des letzten unglucklichen Wurfes gesagt hatte, war ja vollig richtig… dieser bedingte eine lange, kostspielige Reise, eine Fahrt durch die ganze Union von Nordwesten nach Sudosten; dazu kam der theure Lebensunterhalt in der reichen Stadt New Orleans und der lange Aufenthalt daselbst obendrein, da die Spielregeln verlangten, hier zu warten, bis zweimal gewurfelt war, und erst dann in die Partie wieder einzutreten.
»Vielleicht, wendete Frau Titbury ein, sendet der Zufall beizeiten einen anderen Partner dahin, der dann an unsere Stelle tritt…
– Ja, wen denn? rief Titbury, sie sind uns doch alle weit voraus?
– Konnten sie denn nicht nach Ueberschreitung des Zieles wieder zuruckgehen oder, wie der greuliche Commodore Urrican, die Partie gar von vorn anfangen mussen?«
Gewi? konnte dieser Fall sich ereignen; das Chicagoer Ehepaar hatte aber immerhin nur recht trube Aussichten.
»Und um das Ungluck voll zu machen, fuhr Titbury fort, durfen wir uns das Hotel, wo wir absteigen mochten, nicht einmal auswahlen!«
Nach den Worten: neunzehntes Feld, Louisiana, New Orleans, enthielt das unselige Telegramm thatsachlich auch noch den Zusatz: Excelsior Hotel.
Hiermit war nicht zu rechten. Ob ersten oder zwanzigsten Ranges, dieses Hotel hatte der befehlerische Verstorbene einmal als Absteigequartier vorgeschrieben.
»Wir gehen nach dem Excelsior Hotel… damit abgemacht!« begnugte sich Frau Titbury zu antworten.
Das war einmal die Art der ebenso entschiedenen wie geizigen Frau. Dennoch krankte sie nicht wenig der Gedanke an die schon erlittenen Verluste, die dreihundert Dollars Strafe, an die gestohlenen dreitausend Dollars, die bisherigen laufenden Ausgaben, an die, die sich jetzt nothwendig machten, und an solche, die die Zukunft noch mit sich bringen konnte. Die Erbschaft allein glanzte vor ihren Augen, die diese fast verblendeten.
An Zeit, sich nach seinem Posten zu begeben, konnte es dem dritten Partner eigentlich nicht fehlen… er hatte dazu ja funfundvierzig Tage ubrig. Heute war der 2. Juni, und es genugte, wenn die grune Flagge sich am 15. Juli in der Hauptstadt von Louisiana entfaltete. Jedenfalls konnte aber, wie Frau Titbury erwahnt hatte, ein anderer von den »Sieben« an dem einen oder dem anderen Tage ebendahin geschickt werden, und dann mu?ten sie eben im neunzehnten Felde verweilen, um diesem ihren Platz abzutreten. Besser war es also, seine Zeit nicht etwa in Great Salt Lake City zu verzetteln. Die Titburys beschlossen deshalb, sich sofort auf den Weg zu machen, sobald von der Fint National Bank in Chicago, Dearnborn and Monroe Streets, wo Titbury ein laufendes Conto hatte, das telegraphisch verlangte Geld eingetroffen ware.
Diese Angelegenheit beanspruchte nur zwei Tage. Am Vormittage des 4. Juni konnte Titbury bei der Bank in Great Salt Lake City funftausend Dollars erheben, die nun leider keine Zinsen mehr geben sollten.
Am 5. Juni verlie?en Herr und Frau Titbury, von niemand beachtet, Great Salt Lake City, leider auch ohne das Strickendchen, das vielleicht das Gluck zu ihren Gunsten umgestimmt hatte, wenn Bill Arrol schon gehenkt gewesen ware.
Die von den Partnern im Match Hypperbone uberhaupt vielfach benutzte Union Pacificbahn brachte sie nun durch Wyoming nach Cheyenne, und dann durch Nebraska bis nach Omaha City.
Aus Sparsamkeitsrucksichten – die Fahrt war auf den Stromdampfern billiger als auf der Eisenbahn – gelangten die Reisenden auf dem Missouri nach der Stadt Kansas, ganz wie Max Real bei seiner ersten Fahrt. Von Kansas aus erreichten sie Saint-Louis, wo Lissy Wag und Jovita Foley nicht zogern sollten, ein Unterkommen zu suchen, um hier die Zeit ihrer Gefangenschaft abzusitzen.
Von den Fluthen des Missouri auf die des Mississippi uberzugehen, das erforderte nur einen einfachen Wechsel der Schiffe. Dampfer giebt es auf diesen Stromen sehr zahlreich, und wer sich mit dem letzten Platze begnugt, kann darauf auffallend billig reisen. Versieht man sich dann an den Halteplatzen noch zu niedrigem Preise mit den nothigen Nahrungsmitteln, so lassen sich die taglichen Ausgaben noch weiter einschranken. Das thaten naturlich Herr und Frau Titbury, indem sie angesichts der spateren Kosten eines vielleicht lange dauernden Aufenthaltes im Excelsior Hotel von New Orleans jetzt so viel wie moglich knauserten.
So nahm denn der Dampfer »Black Warrior« an Bord die beiden Ehegatten auf, die er nach der Hauptstadt Louisianas befordern sollte. Dazu hatte er nur dem Laufe des »Vaters der Gewasser« zwischen den Staaten Illinois, Missouri, Arkansas, Mississippi und Louisiana zu folgen, fur die der gewaltige Strom eine mehr naturliche Grenze bildet, als die Langen-und Breitengrade, die sie an ihren anderen geodatischen Grenzen scheiden.
