mittelst der zwei Eisenbahnen die beiden Nachbarstaaten verbinden.
Uebrigens herrschte an diesem Tage, dem 28. Mai, auch zwischen anderen, ebenso wie jenen zwei unbekannten Leuten eine lebhafte Unterhaltung, ebenso in den Industrie-und Handelsquartieren, wie in den Werkstatten und Fabriken, deren man in Cincinnati fast siebentausend zahlt – in allen Brauereien, Mehlgeschaften, Raffinerien, Schlachthausern und auf den Markten wie auf den Vorplatzen der Bahnhofe, wo erregte und larmende Gruppen zusammenstanden. Freilich schien es nicht so, als ob diese ehrbaren Burger den oberen Classen, den Gelehrten-oder Kunstlerkreisen angehorten, die hier die Universitatscurse und die reichhaltigen Bibliotheken besuchen und in den werthvollen Sammlungen und Museen der Stadt ihren Studien obliegen. Das unruhige Treiben beschrankte sich vielmehr auf den niedrig gelegenen Theil der Stadt und erstreckte sich nicht nach den reichen Quartieren, den modernen Stra?en, nach den Squares und den schattenkuhlen Parks mit prachtigen Baumen, darunter den Nu?baumen, nach denen Ohio den Beinamen Buckeye State bekommen hat.
Wer sich durch die Menschenmengen drangte und auf deren Gesprache lauschte, horte da etwa folgendes:
»Haben Sie ihn denn gesehen?
– Nein; er ist gestern sehr spat am Abend angekommen, dann hat man ihn sofort in einen geschlossenen Wagen gesteckt und sein Begleiter hat ihn…
– Wohin denn gebracht?
– Das wei? niemand, und es ware doch so interessant, es zu wissen…
– Freilich… freilich! Na, er ist ja nicht nach Cincinnati gekommen, um sich hier nicht zu zeigen. Ich denke, man wird ihn ausstellen…
– Ja, ubermorgen, sagt man, bei Gelegenheit der gro?en Ausstellung von Spring Grove.
– Das wird ein schones Gedrange geben!
– Halb todttreten werden sich die Leute!«
Dieses Urtheil bezuglich des Helden des Tages wurde inde? nicht allseitig getheilt. Vorzuglich eine Menge Angestellte aus den gro?en Schlachthausern, wo man alle korperlichen Eigenschaften hoher als geistige Vorzuge, Gro?e, Umfang und Muskelentwickelung hoher als die Intelligenz des Individuums zu schatzen pflegt, zuckten wie mitleidig die Achseln.
»Es wird wohl alles gehorig ubertrieben sein, sagte der eine.
– Wir werden hier wohl manchen haben, der ihm mindestens gleichkommt, meinte ein anderer.
– Ueber sechs Fu? hoch, wenn man den Reclamen trauen darf…
– Sechs Fu?, von denen keiner zwolf Zoll hat…
– Na, das wird sich ja bald zeigen…
– Er scheint aber doch gute Aussicht zu haben, alle seine Concurrenten zu schlagen.
– Bah! Man prahlt vom Record halten… das lockt das Publicum heran… und schlie?lich sieht es sich betrogen…
– Wir werden uns hier nicht anfuhren lassen…
– Kommt er nicht aus Texas? fragte ein stammiger Bursche mit breiten Schultern und kraftigen, noch mit Blut aus dem Schlachthaus befleckten Armen.
– Geraden Weges… aus Texas, antwortete einer seiner ebenso robusten Kameraden.
– Nun… warten wir das Weitere ab…
– Ja, ja… ruhig abwarten. Es ist schon von auswarts so mancher hierhergekommen, der besser gethan hatte, zu Hause zu bleiben…
– Zugegeben… Doch wenn er nun den Preis davontragt? Moglich ist es immerhin, und gar so sehr erstaunen wurd’ ich daruber nicht!«
Man sieht, da? die Schatzungen weit auseinander gingen – im ganzen jedenfalls nicht zur besonderen Genugthuung John Milner’s, der am Tage vorher in Cincinnati mit dem zweiten Partner, Tom Crabbe, eingetroffen war, welchen die Entscheidung der Wurfel aus der Hauptstadt von Texas nach der von Ohio verwiesen hatte.
In Austin hatte John Milner ja zu Mittag am 17. Mai die telegraphische Mittheilung uber die die indigoblaue Flagge – den beruhmten Faustkampfer aus Chicago – betreffende Auswurfelung erhalten.
Entschieden konnte Tom Crabbe von sich behaupten, da? er im Gluck sitze, und selbst mit mehr Berechtigung als Max Real, obwohl dieser, dank der zu verdoppelnden Augenzahl, einen gro?en Schritt vorwarts gethan hatte. Fur ihn hatte Meister Tornbrock zwolf Augen geworfen, die hochste Zahl, die mit zwei Wurfeln zu erzielen ist. Da diese Zahl den Partner aber ebenfalls nach einem der Felder von Illinois brachte, hatte auch er sie doppelt zu nehmen, und Tom Crabbe machte damit also einen Sprung vom elften nach dem funfunddrei?igsten Felde.
