Vorstadt Covington gekommen, keine Wettlustigen waren hier zusammengestromt, wie fruher in Austin in Texas, und der Vorraum des Postamtes war an dem Tage leer geblieben, wo er dort erschien, um die von Meister Tornbrock an ihn aufgegebene Depesche in Empfang zu nehmen… Dank den erhaltenen zwolf Punkten uberholte Tom Crabbe aber wenigstens Max Real um drei Felder und um ein Feld selbst den Mann mit der Maske.

In seiner Eigenliebe verletzt, beleidigt durch die Haltung der Einwohnerschaft Cincinnatis und wuthend uber eine derartige Gleichgiltigkeit, verlie? John Milner das Hotel um zwolf Uhr siebenunddrei?ig Minuten und begab sich mit Tom Crabbe, als dieser seine zweite Mahlzeit verzehrt hatte, nach dem Bahnhofe. Der Zug ging ab und uberschritt. nachdem er in Columbus getheilt worden war, die vom Ohio gebildete Ostgrenze des Staates.

Pennsylvanien verdankt seinen Namen dem beruhmten englischen Quaker Penn, der gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts weite Gebietsstrecken an den Ufern des Delaware erworben hatte. Das trug sich in folgender Weise zu:

William Penn hatte von England eine bedeutende Summe zu fordern, die man ihm nicht zuruckzuerstatten wunschte. Deshalb bot ihm Karl II. zur Entschadigung einen Theil des Gebietes an, das damals im Besitz des Vereinigten Konigreiches war. Der Quaker ging darauf ein, und bald darauf, schon 1681, legte er den ersten Grund zu dem spateren Philadelphia. Bei der damals vorhandenen Bedeckung des Bodens mit ungeheueren Waldern lag es nahe, das Land Sylvana zu nennen und diesem Worte den Familiennamen Penn’s hinzuzufugen… daher Pennsylvania zu sagen.

Diese Geschichte hatte Harris T. Kymbale nebst anderen das Land betreffenden Notizen und sicherlich zur Befriedigung der Leser der »Tribune« erzahlt, wenn das Schicksal ihm eine vierzehntagige Villegiatur im pennsylvanischen Gebiete gegonnt hatte. Mit welch gewandter Feder wurde er das ubrigens Ohio recht ahnliche Land geschildert haben das die Alleghanykette von Sudwesten nach Nordosten durchzieht und damit eine gro?e Wasserscheide bildet. Er hatte dessen allgemeines Aussehen beschrieben, das die zweite Halfte seines Namens noch immer rechtfertigt, denn es tragt endlose Walder von Eichen, Buchen, Kastanien-und Nu?baumen, wie von Ulmen, Eschen und Ahornbaumen, hat Niederungen mit vielem Sassafras und Weiden, worauf sich starke Viehherden tummeln und sehr schone Pferde gezuchtet werden, die freilich, ebenso wie die von Oregon und von Kansas, das Fahrrad einst zum Aussterben bringen durfte. Er hatte mit hochtonenden, geistreichen Phrasen von den ausgedehnten Feldern erzahlt, wo der Maulbeerbaum zur Freude der Seidenzuchter frohlich gedeiht, und auch von den Weinbergen, die einen reichen Ertrag liefern. Denn wenn Pennsylvanien auch im Winter, seiner Breitenlage gar nicht entsprechend, sehr kalt ist, so hat es doch im Sommer eine fast tropische Hitze. Ferner hatte er, sich auf Zahlen stutzend, wohl von den Reichthumern des Bodens gesprochen, der so viel Steinkohle, Anthracit, Eisenerz, Petroleum-und Naturgasquellen enthalt und so freigebig, so unerschopflich ist, da? er an Stahl und Eisen mehr Tonnen liefert als die ubrigen in der Republik vereinigten Staaten zusammen. Vielleicht hatte der begeisterte Reporter endlich noch von seinen Jagden auf Elchthiere, Damwild, wilde Katzen, Wolfe, Fuchse und braune Baren erzahlt, die im Staate noch ziemlich haufig vorkommen, denn er war ein gro?er Liebhaber cygenetischer Heldenthaten.

Wir brauchen kaum hinzuzufugen, da? Harris T. Kymbale auch alle bedeutenderen Stadte aufgesucht hatte, schon um die Genugthuung zu genie?en, uberall einen lauten Empfang zu finden und die Gluckwunsche zu horen, die ihm, einem Favoriten in dem excentrischen Wettrennen, ausnahmslos zutheil wurden. Er hatte die zwei fast verwachsenen Stadte Alleghany und Pittsburg besichtigt, wo sein Mitbewerber Max Real bis zur Abreise nach Richmond eine Zeit lang verweilt hatte; er hatte einen Theil seiner Zeit der Hauptstadt des Staates, Harrisburg, gewidmet, wo vier schone Brucken den aus den Blauen Bergen herabstromenden Susquehanna uberspannen, an dem selbst wieder Metallfabriken in meilenlanger Reihe liegen. Jedenfalls hatte er sich auch nach dem weitberuhmten Friedhofe von Gettygsburg begeben, dem Schauplatze eines Kampfes im Secessionskriege, wo die Soldaten des confoderierten Heeres 1863 an demselben Tage fielen, wo sich der Mississippi dem General Grant durch die Einnahme der Festung Wicksburg offnete. Das ware ubrigens jedenfalls in Gesellschaft zahlreicher Pilger aus dem Suden wie aus dem Norden geschehen, die alljahrlich hier zusammenstromen, um den Todten unter den langen Reihen von Grabsteinen, die sich auf dieser blutgetrankten Nekropolis erheben, eine Ehrenbezeugung darzubringen. Das Gebiet des Landes enthielt auch noch manche andere, bluhende Stadte, wie Scranton, Reading, Erie am gleichnamigen See, Lancaster, Altoona, Wilkesbarre u. s. w., mit einer Bevolkerung von mehr als drei?igtausend Seelen. Endlich hatte der Hauptberichterstatter der gro?en Chicagoer Zeitung gewi? den Mont- Ours, in der Nahe des Leigththales, aufgesucht, der gegen zweihundert Meter hoch ist und wo 1827 die erste Eisenbahn erbaut wurde. Der Berg liegt ubrigens neben einer Anthracitgrube, die seit einem halben Jahrhundert in Flammen steht.