Es ist kaum zu verwundern, da? die prachtige Wasserader von mehr als viertausendfunfhundert Meilen (7240 Kilometer) Lange im Laufe der Zeit verschiedene Namen erhalten hat, z. B. Misi Sipi, d. h. in der Algonquinensprache »Gro?es Wasser«, ferner Rio d’El Spiritu Santo durch die Spanier; Colbert, in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, durch Cavelier de la Salle, endlich Buade durch den Forschungsreisenden Joliet, bis er unter der poetischen Feder Chateaubriand’s der Meschacebo wurde.
Diese jetzt durch die Bezeichnung Mississippi ersetzte Namenreihe hat naturlich nur ein geographisches Interesse, das Leute wie die Titburys nicht im geringsten kummerte, so wenig wie die Ausdehnung des Stromgebietes, obgleich dieses drei Millionen zweimalhunderttausend Quadratkilometer umfa?t. Fur sie war es das wichtigste, da? der Strom sie dahin beforderte, wohin sie sich zu begeben hatten. Der Fahrt sollte sich keinerlei Hinderni? bieten. Was man den »industriellen« Mississippi nennt, der schon durch zahlreiche Nebenflusse, wie Minnesota, Cedar, Turkey, Iowa, Saint-Croix, Chippewa und Wisconsin, verstarkt ist, fangt stromaufwarts von Saint-Louis in Minnesota an, und stromabwarts von den rauschenden Fallen von Saint-Antoine. In Saint-Louis selbst befinden sich die beiden letzten Brucken, die nach einem Laufe von zwolfhundert Meilen (1930 Kilometer) den Verkehr von einem Ufer zum andern vermitteln.
Langs der Grenze von Illinois glitt der »Black Warrior« an sechzig Toisen hohen Kalksteinwanden voruber, die auf der einen Seite den letzten Auslaufern der Ozarkberge, auf der andern den letzten Erhebungen von Illinois angehoren.
Von Cairo aus wechselte dieses Bild vollstandig. Hier begann die ungeheuere Alluvialebene, durch die einer der gro?ten Seitenstrome des Mississippi, der Ohio, diesem eine sehr betrachtliche Wassermasse zufuhrt. Doch trotz dieses Zuflusses und, weiter unten, der Zuflusse, die vom Arkansas und vom Rothen Flusse kommen, ist die Machtigkeit des Stromes in New Orleans, also an seiner Ausmundung in den mexikanischen Meerbusen, eine geringere, als in Saint-Louis. Das kommt daher, da? ein Theil seines Wassers von den seine niedrigen Ufer begrenzenden Bayous (nicht schiffbare Nebenflusse und Wasserbecken) aufgenommen wird. Hierdurch erscheint die sogenannte Sunk Country, das »versunkene Land«, fast vollig uberschwemmt. Es ist das eine weitausgedehnte Gegend im Westen des Stromes, die vielfach von Lagunen unterbrochen, von Sumpfen bedeckt und von langsam flie?enden oder ganz stagnierenden Gewassern durchzogen ist – eine Bodensenke, die durch das Erdbeben von 1812 entstanden zu sein scheint.
Geschickt und vorsichtig gesteuert eilte der »Black Warrior« dahin, oft zwischen wenig bestandigen Inseln, die ihre Gestalt oder gar ihre Lage verandern, worin sie durch Hochwasser und starke Stromungen beeinflu?t werden, oder die binnen wenigen Monaten erst neu entstehen, wenn eine Barre angeschwemmten Sand und Schlamm zuruckhalt. Die Schifffahrt auf dem Mississippi ist also nicht ohne ernste Schwierigkeiten, die die geschickten Lootsen von Louisiana aber glucklich zu uberwinden wissen.
Auf ihrer Fahrt kamen die Titburys an Memphis, jener bedeutenden Stadt Tennessees vorbei, wo die Neugierigen einige Stunden lang Gelegenheit gefunden hatten, sich Tom Crabbe bei dessen erster Ausreise anzusehen.
»Nach dem Excelsior Hotel kommt niemand anders als zu Wagen.« (S. 301.)
Dann tauchte auf dem Abhange eines Hugels Helena auf, jetzt noch ein Marktflecken, der sich aber bald zur Stadt auswachsen durfte, denn die Dampfer mussen hier ziemlich haufig anlegen. Weiterhin zeigte sich am rechten Ufer, nach Passierung der Arkansasmundung, eine zweite Gegend mit Bayous, Sumpfen und einem beweglichen Boden, in dem einst das Dorf Napoleon ganzlich verschwand. Wenn der »Black Warrior« bei Vicksburg, einer der wenigen gewerbthatigen Stadte am Mississippi, nicht anlegte, so lag das nur daran, da? der treulose Strom infolge einer au?ergewohnlichen Hochfluth sich jetzt ein neues Bett einige Meilen sudlich davon gebrochen hat. Dagegen ankerte der Dampfer eine Stunde lang vor Natchez, dessen Handel eine Menge Flu?schiffe beschaftigt, die nach allen Orten der Nachbarschaft verkehren. Der Mississippi wird von hier an launischer und macht viele kleinere Windungen und gro?ere Umwege, bildet ein Netz unbedeutenderer Arme, die