Sache. Der Mann war seiner selbst zwar sehr sicher, doch glaubt mir, ich verwettete auf ihn keine funfundzwanzig Cents.«

Elftes Capitel.

Jovita Foley in tausend Aengsten.

Ihrer gelosten Nummer nach war Lissy Wag die funfte in der Reihe der Abreisenden. Neun Tage sollten also vergehen zwischen dem, wo Max Real Chicago verlassen hatte, und dem, wo sie von der Hauptstadt von Illinois aufbrechen sollte.

Mit welcher Ungeduld verbrachte sie aber diese endlose Woche, oder richtiger, verbrachte sie Jovita Foley an ihrer Statt. Es gelang ihr gar nicht mehr, sie zu beruhigen. Ihre Freundin a? nicht mehr, sie schlief, ja sie lebte fast gar nicht mehr. Die Reisevorbereitungen waren schon am Tage nach dem ersten Wurfeln, dem 1. Mai, gleich von fruh acht Uhr an begonnen worden, und zwei Tage spater nothigte sie Lissy Wag, sie nach dem Saale des Auditoriums zu begleiten, wo im Beisein einer wie fruher zahlreichen und erregten Zuschauermenge zum zweitenmal gewurfelt werden sollte. Weiter wiederholte sich dasselbe Schauspiel am 5. und am 7. Mai zum dritten-und zum viertenmale. Noch achtundvierzig Stunden, dann sollte sich das Schicksal der beiden Freundinnen entscheiden, denn man trennte sie schon gar nicht mehr von einander: die beiden jungen Madchen bildeten nur eine einzige Person.

Das ist inde? dahin zu verstehen, da? Jovita Foley die Lissy Wag sozusagen ganz in sich aufgehen lie?. Letzterer fiel nur noch die Rolle des klugen und vernunftigen Mentors zu, auf den man nie horen mag.

Der von Herrn Marshall Field seiner zweiten Cassierin und seiner ersten Verkauferin gewahrte Urlaub hatte naturlich schon am 16. April, am Tage nach der Testamentsverlesung, seinen Anfang genommen. Die beiden Damen waren seitdem nicht mehr verpflichtet, im Magazin der Madison Street zu erscheinen. Schon dieser Umstand erschien der Klugeren von beiden doch etwas bedenklich, denn sie fragte sich, ob ihr Principal wohl so lange auf ihre Dienste verzichten werde, wenn ihre Abwesenheit sich uber Wochen, vielleicht uber Monate ausdehnte.

»Wir haben unrecht gethan, sagte Lissy Wag wiederholt.

– Ja doch, ja, antwortete Jovita Foley, und wir werden fortfahren, unrecht zu thun, so lange das nothig erscheint.«

Nach diesen Worten lief das nervose, leicht erregbare Madchen unablassig in der kleinen Wohnung in der Sheridan Street hin und her. Sie offnete den einzigen Mantelsack, der die Leibwasche und die Kleidungsstucke fur die Reise enthielt, und uberzeugte sich, da? nichts fur ein langeres Verweilen in der Fremde Nothwendiges vergessen war; dann fing sie an zu rechnen und zahlte das vorrathige Geld… alle ihre in Gold und Silber umgewechselten Ersparnisse, die die Hotels, die Eisenbahnen und Wagen und allerlei Unvorhergesehenes zum gro?en Leidwesen Lissy Wag’s verschlingen wurden. Sie schwatzte daruber auch mit allen Hausgenossen, deren es in den siebzehn Stockwerke hohen Bienenstocken Chicagos ja immer so viele giebt. Sie fuhr mit dem Personenaufzug hinunter und wieder hinauf, wenn sie aus den Zeitungen oder von den Ausrufern auf der Stra?e eine Neuigkeit aufgeschnappt hatte.

»Ah, meine Beste, begann sie eines Tages, abgefahren ist er, jener Herr Max Real, doch wo mag er stecken?… Er hat sich nicht einmal uber den von ihm nach Kansas einzuschlagenden Weg geau?ert!«

Thatsachlich hatten auch die feinsten Spurhunde der Localchronik die Fahrte des jungen Malers nicht verfolgen konnen, und von diesem war auf weitere Nachrichten, vor dem 15., eine Woche, nachdem Jovita Foley und Lissy Wag die weiten Gebiete der Union zu durchmessen begonnen hatten, gar nicht zu rechnen.

