Stadt Nachtquartier.

4. Am Morgen des 13. in den Zug springen, der nach Norden hinausgeht, und an der Station Shasta in Obercalifornien, dreihundert Meilen (480 Kilometer) von Sacramento aussteigen. Hier unterbrechen Reparaturarbeiten die Verbindung bis zur Station Roseburg in Oregon.

5. In diesem bergigen Lande, wo Wagen nur langsam vorwarts kommen, diese Strecke von zweihundertvierzig Meilen (390 Kilometer) zu Pferde zurucklegen und spatestens am 17. bei der Station Roseburg ankommen, ein Ritt, der bei durchschnittlich funfundzwanzig Lieues in vierundzwanzig Stunden, Ruhezeiten eingerechnet, bequem in vier Tagen auszufuhren ist.

6. Am Nachmittag des 17. in Roseburg den Zug nach Olympia benutzen, der am folgenden Morgen nach einer Fahrt von dreihundertfunfzig Meilen (563 Kilometer) diese Stadt erreicht.

Nachschrift. – Harris T. Kymbale wird ersucht, keine Zeit zu verlieren und nicht zu vergessen, da? beim Journal gro?e Summen auf die gunstigen Aussichten der grunen Flagge verwettet sind.«

Die Depesche war lang, doch klar, alles beruhrend und unzweideutig. Der Empfanger hatte einfach ihren Vorschriften nachzukommen, und er wurde am Stichtage auf seinem Posten sein, um die weitere Depesche, das Ergebni? des vierten Auswurfelns, in Empfang zu nehmen. Zu hoffen blieb freilich, da? keine Verzogerungen eintraten, denn wenn diese auch nur einen halben Tag ausmachten, genugte es ja, den Erfolg der ganzen Reise zu gefahrden.

Jedenfalls wollte Harris T. Kymbale seine Aufgabe mit allem Flei?e losen. Die Nacht uber hielt er sich in Omaha nur auf, weil der nachste Zug erst am Morgen abging. Zu diesem war er am Platze und am Abend stieg er in Julesburg-Jonction aus, an der Stelle, wo die Bahnlinie, nicht weit vom South Platte River, fast die Grenze von Colorado streift.

Diesmal hatte der Journalist von seinem Weggange aus Charleston nichts verlauten lassen, um allen Huldigungen und deren zuweilen bedenklichen Folgen aus dem Wege zu gehen. In Julesburg konnte er sein Incognito freilich nicht weiter bewahren, da hier der fur ihn bestellte Wagen bei seinem Eintreffen schon auf ihn wartete.

Seine nach dem Bahnhofe zusammengestromten Parteiganger begriffen inde?, da? sie ihn unter keinerlei Vorwand aufhalten durften, da? die Stunden gezahlt seien und die Fahrt nach dem Verrufenen Lande in Nebraska in bestimmt abgemessenem Zeitraum ausgefuhrt werden musse. Sie waren also die ersten, dem Hauptberichterstatter der »Tribune« nach der Begru?ung auf dem Bahnhofe zu empfehlen, da? er sofort weiterfahren moge. Selbst ein Dutzend jener Anglo-Amerikaner, die mit Einwanderern und einer Anzahl Sioux Burger der Vereinigten Staaten geworden waren und jetzt die nebraskische Bevolkerung bilden, hatten sich schon eingerichtet, ihn zu begleiten. In Landestheilen, wo man noch manchmal mit zweibeinigen und mit vierbeinigen Raubthieren zusammentrifft, war ein solches Geleit gewi? nicht zu verachten.

»Wie es Ihnen beliebt, meine Herren, erwiderte Harris T. Kymbale, der die sich ihm entgegenstreckenden Hande druckte, doch unter der Bedingung, da? der Wagen uns alle aufnehmen kann…

– Unsere Platze darin sind vorbehalten… und wenn wir etwas zusammenrucken…« erklarte einer der begeisterten Anhanger.

Seiner Oberflache nach nimmt Nebraska in der Union die funfzehnte Stelle ein.

Der Platte oder Nebraskastrom durchzieht es von Westen nach Osten und ergie?t sich bei Platte City in den Missouri. Nahe an dessen linkem Ufer verlauft der erwahnte Theil der Union Pacificbahn bis Julesburg-Jonction. Der aufbluhende Staat betreibt mehr Landbau als Industrie, seine Bevolkerung nimmt schnell zu und seine Hauptstadt ist das tief im Innern gelegene Lincoln, das gleich im Jahre seiner Grundung zum Vorort des Staates erklart wurde. Nebraska City, funfzig Meilen (80 Kilometer) davon entfernt am Missouri gelegen, dient ihm als Hafenplatz.

Es war in der That beklagenswerth, da? Harris T. Kymbale auf dem Gebiete von Californien und von Oregon sich gezwungen sah, fur die Strecke von Shasta bis Roseburg ein Reitpferd statt eines Wagens zu benutzen. An Prairien fehlt es nicht in dem sogenannten Great Band von Nebraska, das Waren 1857 und Cole 1865 zuerst naher erforschten. Nachdem der Wagen den Platte auf einer Fahre uberschritten und das Fort Grattan hinter sich gelassen hatte, hatte man ihn nur sollen auf dem ebenen Boden hinrollen sehen. Es war ein transcontinentaler Postwagen, einer jener Overlandmails der Gesellschaft Wells und Fargo, die man fruher auf dem Bundesgebiete sehr haufig sah, eine Art lebhaft roth angestrichener Landkutsche, die in Lederriemen hing. Sie enthielt nur einen Raum mit neun Platzen, je dreien auf einer vorderen, einer mittleren und einer hinteren Bank, und hatte feste Halter an der Decke, an die sich die muthigen Reisenden anklammern konnten.

