westliche Theil hat auch hochst fruchtbaren Boden, der immer mehr Ackerbauer anlockt.
An diesem Tage kam Harris T. Kymbale durch wahrhaft herrliche Landschaften, denen er zu seinem Leidwesen freilich nur einen fluchtigen Blick schenken konnte. In ihm verschwand der Tourist vor dem Partner. Nach Ueberschreitung des Bergpasses des Pilot Rock ruhten Menschen und Thiere, die nicht wenig erschopft waren, in dem Flecken Jackson aus, der nicht mit den gleichnamigen Orten in den Vereinigten Staaten zu verwechseln ist… mit den vier Jackson, in Michigan. in Mississippi, Tennessee und in Ohio, oder den zwei Jacksonville, von denen das eine in Illinois. das andere in Florida, mehrere tausend Meilen von Californien, zu suchen ist. Am nachsten Tage, dem 16., nach einem letzten Reisetage, der die Pferde nicht uberma?ig angestrengt hatte, so da? sie fast bis Mitternacht in Gang bleiben konnten, erkannte der Fuhrer die Lichter von Roseburg.
Damit war die bahnlose Wegstrecke ohne Unfall, sogar ohne Zwischenfall, mit der Punktlichkeit eines Expre?zuges zuruckgelegt. Fred Wilmot erntete au?er herzlichem Dank eine gute Hand voll Dollars, und am Morgen des folgenden Tages »sprang« – der Correspondent der »Tribune« hatte dieses Wort gebraucht – Harris T. Kymbale in den ersten, nach Olympia abgehenden Bahnzug.
Mehr als vorher galt es, sich gegen die Coyotten zu wehren. (S. 406).
Dieser beruhrte die bedeutenderen Stadte und Flecken des reichen Villamettethales, Vinchester, Eugene City, Harrisburg, Albany, Salem, die wie in einen Korb mit Blumen und Grun gebettete Hauptstadt des Staates, ferner Caub und die gewerbflei?ige Stadt Oregon, wo machtige Wasserfalle den Betrieb von Papier-und Zuckerfabriken, sowie den von Spinnereien unterstutzen, endlich das funfundsiebzigtausend Einwohner zahlende Portland, wo sich der starkste Handelsverkehr von Oregon concentriert und dessen belebten Seehafen der Columbia bildet.
Endlich rollte der Zug uber diesen Strom, der Oregon von Washington trennt, und hielt auf dessen rechtem Ufer oberhalb der Vereinigung mit dem Villamette, am 18. um acht Uhr morgens, in Vancouver an.
Harris T. Kymbale hatte nun blos noch sechs Stunden Zeit, befand sich aber auch nur noch hundertzwanzig Meilen (193 Kilometer) von Olympia entfernt.
Wenn er es nicht so eilig gehabt hatte, wie gern hatte er sich ebenso Oregon, das er eben verlassen hatte, wie Washington, dessen Boden er jetzt zum erstenmale betrat, naher und grundlicher angesehen!
Oregon ist ein bluhender Staat mit dreihundertfunfzigtausend Bewohnern, so weit er auch am Ende des Bundesgebietes liegt, dem er erst 1859 angegliedert wurde und in dem er die achtzehnte Stelle einnimmt. Seine Hauptstadt ist Olympia, das die Seeschiffe mittelst des Pugetsundes anlaufen konnen; dennoch wird es bezuglich des Handelsumfanges von Seattle ubertroffen, und auch von Tacoma durch dessen Verkehr mit Japan und China; dieses letztgeborene Kind der Stadtefamilie Washingtons berechtigt auch fur die Zukunft zur besten Hoffnung.
Von Vancouver – wohl zu bemerken von der Stadt dieses Namens in Washington, nicht von der etwa hundert Meilen nordlicher liegenden des englischen Columbia – fuhr Harris T. Kymbale nun um acht Uhr morgens ab, um die letzte Strecke seiner Reise zuruckzulegen.
Jetzt war kaum noch ein Hinderni? oder eine Verzogerung zu befurchten. Nur neun Stationen waren zu durcheilen, und der Zug mu?te kurz nach elf Uhr in Olympia eintreffen. Holbroock, Waren, Kalama, Stockport, Sopenah, Chealis und Centralia waren nacheinander bald erreicht. Mit gro?er Schnelligkeit bewegte sich der Zug durch das von zahlreichen Zuflussen und Nebenarmen des Columbia bewasserte Land.
Um elf Uhr drei Minuten lief er endlich in die kleine Station Tenino ein, die von der Hauptstadt nur noch vierzig Meilen (64 Kilometer) oder wenig uber funfzehn Lieues entfernt liegt.
Hier erhielten die Reisenden eine unangenehme, fur Harris T. Kymbale geradezu verderbliche Nachricht… die Meldung von einem Unfall, den auch der sorgsame Bickhorn von der »Tribune« nicht hatte voraussehen konnen. Der Zug mu?te in Tenino stehen bleiben. Zehn Meilen von der Station war vor einer Stunde eine kleine Brucke eingesturzt und der Verkehr auf dieser Bahnstrecke damit unterbrochen.
