werden!«
Gleichzeitig fiel sein Blick auf eine Art Placat in goldener Umrahmung, das uber alles, was das Hotel seinen Gasten bot, Aufschlu? gab und auch die Stunden der Tafel fur die bezeichnete, die es nicht vorzogen, auf dem eigenen Zimmer zu speisen.
Das dem dritten Partner angewiesene Zimmer war mit Nr. 1 und mit einer Tafel bezeichnet: »Reserviert fur die Partner im Match Hypperbone von der Excelsior Hotel Company« – war, darauf zu lesen.
»Klingle einmal, Hermann,« sagte da Frau Titbury.
Kaum hatte dieser gehorsam auf den Knopf gedruckt, da erschien bereits ein Herr in schwarzem Anzug und mit blendend wei?er Cravatte in der Thure des Salons.
In gewahlter Rede entbot er den beiden Gatten zunachst die Gru?e und den Dank der Excelsior Hotel- Gesellschaft und ihres Directors fur die Ehre, einen der liebenswurdigsten Theilnehmer an dem gro?en nationalen Spiele beherbergen zu durfen. Da dieser nebst hochgeehrter Frau Gemahlin einige Zeit in Louisiana und speciell in New Orleans zu verweilen hatte, habe man sich bemuht, ihm den Aufenthalt hier so angenehm wie moglich zu machen und fur interessante Zerstreuung zu sorgen. Der gewohnten Hausordnung nach, wenn es ihnen gefiele, ihr zu folgen, wurde der Morgenthee fruh um acht serviert, das Fruhstuck um elf, der Lunch um vier, die Hauptmahlzeit um sieben und der Abendthee um zehn Uhr eingenommen. Dabei konne man zwischen englischer, franzosischer und amerikanischer Kuche wahlen. Der Keller berge nur auslandische Weine erster Gute. Den ganzen Tag uber stehe dem gro?en Banquier von Chicago
»Und das kostet? fragte Herr Titbury barsch.
– Hundert Dollars.
– Fur den Monat?…
– Nein, fur den Tag.
– Und jedenfalls fur die Person? setzte Frau Titbury in einem Tone hinzu, in dem Ironie und Zorn um den Vorrang stritten.
– Ganz recht, Madame; diese Preise sind auch nur so annehmbar festgestellt worden. weil die Zeitungen berichteten, da? der dritte Partner und Mistre? Titbury sich eine langere Zeit im Excelsior Hotel aufhalten wurden.«
In diese Falle hatte das Mi?geschick also das ungluckliche Ehepaar verlockt – anderswohin zu gehen, war ihm verwehrt – selbst Frau Titbury allein konnte sich nicht wohl nach einem einfacheren Gasthause begeben. Das war das von William I. Hypperbone erwahlte Hotel, und niemand wird sich daruber wundern, da er selbst ein Hauptactionar desselben war. Ja, zweihundert Dollars taglich fur das Ehepaar, sechstausend Dollars fur drei?ig Tage, wenn die Gaste einen ganzen Monat in dieser Hohle wohnten.
Hier galt es aber, sich wohl oder ubel zu unterwerfen. Das Excelsior Hotel aufgeben, hie? die Partie aufgeben, an deren Vorschriften nicht zu deuteln war. Es ware gleichbedeutend mit dem Verzicht auf jede Hoffnung, durch die mogliche Ererbung der Millionen des Heimgegangenen die bisherigen Unkosten ersetzt zu sehen.
Der Haushofmeister hatte sich eben mit weltmannischer Verbeugung zuruckgezogen.
»Vorwarts! polterte Titbury heraus. Das Reisegepack her und zuruck nach Chicago! Hier bleib’ ich keine Minute langer… Die Stunde zu acht Dollars!…
– Seh’ mir einer!« antwortete die eigenwillige Matrone.
Die Stadt des Halbmondes – so nennt man die Hauptstadt Louisianas, die 1717 an einer Biegung des sie im Suden begrenzenden Stromes gegrundet wurde, saugt sozusagen ganz Louisiana auf. Die anderen Gemeinwesen des Staates, Baton-Rouge, Donadsonville und Shreveport zahlen elf-bis zwolftausend Einwohner. Funfzehnhundertvierundsiebzig Lieues (2237 Kilometer) von New York und funfundvierzig (176 Kilometer) von der Mississippimundung gelegen, vereinigen sich hier neun Bahnlinien und funfzehnhundert Dampfer vermitteln den Verkehr auf den Verzweigungen des Stromes. Da es die Stadt seit dem 18. April 1862 mit den Confoderierten hielt, wurde sie vom Admiral Farragut sechs Tage lang bombardiert und fiel darauf dem General Butler in die Hande.
