– Mein Wagen ist zur Abfahrt bereit.
– So fahren wir ab, und vergi? nicht, guter Freund, da? der Wagen zwar durch sein Gespann bewegt wird, da? es aber vom Kutscher abhangt, mit diesem rechtzeitig an Ort und Stelle zu sein!«
Verstand der Hispano-Amerikaner wohl ganz die Bedeutung dieser Mahnung?… Vielleicht. Es war ein Mann von etwa funfundvierzig Jahren mit stark sonnengebraunter Haut, lebhaften Augen und etwas spottischem Gesichtsausdruck – einer jener Burschen, die sich nicht so leicht zum besten haben lassen. Der Reporter wollte nicht daran zweifeln, da? Isidorio stolz darauf sei, eine Personlichkeit zu befordern, die im Verhaltni? von eins zu sieben die Aussicht hatte, sechzig Millionen Dollars einzuheimsen – obwohl das bei dem Kutscher doch kaum vorauszusetzen war…
Harris T. Kymbale sa? allein in dem Wagen. Das war ubrigens keine Postkutsche mit sechs Pferden, sondern ein einfaches Gefahrt, das an den Pueblos des Weges die Pferde wechseln sollte. Der Wagen rollte nun uber die holperige Stra?e von Aubey’s Trail dahin, die von zahlreichen kleinen Wasserlaufen unterbrochen war, welche ohne Anstand durchfahren wurden. An den Haltestellen wurde bezogen, was man bedurfte, und in der Nacht gonnte man sich einige Stunden Ruhe.
Am fruhen Morgen des nachsten Tages hatte das Gefahrt uber Cimarron und langs des Fu?es der Wei?en Berge vierzig Meilen ohne storenden Zwischenfall zuruckgelegt. Uebrigens ist hier weder von den Apachen und Comanchen, noch von anderen Sippen von Rothhauten etwas zu furchten, von den Stammen, die fruher in dieser Gegend hausten und von denen die Bundesregierung einigen ihre Unabhangigkeit gewahrleistet hat.
Am Nachmittage war der Wagen uber das Fort Union und Las Vegas hinausgekommen und lenkte nun nach den Engpassen der Moro Peaks ein. Hier finden sich sehr bergige, schwierige, ja sogar gefahrliche Wegstrecken, die ein schnelles Fortkommen sehr beeintrachtigen. Von den Tiefebenen aus steigt das Land um sieben-bis achthundert Toisen, letzteres die Hohe, in der Santa-Fe uber dem Meere liegt.
Jenseits dieses ungeheueren Ruckgrates Neumexikos dehnt sich das Becken mit den zahlreichen Zuflussen aus, die den Rio Grande del Norte zu einem der prachtigsten Strome der westlichen Abdachung Amerikas machen. Ebenda mundet auch die wichtige Bahnlinie von Chicago nach Denver, die den Handelsverkehr mit den Provinzen Mexikos ausnehmend begunstigt.
In der Nacht vom 20. zum 21. kam das Gefahrt nur recht langsam und beschwerlich weiter. Der ungeduldige Reisende furchtete nicht ohne Grund, nicht rechtzeitig anzukommen. Da hagelte es naturlich unablassige Ermahnungen und kraftige Fluche auf den phlegmatischen Isidorio hernieder.
»Du kommst ja gar nicht vorwarts…
– Ich bitte Sie, Herr Kymbale, wir haben doch nur Rader, mu?ten aber Flugel besitzen…
– Du begreifst aber nicht das Interesse, das ich daran habe, am 31. in Santa-Fe zu sein!
– Na, wenn wir an diesem Tage nicht da sind, kommen wir eben am nachsten an…
– Das ist aber zu spat…
– Mein Pferd und ich, wir thun alles, was wir konnen, und mehr darf man von einem Thiere und einem Menschen doch nicht verlangen!«
An bosem Willen lag das langsame Fortkommen bei Isidorio in der That nicht, er that wirklich alles mogliche.
Da meinte Harris T. Kymbale den Mann etwas unmittelbarer fur die von ihm gespielte Partie interessieren zu sollen. Wahrend das Pferd au?er Athem kam, als es inmitten eines dichten Waldes von dunkelgrunen Baumen einen der steilsten Wege der Bergkette hinaufkeuchte und dem Zickzack eines mit Trummern aller Art und mit vor Alter umgebrochenen Baumen besaten Labyrinthes folgte, wandte sich der Fahrgast an seinen Automedon (Wagenlenker).
»Isidorio, ich hatte Dir einen Vorschlag zu machen…
– Ich bitte, Herr Kymbale.