Der vierte Partner sa? nebst acht seiner Parteiganger naturlich im Innern der Kutsche. Zwei andere von den letzteren hatten auf einem au?eren Sitz hinter dem Kutschkasten, und zwei weitere auf einem solchen vor diesem neben dem Kutscher Platz genommen, der seine sechs kraftigen Pferde mit verhangten Zugeln antrieb.

Eigentliche Stra?en gab es hier nicht, nur Fahrten, die von Lastwagen gezogen waren. Auf den endlosen Ebenen, wo ohne alle Schwierigkeiten Bahngeleise gelegt werden konnen, werden Stra?en wohl auch spater kaum gebaut werden. Dann und wann traf der Wagen auf Creeks in der Nahe der Raymond-und Colelagunen, wie den Bourdman und den Niobrara River, die an seichten Stellen leicht zu durchfahren waren, und auch auf einzelne Weiler, wo Wechselpferde bereitstanden.

New-Orleans. – Die Quais.

Am Abend des 8., nach achtundvierzigstundiger, von der Witterung begunstigter Fahrt, traf der Wagen im Gebiete des Verrufenen Landes ein. Hier gab es keine Dorfer, sondern nichts als Prairien, wo die Pferde Futter im Ueberflu? fanden. Fur die Bedurfnisse Harris T. Kymbale’s und seiner Begleiter war ebenfalls reichlich gesorgt, denn die Wagenkasten enthielten eine gro?e Menge seiner Conserven und fur belegte Brodschnitte gab es Whisky und Gin mehr als genug.

Nach einer unter einer Baumgruppe verbrachten Nacht lie? man den Wagen unter der Obhut des Kutschers zuruck und stieg die ersten Abhange eines wilden Thalgrundes hinab.

William I. Hypperbone hatte wirklich sehr recht daran gethan, diese Gegend von Nebraska zum Labyrinth seines zweiundvierzigsten Feldes zu erwahlen.

Zwischen den letzten Bodenwellen der Felsenberge und in der Nahe der Black Hills zieht sich die von Coniferen erfullte, sechsunddrei?ig Meilen (60 Kilometer) breite und funfundachtzig Meilen (136 3/4 Kilometer) lange Bodensenkung hin, die bis zum Gebiete von Dakota heranreicht. Ueberall thurmen sich runde Kuppen ubereinander, die von tausend Pyramiden, Nadeln, Pinakeln und steinernen Glockenthurmen uberragt werden. Das ganze Gebiet der Bad Lands ist wirklich ein richtiges Labyrinth, das auf Tausenden von Quadratmeilen mit Schichten von thonigem oder eisenhaltigem Sandboden mit Geholzen, Saulen und prismatischen Felsenpfeilern bedeckt ist. Da und dort glaubt man Bastionen, Forts und Schlosser zu erblicken, deren rothe, backsteinahnliche Farbung sie scharf von dem durchweg wei?en Erdboden abhebt.

Von diesem Winkel Nordamerikas konnte man sagen, da? er eine Welt fur sich bildet. In vorgeschichtlichen Zeiten lebten hier auch ganze Herden von Elefanten, Mammuththieren und riesigen Mastodons, deren Skelette man noch heute entweder durch Versteinerung erhalten oder halb zu Staub zerfallen auffindet.

Es scheint eine annehmbare Hypothese zu sein, da? diese Bodensenke einstmals mit Wasser aus den Felsenbergen und den Black Hills angefullt gewesen sei, das freilich langst durch Risse in den Erdboden eingedrungen ist, denn die ganze Gegend liegt betrachtlich hoher als die Meeresflache. Nach Entleerung des Beckens ist dieses dann zum Beinhaus geworden, worin sich fossile Ueberreste in uberraschender Menge angesammelt haben.

Die Fauna der Gegenwart – die ubrigens wenig zahlreich ist, weil es hier fur Thiere arg an Nahrung mangelt – besteht aus Bisonochsen, langhaarigen Buffeln, aus Schafen mit gro?en Hornern und einzelnen graziosen Antilopen. Auf eine starkere Jagdbeute ist inde? nicht zu rechnen. Harris T. Kymbale und seine Gefahrten kamen kein einzigesmal zum Schu?. Ueberhaupt fuhrten sie Feuerwaffen weit mehr mit sich, um sich gegen umherschweifende Banden von Sioux-und Dakotaindianern zu vertheidigen oder die Angriffe von Coyolten, das sind Prairiewolfe, abzuwehren, deren heiseres Gebell in der verflossenen Nacht zu horen gewesen war.

Von einem tiefen Eindringen in die verschlungenen Gange des Labyrinths war ubrigens keine Rede. Es genugte schon, da? der vierte Partner am Eingange zu den Bad Lands in Person erschienen und da? seine Anwesenheit durch eine authentische Bestatigung erwiesen war. Man nahm sich nicht einmal die Muhe, hier ein

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