Wenn irgendeiner, so war das ein todtlicher Schlag, von dem sich der vierte Partner vielleicht kaum erholen sollte.
»Verwunschtes Schaukelbrett, rief er, aus dem Wagen springend, du hast die Schuld, da? ich noch im Hafen umkommen mu?!«
Doch nein, vielleicht sollte er sich doch aus der Verlegenheit ziehen…
Eben traten drei junge Leute, die auch den Zug verlassen hatten, an ihn heran.
»Herr Kymbale, begann der eine, sind Sie Radfahrer?
– Ja, gewi?.
– So kommen Sie!«
Weitere Worte wurden vorlaufig nicht gewechselt. Hier galt es einen schnellen Entschlu?, wie er sich fur die praktischen Menschen in den Vereinigten Staaten schickt.
Auf Verlangen wurde nicht ein Bicycle, sondern ein Triplett aus dem Packwagen herausgegeben und auf dem Perron des Bahnhofes niedergesetzt.
»Herr Kymbale, sagte der junge Mann, der eine von uns wird Ihnen seinen Platz in der Mitte uberlassen, der andere wird sich auf den dritten Sattel setzen. ich selbst setze mich auf den vorderen, so durfte es moglich sein Olympia noch vor zwolf Uhr zu erreichen.
– Ihre Namen, meine Herren?
– Will Stanton und Robert Flock.
– Und der Ihrige, mein Herr, der Sie mir Ihren Platz einraumen wollen?…
– John Berry.
– Nun, meine Herren Stanton, Flock und Berry, ich danke Ihnen… doch jetzt vorwarts, und moge der heilige Cycle, der Schutzgott der Radfahrer, mit uns sein!«
Funfzehn Lieues in weniger als einer Stunde!… Diesen Record hatte noch kein Berufsfahrer aufgestellt.
Noch bevor sie starteten, sagte Kymbale:
»Aber, meine Herren, ich wei? gar nicht, wie ich mich abfinden soll…
– Dadurch, da? Sie gewinnen, erwiderte einfach Will Stanton.
– Wir haben auf Sie gewettet,« setzte Robert Flock hinzu.
Das Triplett, eine Maschine aus der Fabrik von Cambdon and Co. in New York, war auf siebenundzwanzig Fu? zwei Zoll ubersetzt und hatte sich bereits bei einem internationalen Wettfahren auf dem Velodrom von Chicago trefflich bewahrt. Die beruhmten Fahrer Will Stanton und Robert Flock, beide aus Washington geburtig, galten als vorzugliche Steher und waren jetzt in bester Form, also zu den gro?ten Leistungen fahig, die im Radfahrsport erwartet werden konnen. Der auf dem mittleren Sattel sitzende Harris T. Kymbale brauchte sich eigentlich nur mitnehmen zu lassen, er gedachte aber, seine Entraineurs – hier wortlich: Dahinzieher – mit all seiner Muskelkraft zu unterstutzen und flei?ig mit Pedal zu treten.
Will Stanton setzte sich also vornehin, Robert Flock sprang hinten auf und Harris T. Kymbale nahm zwischen beiden Platz. Einige hilfsbereite Personen, die die Maschine auf der Stra?e erst hielten, gaben ihr einen kraftigen Ansto?, und begru?t von drohnenden Hurrahs rollte sie pfeilschnell dahin.
Der Start war prachtig gelungen. Das fluchtige Gefahrt flog wie »ein geolter Blitz« – ein echt amerikanischer Ausdruck! – uber den gut unterhaltenen Weg, eine Sportplatzfahrbahn nur ohne Kurven, der in dem der Kuste benachbarten Theile von Washington auch sehr eben verlief. Die drei Radfahrer sprachen kein Wort; sie hielten den Mund geschlossen und zwischen den Lippen nur eine Federspule, die, ohne der Luft ein zu heftiges Eindringen in die Lungen zu gestatten, doch die Athmung durch die Nase unterstutzte.
In dieser Weise »spurteten« sie gleich vom Anfange des rasenden Rennens an. Die Rader des Tripletts drehten sich mit der Schnelligkeit einer von einem machtigen Motor angetriebenen Dynamomaschine, hier bildeten den Motor freilich drei Manner, deren zu Bleuelstangen verwandelte Beine den Apparat aus Leibeskraften vorwarts trieben. Hinter dem Triplett zog eine dichte Staubwolke her, und wenn es durch einen seichten Wasserlauf rollte, schlug das Wasser klatschend in die Hohe und fiel auf die Radkranze nieder. Der Fuhrende klingelte haufig und anhaltend, um sich freien Weg zu sichern, und die Leute auf der Stra?e stellten sich an deren Seiten auf, um die Blitzmaschine vorubersausen zu lassen.
Nach der ersten Viertelstunde waren, wie Will Stanton, der die Meilensteine des Weges im Auge behielt, ansagte, die ersten funf Lieues (19•49 Kilometer) uberwunden, und es bedurfte also nur der Einhaltung des