Hierdurch wurde er nach den volkreichsten Landestheilen des Innern der Vereinigten Staaten gewiesen, wo es an schnellen und bequemen Verkehrsmitteln nicht mangelt, das Reisen also ganz anders erleichtert ist, als in den Grenzlandern des Bundesgebietes.
John Milner wurde darum auch vor der Abfahrt von Austin vielfach begluckwunscht. Gleichzeitig erhohten sich die Wetten, Tom Crabbe stieg im Curs, und zwar nicht allein in Texas, sondern auch in manchen anderen Bundesstaaten, vor allen auf den Weltmarkten in Illinois, wo die Agenten ihn mit eins gegen funf, also weit hoher »placieren« konnten, als Harris T. Kymbale, den bisherigen Favoriten.
»Und schonen Sie ihn… schonen Sie ihn ja recht sorgsam! empfahlen die Leute dem John Milner. Vernachlassigen Sie nichts in der Voraussetzung, da? er eine meteoreisenfeste Gesundheit und eine Musculatur von Chromstahl habe!… Er mu? ohne Havarie am Ziele anlangen!
– Verlassen Sie sich auf mich, erklarte darauf der Traineur. In der Haut Tom Crabbe’s steckt jetzt nicht dieser, sondern John Milner.
– Und ferner, fugten die Warner hinzu, keine Seefahrt mehr, mag sie kurz oder lang sein, da die Seekrankheit geeignet erscheint, ihn leiblich und geistig aufzulosen.
– O, das Uebel ist ja nicht von Dauer gewesen, erwiderte John Milner. Doch furchten Sie nichts… zwischen Galveston und New Orleans gehen wir jetzt nicht zu Schiffe. Wir benutzen bis Ohio nur die Eisenbahn und legen wie Lustreisende taglich nur kurze Strecken zuruck… wir haben ja vierzehn Tage vor uns, nach Cincinnati zu kommen.«
Diese Stadt war es bekanntlich, die nach der Bestimmung des Testators auf dessen Karte das funfunddrei?igste Feld bildete, und Tom Crabbe uberholte damit, mit Ausnahme des Commodore Urrican, alle ubrigen Mitspieler.
Ermuthigt. gehatschelt und geliebkost von seinen Parteigangern. wurde Tom Crabbe am genannten Tage nach dem Bahnhofe begleitet, in einen Wagen gehi?t und, mit Rucksicht auf den Temperaturunterschied zwischen Texas und Ohio, sorgfaltig in Decken gehullt. Dann setzte sich der Zug in Bewegung und brauste geraden Weges der Grenze von Louisiana zu.
Vierundzwanzig Stunden ruhten die Reisenden in New Orleans aus. wo sie noch warmer als das erstemal empfangen wurden – eine Folge davon, da? sich die Cursnotiz des beruhmten Boxers immer in aufsteigender Linie bewegte. Tom Crabbe war in allen Agenturen »gesucht« und »stieg« in allen Stadten der Union. Ein Fieber war es. eine wirkliche Tollheit! Auf mindestens funfzehnhunderttausend Dollars schatzten die Zeitungen die Summen, die auf den Kopf des zweiten Partners schon bei seiner Fahrt von der Hauptstadt von Texas nach der Metropole von Ohio gesetzt waren.
»Welcher Erfolg! sagte John Milner fur sich. und welch ein Empfang wartet unser in Cincinnati!… Ein wahrer Triumphzug mu? es werden… ich habe daruber so meine Gedanken.«
Auch Barnum beruhmten Andenkens wurde gewi? den Plan John Milner’s getheilt haben, durch den dieser die Neugier des Publicums anreizen und auf Tom Crabbe lenken wollte.
Dabei handelte es sich nicht, wie man vielleicht zu glauben versucht ware, etwa darum, die Ankunft des Champions der Neuen Welt laut und mit gro?em Aufwand von Reclame anzukundigen, die besten Boxer von Cincinnati zu einem Zweikampf herauszufordern, aus dem Tom Crabbe voraussichtlich als Sieger hervorging, und dann seine Wanderfahrt fortzusetzen – obgleich John Milner nicht abgeneigt war, auch eine solche Vorstellung zu veranstalten, wenn sich dazu eine passende Gelegenheit darbote.
Er wollte sich in Cincinnati vielmehr in strengstes Incognito hullen, wollte die gro?e Menge der Spieler bis zum letzten Tage ohne Nachricht uber ihren Favoriten lassen und womoglich den Glauben erwecken, da? dieser verschwunden sei und am entscheidenden 31. jedenfalls nicht an der bestimmten Stelle erscheinen werde. Dann wollte er ihn in einer Weise wieder auftauchen lassen, da? man sein Erscheinen begru?en mu?te wie das des