nahm Harris T. Kymbale denn auch sein Taschenbuch heraus und schrieb auf eines seiner Blatter, da? er dem Herrn Isidorio aus Santa-Fe unter den erwahnten Bedingungen hunderttausend Dollars zu zahlen sich verpflichtet habe – eine Zahlung also, die sofort geleistet werden solle, wenn der Reporter der einzige Erbe William I. Hypperbone’s wurde. Das bekraftigte er durch seine Unterschrift und ubergab das Papier dem Wagenlenker.

Isidorio nahm es, durchlas es, faltete es sorgsam zusammen und schob es tief in die Tasche.

»Vorwarts also!« sagte er.

Nun begann aber mit verhangtem Zugel eine wilde Galoppade, und schwindelnd sauste der Wagen die dem Rio Chiquito folgende Stra?e hinab. Trotz aller Anstrengung aber, trotz der stets drohenden Gefahr, den Wagen zu zertrummern oder mit ihm in den Flu? zu sturzen, konnte Santa-Fe nicht fruher als zehn Minuten vor zwolf Uhr erreicht werden.

Die Stadt zahlt nicht mehr als siebentausend Seelen. Wenn Neumexiko der Bundesrepublik auch schon seit einigen Jahren angegliedert war, so lag seine Zulassung als Staat zu den anderen funfzig Staaten doch erst einige Monate zuruck – was dem excentrischen Verstorbenen noch erlaubt hatte, es auf seiner Karte mit anzufuhren.

Nun begann eine wilde Galoppade. (S. 152.)

Im ubrigen ist Neumexiko nach Aussehen und Volkssitte noch vollig spanisch geblieben; der angloamerikanische Charakter tritt hier nur sehr langsam in Erscheinung. Seine Lage inmitten silberfuhrender Bodenschichten sichert Santa-Fe eine gedeihliche Zukunft. Nach der Aussage seiner Bewohner ruht die Stadt auf einer dicken Silberunterlage, und man hat aus dem Erdboden der Stra?en ein Mineral gewonnen, das auf die Tonne zweihundert Dollars Ausbeute lieferte.

Das mag ja richtig sein; fur Touristen bietet die Stadt aber wenig Sehenswerthes, hochstens die Ruinen einer von den Spaniern vor dreihundert Jahren erbauten Kirche und den »Gouverneurs-Palast«, ein sehr bescheidenes Gebaude, dessen einziges Stockwerk mit einem Thore mit holzernen Saulen geschmuckt ist. Was die Hauser betrifft, die, die spanischen ebenso wie die indianischen, nur aus lufttrockenen Lehmsteinen errichtet sind, so bilden die meisten weiter nichts als aufgeschichtete Wurfel mit unregelma?ig vertheilten Lichtoffnungen, wie man dasselbe an den Pueblos der Eingeborenen sieht.

Harris T. Kymbale wurde hier ebenso empfangen, wie uberall auf seiner Fahrt. Er hatte jedoch keine Zeit, in die siebentausend, ihm entgegengestreckten Hande einzuschlagen. Die Uhr zeigte bereits auf funfzig Minuten nach elf, und er mu?te auf dem Telegraphenamte sein, ehe der letzte Schlag der Mittagsstunde ertonte.

Hier erwarteten ihn zwei Depeschen, die am heutigen Morgen und fast zu gleicher Zeit in Chicago aufgegeben waren. Die eine, die vom Notar Tornbrock herruhrte, meldete, wie die Wurfel zum zweitenmale fur ihn gefallen waren. Zehn – zweimal funf Augen – war die betreffende Zahl, durch die der vierte Partner nach dem zweiundzwanzigsten Felde – Sudcarolina – gewiesen wurde.

Dem unerschrockenen, unermudlichen »Traveller«, der von unglaublichen Reisestrecken traumte, war nach Wunsch geschehen – hatte er hiermit doch volle funfzehnhundert Meilen (2400 Kilometer) nach der atlantischen Seite der Vereinigten Staaten zuruckzulegen. Er erlaubte sich dazu nur die Bemerkung:

»Nach Florida hatt’ ich noch ein paar hundert Meilen weiter gehabt!«

In Santa-Fe wollten die AngloAmerikaner die Anwesenheit ihres Landsmannes durch Versammlungen, Schmausereien, und andere festliche Veranstaltungen feiern. Zum eigenen gro?en Leidwesen lehnte der Berichterstatter der »Tribune« das aber entschieden ab. Durch schlimme Erfahrung gewitzigt, hatte er sich streng vorgenommen, den Rathschlagen des ehrenwerthen Burgermeisters von Buffalo Rechnung zu tragen, sich unter keinem Vorwande aufzuhalten und den kurzesten Reiseweg zu benutzen. Ausfluge wollte er erst nach seinem Eintreffen am Bestimmungsorte unternehmen.