– Tausend Dollars fur Dich, wenn ich morgen am Vormittag in Santa-Fe bin!
– Tausend Dollars… was sagen Sie?… antwortete der Hispano-Amerikaner mit den Augen blinzelnd.
– Tausend Dollars… wohlverstanden… wenn ich die Partie gewinne…
– Ah so, meinte Isidorio, unter der Bedingung, da?…
– Nun, selbstverstandlich.
– Meinetwegen!… Es gilt!« und er trieb das Pferd mit dreimaligem Peitschenschlag von neuem an.
Um Mitternacht hatte der Wagen erst den Scheitel des Bergruckens erreicht, und Harris T. Kymbale’s Befurchtungen steigerten sich noch weiter. Er konnte sich gar nicht mehr fassen.
»Isidorio, rief er, diesem auf die Schulter klopfend, ich mochte Dir noch einen neuen Vorschlag machen.
– Ich hore, Herr Kymbale.
– Zehntausend… ja… zehntausend Dollars, wenn ich rechtzeitig ankomme.
– Zehntausend… sagen Sie? wiederholte Isidorio.
– Zehntausend Dollars!
– Das hei?t, nur wenn Sie die Partie gewinnen?…
– Naturlich!«
Zur Fahrt bergab – ohne dabei nach Galisteo zu gehen, um von da aus eine kleine Zweigbahn zu benutzen, was jetzt doch einen Zeitverlust bedingt hatte – und zu der durch das Thal des Rio Chiquito bis nach Santa-Fe – beilaufig eine Strecke von funfzig Meilen (80 Kilometer) – waren nun blos noch zwolf Stunden ubrig.
Die Stra?e war inde? recht leidlich, hatte keine bedeutenderen Steigungen, und ein besseres Pferd als das aus dem Relais von Tuos hatte man sich gar nicht wunschen konnen. Wenn es sein mu?te, konnte man das Ziel also noch zur festgesetzten Stunde erreichen, freilich unter der Bedingung, da? man sich nirgends auch nur eine Minute aufhielt und da? die Witterung so gunstig wie bisher blieb.
Die Nacht lie? sich prachtig an, der Mond glanzte hell, als ob er durch eine Depesche des vorsorglichen Bickhorn eigens dazu bestellt ware, und der Wind wehte von ruckwarts, so da? er das Fortkommen des Gefahrtes eher etwas beschleunigte. Das Pferd stampfte schon beim Einspannen an der Wechselstation vor Ungeduld; es war eines jener feurigen Thiere von mexikanisch-amerikanischer Rasse, die in den Corrals des Westens gezuchtet werden.
Was den Wagenlenker betraf, konnte man kaum einen besseren finden. Zehntausend Dollars so leicht zu verdienen – eine solche Summe hatte er auch in seinen kuhnsten Traumen noch nicht sein eigen genannt. Und dennoch schien Isidorio von diesem Glucksfall nicht so entzuckt, wie er es – wenigstens nach der Meinung Harris T. Kymbale’s – hatte sein sollen.
»Ob der Spitzbube, fragte er sich, wohl noch auf mehr wartet… vielleicht das Zehnfache haben will?… Doch was sind im Grunde ein paar Tausende gegenuber den Millionen William I. Hypperbone’s?… Ein Tropfen im Meere!… Nun denn, wenn es sein mu?, werd’ ich bis zu hundert Tropfen gehen!«
Der Wagen war eben davongerollt.
»Isidorio, sagte er diesem da ins Ohr, es handelt sich jetzt nicht mehr um zehntausend Dollars…
– Halt… nun wollen Sie wohl gar Ihr Versprechen zurucknehmen? rief Isidorio trockenen Tones.
– O nein, guter Freund, nein, im Gegentheil!… Du sollst hunderttausend Dollars erhalten, wenn wir noch vor dem Schlage der Mittagsstunde in Santa-Fe sind…
– Hunderttausend Dollars, sagen Sie?« wiederholte Isidorio, indem er dabei das linke Auge halb zukniff.
Und sofort setzte er hinzu:
»Freilich… nur wenn Sie gewinnen?
– Ja, wenn ich gewinne.
– Konnten Sie mir das nicht auf einem Stuckchen Papier schriftlich geben, Herr Kymbale? Es bedarf ja nur weniger Worte…
– Mit meiner Unterschrift?…
– Mit Ihrem Namen und dem gewohnten Zuge darunter.«
Indianer von Neu-Mexiko.
Bei einer Sache von solcher Bedeutung genugte ja eine einfache mundliche Zusage nicht. Ohne Zogern