Was Max Real anginge. der die industrielle Gegend ganz und gar nicht leiden mochte, ware hier doch darauf hinzuweisen, da? er auf pennsylvanischem Gebiete so manches hubsche, seines Pinsels wurdige Landschaftsbild gefunden hatte, vor allem abwechslungsreiche und malerische Gegenden am Abhange der Alleghanys und in den Thalern des Gebirgsstockes der Appalachen.

Doch weder der erste, noch der vierte Partner waren – ein bedauerlicher Verlust fur die Nachwelt – nach dem siebenundvierzigsten Felde geschickt worden.

Von Thomas Crabbe, oder richtiger von John Milner, war keine Bethatigung eines Interesses an Natur oder Menschenwerk zu erwarten. John Milner’s Held sollte sich nach Philadelphia begeben, folglich ging er dahin, doch nirgends anderswohin. Diesmal wurde sich die offentliche Aufmerksamkeit auch nicht von ihm abwenden. Er mu?te wieder der Mann des Tages werden. Nothigenfalls wollte John Milner ihn in das rechte Licht setzen und die gro?e Stadt zwingen, sich mit einer Personlichkeit zu beschaftigen, die in den Boxerkreisen Nordamerikas eine so hervorragende Stellung einnahm.

Gegen zehn Uhr abends am 31. Mai hielt Tom Crabbe seinen Einzug in die »Stadt der bruderlichen Liebe«, wo sein Traineur und er die erste Nacht incognito verbrachten.

Am nachsten Tage wollte John Milner erst sehen, woher der Wind hier wehte. Kam dieser aus gunstiger Richtung und hatte er den Namen des beruhmten Boxers wohl schon bis zu den Delawareufern getragen?

Seiner Gewohnheit gema? hatte John Milner den Tom Crabbe im Hotel zuruckgelassen, nachdem er wegen dessen zwei Vormittagsmahlzeiten die nothige Vorsorge getroffen hatte.

Wie in Cincinnati hatte er auch hier ihre Namen nicht sogleich ins Fremdenbuch eingetragen; vorher hielt er einen Spaziergang durch die Stadt fur angezeigt. Da der Ausfall des letzten Wurfelns hier seit dem Tage vorher bekannt geworden sein mu?te, konnte er sich unterwegs leicht uberzeugen, ob sich die Bevolkerung mit der Ankunft Tom Crabbe’s beschaftigte oder nicht.

Handelt es sich darum, durch eine Stadt dritten oder vierten Ranges, also durch eine von beschranktem Umfang, zu wandern, so ist das ja in wenigen Stunden abzumachen. Das gilt aber nicht fur ein stadtisches Gemeinwesen, das unter Einrechnung der Vororte Manaynak, Germanstown, Camden und Gloucester nicht weniger als zweimalhunderttausend Hauser und elfhunderttausend Seelen zahlt. Schrag von Nordosten nach Sudwesten und dem Bett des Delaware folgend, hat Philadelphia eine Langsausdehnung von sechs Meilen (9•6 Kilometer) und eine Oberflache, die beinahe der Londons gleichkommt. Das erklart sich vor allem durch die Gewohnheit der meisten Philadelphier, Einzelhauser zu bewohnen, wahrend Riesenbauten mit Hunderten von Miethbewohnern, wie in Chicago und New York, hier hochst selten sind. Es ist die Stadt des »home« par excellence.

Die Metropole ist wirklich sehr gro?, doch auch glanzend, offen und lustig, regelma?ig gebaut und hat mehrere Hauptstra?en von hundert Fu? (30•5 Meter) Breite. Die Vorderseiten ihrer Hauser bestehen aus Backsteinen und Marmor. Schattenkuhle Gange, die noch aus dem Anfang der sylvanischen Epoche des Landes bis in die Gegenwart herubergerettet worden sind, zieren sie ebenso wie prachtvolle Gartenanlagen, Squares und Parke, darunter der Fairmount-Park, der gro?te von allen in den Vereinigten Staaten, ein Stuck Land von zwolfhundert Hektaren am Rande des Schuylkill, dessen Schluchten noch in ihrer alten Wildheit erhalten geblieben sind.

Im Laufe dieses ersten Tages konnte John Milner naturlich nur einen Theil der Stadt – es war der am rechten Delawareuser – besuchen, er begab sich dann wieder nach ihrem westlichen Theile, immer langs des Schuylkill, eines Nebenflusses des Stromes, der von Nordwesten nach Sudosten verlauft. Auf der anderen Seite des Delaware liegt New Jersey, einer der kleinen Unionsstaaten, zu dem die Vororte Camden und Gloucester gehoren, die wegen Mangels an Brucken mit der gro?en Stadt nur mittels Dampffahren in Verbindung stehen.

John Milner kam heute also nicht nach dem Mittelpunkte der Stadt, von dem die gro?en Verkehrsadern rund um das Rathhaus ausstrahlen, jenes gewaltige Bauwerk aus wei?em Marmor, das viele Millionen Dollars gekostet hat und dessen Thurm nach seiner Vollendung in der lustigen Hohe von fast sechshundert Fu? (182 Meter, der

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