Die zweite Depesche, eine Mittheilung des vorsorglichen Bickhorn, enthielt einen neuen Reiseplan, der nicht minder gut zusammengestellt war, wie der erste. Seine Collegen ersuchten ihn noch besonders, sich diesem Plane anzubequemen und so schnell wie moglich abzureisen. Daraufhin entschlo? er sich denn auch, die Hauptstadt Neumexikos schon am heutigen Tage wieder zu verlassen.

Die Kutscher in der Stadt hatten inzwischen erfahren, was der uberma?ig freigebige Reisende fur Isidorio gethan hatte. Fur Kymbale war die Folge davon nur die Qual der Wahl, denn alle boten ihm ihre Dienste an, wohl in der Hoffnung, ebensogut wie ihr Kamerad eine gro?e Summe einzuheimsen.

Man wird sich ja wundern, da? Isidorio nicht selbst die Ehre, fast das Anrecht beanspruchte, den Reporter nach der nachstgelegenen Eisenbahnstation zuruckzubefordern, vielleicht gar mit der stillen Erwartung, den ihm schon zugesicherten hunderttausend Dollars noch ein zweites Hunderttausend hinzugefugt zu sehen. Wahrscheinlich fuhlte sich der praktische Hispano-Amerikaner aber nicht weniger befriedigt als ermudet. Dagegen unterlie? er es nicht, dem Journalisten ein Lebewohl zu sagen, als dieser nach der Verhandlung mit einem anderen Rosselenker sich am Nachmittage gegen drei Uhr zur Abfahrt anschickte.

»Nun, mein wackerer Freund, sagte Harris T. Kymbale, Du befindest Dich wohl?

– Vollig wohl, Herr Kymbale.

– Damit, da? ich Dir einen Theil meines spateren Vermogens zugesichert habe, sind wir doch noch nicht mit einander fertig…

– O, Sie haben ja tausendmal zuviel gethan, Herr Kymbale, das verdien’ ich ja gar nicht…

– Doch, doch! Mindestens hab’ ich Dir noch meinen Dank auszusprechen, denn ohne Deinen Eifer, Deine Ergebenheit, war’ ich zu spat angekommen und hatte mich aus der Partie ausgeschlossen gesehen – es fehlten daran ohnehin nur zehn Minuten!«

Isidorio horte die schmeichelhafte Rede ruhig und nach Gewohnheit fur sich lachelnd an.

»Schon, da? Sie zufrieden sind, Herr Kymbale, antwortete Isidorio, ich bin es auch.

– Und zwei machen ein Paar, wie unsere Freunde, die Franzosen, sagen, Isidorio.

– Ja freilich, ganz wie bei den Zugpferden…

– Richtig. Doch das Papier, das ich Dir gegeben habe, verwahre ja recht sorgfaltig, Horst Du mich dann vor der ganzen Welt als den Sieger im Match Hypperbone verkundigen, so begieb Dich nach Clifton, besteige den Schnellzug, der Dich nach Chicago befordert, und stelle Dich an unserer Casse vor. Du kannst ruhig sein, ich werde meine Unterschrift schon einlosen!«

Isidorio zog den Kopf ein wenig ein, kraute sich die Stirn und blinzelte mit den Augen, wie einer, der noch unentschlossen ist, ob er sprechen soll oder nicht.

»Nun, fragte da Harris T. Kymbale, meinst Du, noch nicht hinreichend belohnt zu sein?

– O gewi?, versicherte Isidorio. Doch… jene hunderttausend Dollars… ja, die hangen doch immer… davon ab… da? Sie gewinnen.

– Aber ich bitte Dich, guter Freund, bedenke doch, kann es denn anders sein?

– Ja, warum nicht?

– Nun sieh, konnt’ ich Dir uberhaupt eine solche Summe verschreiben, wenn ich die Erbschaft nicht einsteckte?

– Ja, das versteh’ ich, Herr Kymbale, das versteh’ ich sogar recht gut. Dennoch gab’ ich den Vorzug…

– Was denn?

– Baaren hundert Dollars.

– Hundert statt einmalhunderttausend?

– Ja gewi?, versicherte Isidorio ruhig. Wissen Sie, ich lieb’ es nicht, auf den Zufall zu rechnen, und hundert baare Dollars, die Sie mir gleich gaben… das ware doch etwas Sichereres…«

Wirklich zog Harris T. Kymbale, der seine Freigebigkeit vielleicht schon ein wenig bereute, hundert Dollars aus der Tasche und handigte sie diesem neumexikanischen Weltweisen ein, der das vorher erhaltene Papier zerri? und die Stucke davon zuruckgab.

Der Reporter fuhr nun unter lauten Wunschen fur gluckliche Reise ab und verschwand im Galopp durch die Hauptstra?e von Santa-Fe. Diesmal hatte sich, wenn eine ahnliche Veranlassung wiederkehrte, der neue Wagenlenker jedenfalls nicht als ein solcher Philosoph benommen, wie sein Kamerad.

Und als die anderen Kutscher Isidorio wegen seines auffallenden Entschlusses fragten, antwortete er schmunzelnd:

»Ach was! Hundert Dollars… das sind doch hundert Dollars. Ich hatte eben kein Vertrauen zu der ganzen

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