In dieser Gro?stadt von zweihundertzweiundvierzigtausend Einwohnern vielfach gemischten Blutes, wo den Schwarzen zwar alle politischen Rechte gewahrt sind, doch keine gesellschaftliche Gleichstellung zuerkannt ist, in diesem Rassengemisch von Franzosen, Spaniern, Englandern und Anglo-Amerikanern, in der Metropole eines Staates, der zweiunddrei?ig Senatoren und neunzig Deputierte zu wahlen hat und im Congre? durch vier Mitglieder vertreten wird, hier, wo sich inmitten von Baptisten, Methodisten und Episkopalen ein katholischer Bischofssitz befindet, hier im Herzen von Louisiana sollte nun das aus seinem Hause in Chicago so unerwartet herausgerissene Titbury’sche Ehepaar ein Leben fuhren, von dem es sich fruher auch nicht das geringste hatte traumen lassen. War es aber, da ein unseliges Geschick es einmal so wollte – abgesehen von der etwaigen Ruckkehr nach Hause – nicht das Beste, fur sein Geld nun auch etwas haben zu wollen? So dachte wenigstens der weibliche Theil des Paares.
Tag fur Tag fuhren sie also in ihrer prachtigen Equipage stolz spazieren. Eine larmende Menge begleitete sie mit spottischen Hurrahs, denn jedermann kannte die Leute als Knicker, die sich weder in Great Salt Lake City noch in Calais Sympathie zu erwerben vermocht hatten, wie es in Chicago ja auch nicht anders der Fall war. Immerhin! Sie kummerten sich darum nicht, und nichts hinderte sie, sich trotz allen Mi?geschickes fur die gro?en Favoriten des Matches zu halten.
So zeigten sie sich – zu Wagen – in den Wards des Nordens, in den Vorstadten Lafayette, Jefferson und Carrolton, den eleganten Quartieren mit glanzenden Hotels, Villen und Landhausern, die unter dem grunen Dache von Orangenbaumen, Magnolias und anderen bluhenden Baumen halb verborgen lagen, und ebenso erschienen sie auf dem Lafayette-und dem Jacksonplatze.1
Ein andermal lustwandelten sie auf dem festen, funfzig Toisen breiten Damm, der die Stadt gegen Ueberschwemmung schutzt, auf den Quais, an denen gro?e und kleine Dampfer, Schleppschiffe, Segelfahrzeuge und Kustenfahrer in vier Reihen lagen und von wo jahrlich bis zu siebzehnhunderttausend Ballen Baumwolle ausgefuhrt werden. Wer sich uber diese Menge wundert, bedenke, da? der Handelsumsatz von New Orleans sich auf zweihundert Millionen Dollars belauft.
Brucke von Saint-Louis uber den Mississippi.
Ebenso sah man das Ehepaar in den Vororten Algiers, Gretna und Mac Daroughville, wohin man mittelst Ueberfahrt nach dem linken Ufer gelangt und wo die meisten Fabriken, Werkstatten und Lagerhauser liegen.
In ihrem pomphaften Wagen lie?en sie sich ferner durch die langen, eleganten Stra?en fahren, die jetzt Ziegel-und Werksteinbauten umsaumen, welche an Stelle durch wiederholte Feuersbrunste zerstorter holzerner Hauser getreten sind, und mit Vorliebe rollten sie durch die Konigs-und Saint-Louisstra?e dahin, die das franzosische Viertel rechtwinkelig durchschneiden. Hier bewunderten sie die reizenden Wohnstatten mit grunen Persiennes, mit ihren von Springbrunnen belebten Hofen, die mit den herrlichsten Blumenbeeten geschmuckt sind.
Dann beehrten sie mit ihrem Besuche wieder das Capitol an der Ecke der genannten Stra?en, ein altes Gebaude, das im Burgerkriege zum Parlamentspalaste umgestaltet wurde und worin die Senatoren und Deputierten tagen. Fur das Hotel Saint-Charles, eines der bedeutendsten der Stadt, hatten sie dagegen nur ein Gefuhl von Verachtung, das ja bei Gasten des unvergleichlichen Excelsior Hotel ganz erklarlich erscheint.
Gelegentlich besichtigten sie den architektonisch hervorragenden Universitatspalast, die rein gothische Kathedrale, das Zollhaus und die sogenannte Rotunde mit ihrem ungeheueren Saale. Hier findet der Bucherfreund eine reiche Auswahl von Lesestoff, der Flaneur einen Promenadenweg unter den offenen Galerien, der Speculant in Werthobjecten und Staatspapieren eine immer belebte Borse, wo die Makler der Agenturen fieberhaft umherschwarmten und die so oft wechselnden Curse der Theilnehmer am Match Hypperbone mit gellender Stimme ausriefen.
Dazwischen unternahmen sie auf ihrer eleganten Dampfyacht Ausfluge auf dem stillen Gewasser des Ponchartrainsees und bis nach den Mundungen des Mississippi.