Einigen Kummer bereitete es ihr doch, da? Lissy Wag in ihren hoffnungsfrohen Jubel nicht mit einstimmte.

»Du siehst gar nicht danach aus, als freutest Du Dich auf die nachste Zukunft.

– O doch, Jovita, sicherlich! Wir gehen nach Wisconsin… nach Milwaukee…

– Noch haben wir Zeit ubrig. Nicht morgen… auch nicht ubermorgen! In funf bis sechs Tagen, wenn Du vollig genesen bist… wenn es sein mu?, erst in vierzehn Tagen… wenn wir nur am Vormittage des 23. dort sind.

– Nun, es ist ja alles gut, da Du zufrieden bist.

– Ob ich es bin, meine Beste! Ebenso zufrieden, wie der Commodore unzufrieden ist. Dieser schandliche Mann wollte Dich vom Mitbewerbe ausschlie?en… wollte den Meister Tornbrock bestimmen, den funften Wurf fur ihn gelten zu lassen, unter dem Vorwande, fur Dich habe er ja doch keinen Zweck, Du seist fur so und so viele Wochen aus Bett gefesselt… ja, er verstieg sich zu der Behauptung, Du wandeltest gar nicht mehr auf dieser Welt! O, der abscheuliche Seebar! Du wei?t, ich wunsche niemand etwas Boses… diesem Commodore aber. dem wunsch’ ich. er mochte sich im Labyrinth verirren, mochte in den Schacht fallen, im Gefangni? verschimmeln… mochte einfache, zweiund dreifache Einsatze zu bezahlen haben… mit einem Worte, dem wunsch’ ich alle Unannehmlichkeiten, die das Spiel denen bereiten kann, die keine Aussicht zum Gewinnen haben und keine solche verdienen! Du hattest nur horen sollen, wie Meister Tornbrock ihm antwortete. O, dieser prachtige Notar… ich hatte ihn gleich umarmen konnen!«

Wenn sich Jovita Foley auch in ihren gewohnten Uebertreibungen erging, so hatte sie mit ihren Behauptungen doch nicht unrecht. Der Wurf nun, durch sechs und drei Augen, war einer der besten, den sie sich fur den Anfang wunschen konnte. Er gewahrte ihnen nicht nur einen Vorsprung gegenuber den ersten vier Partnern, sondern der Lissy Wag auch ausreichende Zeit zur Wiedergenesung.

Der Staat Wisconsin grenzt ja unmittelbar an den von Illinois, von dem er im Suden nur durch eine ganz nahe dem zweiundvierzigsten Breitengrade verlaufende Linie getrennt ist. Umschlossen wird er im Westen vom Laufe des Mississippi, im Osten vom Michigansee, dessen Westufer er bildet, und im Norden theilweise vom Obern See. Madison ist der Sitz seiner Regierung, Milwaukee seine Hauptstadt. Am Ufer des Sees und kaum zweihundert Meilen von Chicago gelegen, steht diese Hauptstadt mit allen Handelsplatzen von Illinois in schneller, regelma?iger und haufiger Verbindung.

Der heutige Tag, der 9. Mai, der leicht hatte so verderblich werden konnen, begann also in recht glucklicher Weise. Die der Kranken nicht erspart gebliebene Erregung wirkte auf diese freilich etwas nachtheilig ein. Als der Doctor M. P. Pughe bei ihr seinen Morgenbesuch machte, fand er sie etwas angegriffener als am Abend vorher. Der zuweilen sehr qualende Husten war von langanhaltender Erschopfung und erneuter schwacher Fieberbewegung begleitet. Leider lie? sich dagegen au?er der bisherigen Medication nichts weiter thun.

»Aber Ruhe… vor allem Ruhe, empfahl er Jovita Foley, als diese ihn zum Zimmer hinausbegleitete. Ich rathe Ihnen ernstlich, mein liebes Fraulein, der Mi? Wag jede, auch die kleinste Anstrengung zu ersparen. Sie mag allein liegen… am besten war’ es, sie schliefe…

– Sie sind aber nicht besorgter um sie, als fruher, Herr Doctor? fragte Jovita Foley, die sich bei den Worten des Arztes aufs neue zu angstigen anfing.

– Nein, nein; ich wiederhole Ihnen, es handelt sich nur um eine Bronchitis mit deren gewohnlichem Verlaufe. Die Lungen sind frei geblieben, das Herz ist normal. Schutzen Sie die Kranke nur vor abkuhlendem Luftzuge. Doch auch etwas Nahrung mu? sie zu sich nehmen, nothigen Sie ihr ein Glas Milch oder wenigstens eine Tasse gute Bouillon auf.

– Doch wenn keine ernsten Complicationen eintreten, Herr Doctor…

– Auf solche mu? man stets gefa?t bleiben.

– Ja, ja… ich wei? es… kann man beim Ausbleiben solcher wohl darauf rechnen, da? die Kranke binnen vierzehn Tagen geheilt sein wird?«

Der Arzt begnugte sich, die Schulter zu zucken – immerhin eine wenig beruhigende Antwort.

So schwer es ihr wurde, entschlo? sich Jovita Foley, nicht mehr im Zimmer Lissy Wag’s zu verweilen; sie hielt sich also hauptsachlich doch bei angelehnter Zwischenthur, in dem ihrigen auf. Hier lag auf dem Tische die Karte der Vereinigten Staaten ausgebreitet, daneben das unablassig durchblatterte Guide-book, aus dem sie sich uber Wisconsin bis zu dessen kleinsten Ortschaften unterrichtete und den Staat bezuglich seines Klimas, seiner Zutraglichkeit fur die Gesundheit und seiner Sitten und Gebrauche so eingehend studierte, als wollte sie sich dort fur immer hauslich niederlassen.

