisiana zu befordern, die Eisenbahn bevorzugen zu sollen. Jedenfalls hatte er, nicht wie Max Real, keine Zeit zu verlieren, keine Mu?e, unterwegs seiner Erholung nachzugehen, denn am 16. mu?te er ja in Person am Ziele der Reise eingetroffen sein.

»Nun, Herr Milner, fragte diesen der Localberichterstatter der »Freien Presse«, nachdem der Ausfall des Wurfelns am 3. Mai im Saale des Auditoriums bekanntgegeben worden war, wann denken Sie abzureisen?

– Noch heute Abend.

– Ihr Koffer ist bereit?…

– Mein Koffer ist… Tom Crabbe, antwortete John Milner, und der ist gefullt, verschlossen, verschnurt und ich habe ihn nur noch zur Bahn zu schaffen.

– Und was sagt er dazu?

– Gar nichts. Wenn er seine sechste Mahlzeit beendet haben wird, gehen wir nach dem Bahnhofe, und ich wurde ihn gern im Gepackwagen untergebracht sehen, aber… aber… das bedeutende Uebergewicht!…

– Ich habe so ein Vorgefuhl, fuhr der Journalist fort, als ob Tom Crabbe vom Zufall begunstigt werden sollte.

– Ich auch, erklarte John Milner.

– Gluckliche Reise!

– Danke schon!«

Dem Traineur kam gar nicht der Gedanke, dem Champion der Neuen Welt ein Incognito aufzuerlegen. Eine – vom materiellen Standpunkte betrachtet – so bedeutende Personlichkeit wie Tom Crabbe, konnte ja unmoglich unbemerkt bleiben. Seine Abreise wurde also nicht im geringsten geheim gehalten. Am Abend drangte sich eine gro?e Menschenmenge auf dem Bahnsteige des Stationsgebaudes, um jenen sich unter lauten Hurrahs in den Wagen hissen zu sehen. John Milner stieg nach ihm ein. Dann ruckte der Zug an, vielleicht fuhlte die Locomotive aber dessen gro?ere Belastung, da sie den gewichtigen Boxer zu befordern hatte.

Im Laufe der Nacht legte der Zug dreihundertfunfzig Meilen zuruck und erreichte andern Tags Fulten am Ende von Illinois und nahe der Grenze von Kentucky.

Tom Crabbe fiel es nicht ein, das Land, durch das er jetzt kam, zu betrachten – einen Staat ubrigens, der im Bunde seiner Gro?e nach nur den vierzehnten Rang einnahm. Max Real und Harris T. Kymbale hatten es an seiner Stelle gewi? nicht unterlassen, wenigstens weiterhin Nashville, die heutige Hauptstadt von Tennessee, und das Schlachtfeld von Chattanooga zu besuchen, von dem aus Sherman den Bundestruppen den Weg nach Suden offnete. Gewi? wurde der eine als Kunstler und der andre als Journalist einen Abstecher von hundert Meilen nach Great Junction gemacht haben, um Memphis mit ihrer Anwesenheit zu beehren. Das ist namlich die einzige bedeutendere Stadt, die der Staat am linken Ufer des Mississippi besitzt und die einen recht schonen Anblick bietet, da sie auf dem steil ansteigenden Uferlande erbaut ist, das den Lauf des prachtigen, mit grunen Inseln besaten Stromes beherrscht.

Der Traineur glaubte sich aber nicht von dem einmal bestimmten Reisewege entfernen zu sollen, um Tom Crabbe auf seinen ungeheuern Fu?en durch die Stadt mit dem agyptischen Namen wandern zu lassen. Ebenso hatte er keine Gelegenheit, weder zu fragen, warum wohl, da Memphis vom Meere weit entfernt liegt, die Regierung hier vor sechzig Jahren habe Arsenale und Schiffswerften erbauen lassen, die jetzt ubrigens ganzlich verlassen dastehen, noch darauf die Antwort zu horen: In Amerika begeht man eben Dummheiten, ganz wie in andern Landern.

Der Zug fuhrte den zweiten Partner und seinen gegen alles gleichgiltigen Begleiter schnell durch die Ebenen des Staates Mississippi hin, wobei er Holly Springs, Grenada und Jackson beruhrte. Die letztgenannte Stadt ist die – ubrigens ziemlich unbedeutende – Hauptstadt eines Gebietes, das infolge der ausschlie?lich betriebenen Baumwollcultur in Bezug auf Gewerbflei? und Handel stark zuruckgeblieben ist.

Die Ankunft Tom Crabbe’s, der hier eine Stunde Aufenthalt hatte, brachte inde? eine starke Wirkung hervor. Hunderte von Neugierigen hatten den beruhmten Faustkampfer einmal sehen wollen. Freilich hatte er nicht die

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