verlangte Genugthuung zu geben verweigert hatte.
Als Folge dieses Gedankenganges und nachdem noch weitere verletzende Placate aufgetaucht waren, die offen darauf hinzielten, den Champion der Neuen Welt »an der Ehre zu packen«, konnte man am nachsten Tage an allen Mauern Philadelphias lesen:
Annahme der Herausforderung!
Crabbe gegen Cavanaugh!!
Die Wirkung hiervon wird man sich denken konnen.
Tom Crabbe nahm also den Handschuh auf! Tom Crabbe, jetzt an der Spitze der »Sieben«, wagte es, in einem zweiten Faustkampfe mit dem gleichen Gegner seinen guten Platz zu verlieren! Verga? er denn ganz, an welcher Partie er selbst und au?erdem viele, die auf ihn gewettet hatten, jetzt betheiligt waren?… Ja, so schien es. Uebrigens sagte sich John Milner mit Recht, da? ein gebrochener Kiefer und ein ausgeschlagenes Auge Tom Crabbe nicht hindern konnten, seine Fahrten fortzusetzen und im Match Hypperbone die fruhere Rolle zu spielen.
Der Revanchekampf sollte also stattfinden… dann aber auch je eher je lieber.
Da tauchte plotzlich ein Hinderni? auf. Da Kampfe dieser Art sogar in Amerika verboten sind, untersagte die Philadelphier Polizei den beiden Helden, unter Androhung von Geld-und Haftstrafe, gegeneinander in die Schranken zu treten. In einem Western Penitentiary eingesperrt zu sein, wo die Gefangenen gezwungen werden, irgend ein musikalisches Instrument zu lernen und dieses den ganzen Tag zu spielen – welch ein entsetzliches Concert, in dem ubrigens das leiernde Accordeon vorherrscht, mu? das ergeben! – das war gerade keine allzu harte Strafe zu nennen. Einer Haftstrafe zu verfallen, bedeutete aber die Unmoglichkeit, am bestimmten Tage weiter zu reisen, sich Verzogerungen auszusetzen, wie Hermann Titbury einer solchen in Maine beinahe zum Opfer gefallen ware.
Nun lie? sich die Sache aber doch vielleicht ausfuhren, ohne die Einmischung eines Sherifs zu furchten zu haben. Es genugte ja wohl, sich nach einem benachbarten kleinen Orte zu begeben, Schauplatz und Stunde des Zweikampfs geheim zu halten und die gro?e Frage des Championats au?erhalb Philadelphias auszufechten.
Dahin einigte man sich wirklich. Nur die Zeugen der beiden Boxer und einige in bestem Rufe stehende Liebhaber wurden uber die getroffenen Vereinbarungen unterrichtet.
Die Sache verlief dann sozusagen zwischen Berufsboxern, und wenn man davon zuruckkam, hatte sich keine stadtische Behorde mehr damit zu beschaftigen. Man wird zugestehen, da? das immerhin ein gewagter, unkluger Schritt war… wo aber die Eigenliebe einmal ins Spiel kommt, da schweigt bekanntlich die Stimme des Verstandes.
Die Kampfbedingungen wurden also festgesetzt. Da jetzt aber weitere Maueranschlage ausblieben und sich sogar das Gerucht verbreitete, die Revanche sei bis nach Vollendung des Matches verschoben worden, konnten die Leute glauben, da? jetzt kein Zweikampf stattfinden werde.
Und dennoch trafen am 9. gegen acht Uhr morgens in dem kleinen, etwa drei?ig Meilen von Philadelphia entfernten Orte Arondale eine Anzahl Herren in einem fur diesen Zweck eigens gemietheten Saale zusammen.
Photographen und Kinematographisten begleiteten sie, um der Nachwelt alle Stadien des so hochinteressanten Ereignisses aufzubewahren.
Unter der Gesellschaft befanden sich Tom Crabbe, dieser in vorzuglicher Form und bereit, seine furchtbaren Arme in Kopfhohe seines Gegners vorzusto?en, und Cavanaugh, der zwar etwas kleiner, doch ebenso breitschulterig und au?erst musculos war… zwei Kampen, fahig bis zu zwanzig oder drei?ig »Runden« zu gehen, d. h. den Faustkampf zwanzig-oder drei?igmal wieder aufzunehmen.
Als Secundanten dienten dem ersten John Milner, dem zweiten sein eigner Traineur. Liebhaber und Berufsboxer umringten die beiden, begierig den Vorsto? und die Abwehr der beiden Maschinen von vier Faustekraft zu beobachten.