»Nun, wenn ich offenherzig sprechen soll, sagte Lissy Wag, ist von allen unseren Partnern dieser junge Mann der, fur den ich mich am meisten interessiere.

– Weil er Dir gluckliche Reise gewunscht hat, nicht wahr? antwortete Jovita.

– Auch weil er mir der Begunstigung durch das Gluck am wurdigsten zu sein scheint.

Santa-Fe.

– Naturlich nach Dir, Lissy?

– Nein, vor mir.

– Ich verstehe. Gehortest Du nicht selbst zu den »Sieben«, so wurden Deine besten Wunsche ihn begleiten…

– Das thun sie auch jetzt!

– Nun ja, kann ja sein. Da Du aber auch selbst und obendrein mit mir, Deiner vertrautesten Freundin, an der Partie betheiligt bist, mochte ich Dich doch ersuchen, statt fur jenen Max Real den Himmel fur mich um Beistand anzuflehen. Lass’ Dir ubrigens gesagt sein, da? niemand wei?, wo er ist… vielleicht befindet er sich nicht weit vom Fort Riley, wenn nicht unterwegs ein Unfall…

– O, das wollen wir nicht hoffen, Jovita!

»Es wird nichts zu bedeuten haben, liebe Freundin«. (S. 165.)

– Naturlich nicht hoffen, meine Liebe, beileibe nicht hoffen!«

Mit ahnlichen, in ihrem Munde ironischen Worten pflegte Jovita Foley meist auf solche Reden der angstlichen Lissy Wag zu antworten.

Diese noch mehr erregend, fuhr sie dann fort:

»Du sprichst mir niemals von jenem abscheulichen Tom Crabbe; der ist mit seinem Kornak doch auch unterwegs… nach Texas, wenn ich nicht irre. Begleiten denn Deine Wunsche dieses Krustenthier nicht ebenfalls?

– Ich habe nur den Wunsch, Jovita, da? uns das Geschick nicht nach einem so entfernten Lande verschlage.

– Bah, was ware dabei, Lissy?

– Bedenke, Jovita, wir sind nur zwei Frauen, und ein unserer Heimat benachbarter Staat wurde uns doch erwunschter sein…

– Zugegeben, Lissy, wenn das Schicksal aber seine Galanterie nicht so weit treibt, auf unsere Schwache Rucksicht zu nehmen, wenn es uns nach dem Atlantischen oder nach dem Gro?en Ocean schickt, vielleicht gar nach dem Golf von Mexiko… so hei?t es, sich einfach dem Zwange fugen…

– Und das werden wir thun, weil Du es willst, Jovita.

– Nicht weil ich es will, sondern weil es geschehen mu?, Lissy. Du denkst immer nur an die Abfahrt, nie an die Ankunft, an die gro?artige Ankunft im dreiundsechzigsten Felde – ich, ich denke dagegen Tag und Nacht daran und dann an die Ruckkehr nach Chicago… wo uns die Millionen in der Casse des vortrefflichen Notars erwarten…

– Ja, ja, die beruhmten Millionen aus der Erbschaft… meinte Lissy Wag lachelnd.

– Sieh, Lissy, sind denn die anderen Partner nicht ohne so viele Bedenklichkeiten auf die Sache eingegangen? Befindet sich das Titbury’sche Ehepaar nicht auch bereits auf dem Wege nach Maine?…

– Die armen Leute! Ich bedauere sie.

– O, Du wirst mich zuletzt noch ganz erbittern!

– Und Du, meine Liebe, wenn Du Dich nicht zu beruhigen vermagst, wenn Du fortfahrst, Dich so nervos zu erregen, wie es schon seit einer Woche geschehen ist, Du wirst Dich schlie?lich krank machen, und dann bleib’ ich daheim, um Dich zu pflegen.

– Ich… krank werden?… Nein, bist Du narrisch! Die Nerven sind es ja, die mich aufrecht erhalten, mir Ausdauer verleihen, und nervos werde ich auf der ganzen Reise bleiben!

– Leider magst Du recht haben, doch wenn Du dabei nicht bettlagerig wirst, dann bin ich es jedenfalls,

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