Die Zeitungen der Union hatten selbstverstandlich den Ausfall des funften Wurfelns aller Welt kundgethan. Mehrere erwahnten auch den Zwischenfall mit Urrican, die einen unter Bekraftigung der Anspruche des grimmigen Commodore, die anderen unter Verwerfung seines unberechtigten Verlangens. Die Mehrzahl erwies sich ihm aber feindselig gestimmt. Nein, hie? es da, er hatte kein Recht, den funften Wurf fur sich gelten lassen zu wollen, und man belobte Meister Tornbrock, die gegebenen Vorschriften in aller Strenge eingehalten zu haben.

Was Hodge Urrican auch davon sagen mochte, Lissy Wag war weder todt noch nahe daran, ihren letzten Seufzer auszuhauchen. Unter der gro?en Menge vollzog sich sogar ein merkbarer Umschwung zu ihren Gunsten. Sie wurde dadurch den Leuten noch interessanter, obwohl man es fur fraglich hielt, ob sie die Beschwerden der ihr bevorstehenden Reisen bis zum Ende werde aushalten konnen. Bezuglich ihrer Krankheit behauptete man nun, es handle sich kaum um eine Bronchitis, nicht einmal um eine Laryngitis (Kehlkopfkatarrh), und binnen vierundzwanzig Stunden werde von der ganzen Sache nicht mehr die Rede sein.

Da jeder Zeitungsleser aber stets nach recht grundlichen Mittheilungen verlangt, wurde morgens und abends je ein Bulletin uber den Zustand der funften Partnerin ganz ebenso veroffentlicht, wie etwa uber die Krankheit einer Prinzessin aus koniglichem Geblut.

Eine besondere Veranderung war am 9. Mai im Zustande der Kranken ubrigens nicht eingetreten, jedenfalls aber verschlimmerte er sich weder in der nachsten Nacht, noch am 10. Mai. Jovita Foley zog daraus sofort den Schlu?, da? acht Tage hinreichen wurden, ihre Freundin wieder vollig auf die Fu?e zu bringen. Doch wenn ihre Wiederherstellung auch noch zehn… elf… zwolf… dreizehn… selbst vierzehn Tage in Anspruch nahm – es handelte sich ja nur um eine Fahrt von zwei Stunden – wenn sie nur am 23. vormittags in Milwaukee eintrafen, damit waren die Bedingungen des Match Hypperbone erfullt. Erschien es dann nothig, ein wenig der Ruhe zu pflegen, so konnten sie sich das in jener Hauptstadt gewahren.

Die Nacht vom 10. zum 11. verlief recht ruhig. Lissy Wag erlitt kaum zwei bis drei leichte Frostschauer; die Fieberperiode schien zu Ende zu gehen. Der Husten kam zwar noch recht stark, die Brust wurde dabei aber allmahlich freier, das Rasseln war nicht mehr so laut, die Athmung dagegen erleichtert. An eine Complication war also kaum noch zu denken.

Lissy Wag befand sich infolgedessen bedeutend besser, als Jovita Foley nach einstundiger Abwesenheit bei ihr eintrat. Wohin war sie inzwischen wohl gegangen? Sie hatte sich daruber nicht geau?ert, nicht einmal gegen die Nachbarin, die der Mi? Wag auf eine bezugliche Frage also auch keine Auskunft geben konnte.

Als Jovita Foley ins Zimmer getreten war, beeilte sie sich – sie legte vorher nicht einmal den Hut ab – einen herzlichen Ku? auf die Stirn Lissy Wag’s zu drucken, die dabei sofort bemerkte, da? ihre Gesichtszuge ausnehmend belebt waren und ihre Augen in besonderem Glanze strahlten.

»Was hast Du denn diesen Morgen? fragte sie fast unwillkurlich.

– O, nichts, meine Liebe, nichts! Ich freue mich so sehr, Dich etwas gesunder anzutreffen. Und dann ist so schones Wetter… eine herrliche Maisonne… Du wei?t ja… die schonen Sonnenstrahlen, die man trinkt… die man einathmet. Ach, eine gute Dosis Sonnenschein… ich bin uberzeugt, die wurde Dich sofort gesund machen. Doch… keine Unvorsichtigkeit… wegen ernster Complicationen!

– Wohin warst Du denn gegangen. meine gute Jovita?

– Wohin ich gegangen war?… Zuerst nach dem Geschafte Marshall Field’s, um dort uber Dich zu berichten. Unser Chef la?t sich hier alle Tage nach Dir erkundigen, und ich wollte ihm dafur unseren Dank abstatten.

– Daran hast Du recht gethan, Jovita. Es war ja schon eine gro?e Freundlichkeit, uns Urlaub zu gewahren… und wenn dieser zu Ende ist…

– Ja, ja, meine Liebe; unsere Platze werden schon nicht anderweitig besetzt werden.

– Gut. Doch nachher?

– Nachher?…

– Bist Du nicht noch anderswohin gegangen?

– Ich?… Anderswohin?«

Jovita Foley schien mit der Sprache zuruckhalten zu wollen, doch das hielt sie nicht lange aus, vorzuglich als

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