Kaum sind die Arme aber zum Kampfe. bereit, da erscheint der Sherif von Arondale, Vincent Bruck, begleitet von einem Geistlichen, Hugh Hunter, dem Methodistenpfarrer des Kirchspiels, einem eifrigen Vertreiber von gleichzeitig antiseptischen und antiskeptischen Bibelausgaben. Durch eine Indiscretion benachrichtigt, eilten beide nach dem geheimen Kampfplatze, um das unmoralische, menschenunwurdige Vorhaben, der eine im Namen der pennsylvanischen, der andere im Namen der gottlichen Gesetze, zu verhindern.
Naturlich fanden sie einen recht schlechten Empfang ebenso seitens der beiden Champions wie seitens der Zeugen und der Zuschauer, die nun einmal in diesen Sport vernarrt und bei dem bevorstehenden Kampfe mit Wetten betheiligt waren.
Der Sherif und der Geistliche versuchten zu sprechen… niemand wollte sie anhoren. Sie wollten die beiden Gegner trennen… die anderen hinderten sie daran. Was konnten die Zwei auch ausrichten gegen so breitruckige, musculose Kampen, die scheinbar stark genug waren, sie mit einem Sto?e zwanzig Fu? weit uber den Boden hinzuschleudern?
Die beiden Storenfriede hatten freilich die geheiligte Amtswurde fur sich. Sie verkorperten die irdische und die himmlische Autoritat, hier fehlte ihnen aber die Unterstutzung der Polizeigewalt, die ihrem Auftreten gewohnlich Nachdruck verlieh.
Eben wollten Tom Crabbe und Cavanaugh, unbekummert um die Amtspersonen, zur Offensive und zur Defensive ubergehen.
»Halt! rief da Vincent Bruck.
– Oder nehmen Sie sich in acht!« setzte der Reverend Hunter hinzu.
Vergeblich; es erfolgten einige Fauststo?e, die aber, dank einem gewandten Zuruckweichen der Gegner, in die Luft gingen.
Da ereignete sich etwas, was geeignet war, erst die Ueberraschung und dann die Bewunderung derer, die davon Zeugen waren, zu erwecken.
Weder der Sherif noch der Geistliche waren von hohem Wuchse oder besonders kraftig gebaut; es waren zwei magere Manner von mittlerer Gro?e. Was ihnen aber an roher Kraft abging, das ersetzten sie, wie man sogleich sehen wird, durch Gewandtheit, Geschicklichkeit und Beweglichkeit.
In einem Augenblicke waren Vincent Bruck und Hugh Hunter auf die beiden Boxer zugesprungen. John Milner, der versucht hatte, den Geistlichen aufzuhalten, bekam eine meisterhafte Ohrfeige, die ihn halb bewu?tlos zu Boden streckte.
Eine Secunde spater wurde Cavanaugh mit einem Faustschlage beehrt, den ihm der Sherif aufs linke Auge versetzte, wahrend Seine Hochehrwurden gleichzeitig Tom Crabbe das rechte Auge fast aus dem Kopfe schlug.
Die beiden Berufskampfer wollten ihre Angreifer zu Boden hammern; diese aber wichen ihrem Angriff, sich duckend und mit Affengeschwindigkeit hin und her springend, aus und entgingen auch den bestgezielten Streichen.
Von diesem Augenblick an – zu verwundern war es ja nicht, denn der Vorgang spielte sich vor einem Parquet von Sachkennern ab – ertonten laute Beifallsrufe, kraftige Hurrahs und Hipps nur noch fur Vincent Bruck und Hugh Hunter.
Kurz, der Methodist erwies sich au?erordentlich methodisch in seiner Weise, nach allen Regeln der Kunst vorzugehen, so da? er, nachdem er Tom Crabbe zum Einaugigen gemacht hatte, diesen auch noch zum Blinden machte, indem er dessen linkem Auge eine ebenso unsanfte Behandlung wie dem rechten angedeihen lie?.
Endlich zeigten sich auch mehrere Polizisten auf der Buhne, und nun erschien es am rathsamsten, schnell Fersengeld zu geben.
In dieser Weise endigte der denkwurdige Kampf zum Vortheil und zur Ehre eines Sherifs und eines Geistlichen, die ihn im Namen des Gesetzes und der Religion ausgefochten hatten.
Mit einer geschwollenen Wange und einem blaurothen Auge geleitete John Milner seinen Tom Crabbe nach Philadelphia zuruck, wo sich beide in ihrem Zimmer einschlossen und in Erwartung der nachsten Depesche ihre Schande verbargen.