– Nun also, wir haben einfach baldigst bis Chicago weiterzufahren, in unsere Wohnung zuruckzukehren und unsere Platze im Magazin des Herrn Marshall Field schleunigst wieder einzunehmen. Ware das nicht das klugste?

– Sehr klug und weise, meine Liebe!… Und doch – ich kann’s einmal nicht andern – mochte ich lieber stocktaub werden, als auf die Stimme der Klugheit horen!

– Das ist die reine Thorheit…

– Ja, ich gesteh’ es ja, ich bin thoricht, bin es, seit diese Partie begonnen hat, und werde es bis zu ihrem Ausgange bleiben…

Jovita Foley fuhr vor Freude wie ein Feuerwerkskorper in die Hohe. (S. 412.)

– Ich bitte Dich, fur uns ist sie ja schon zu Ende, Jovita, ganz zu Ende!

– Wer kann das wissen?… Ich gabe gleich zehn Jahre meines Lebens darum, jetzt einen Monat alter zu sein!«

Solche zehn Jahre hatte sie bereits bei der oder jener Gelegenheit so haufig versprochen, da? sie, zusammengerechnet, schon hundertdrei?ig Jahre ihres Lebens fur nichts und wieder nichts verschleudert hatte.

Hegte Jovita Foley also wirklich noch eine Spur von Hoffnung? Jedenfalls verstand sie, bei Lissy Wag, die die Schwachheit hatte, auf sie zu horen, es schlie?lich durchzusetzen, da? die Partie nicht aufgegeben wurde. Beide wollten einige Tage in Louisville verweilen. Sie hatten ja, sich nach Missouri zu begeben, die Zeit vom 6. bis zum 20. Juni noch vor sich.

So begruben sie denn ihren Kummer in einem bescheidenen Gasthause Louisvilles… wenigstens Jovita, denn deren Gefahrtin hatte sich schnell getrostet, da sie an einen schlie?lichen Erfolg niemals geglaubt hatte.

Der 7., 8. und 9. Juni verstrichen ohne eine Aenderung ihrer Lage, und Lissy Wag bat so dringend, nach Chicago heimzukehren, da? Jovita Foley schon zustimmte.

Die Zeitungen – sogar der »Chicago Herald«, der die funfte Partnerin sonst immer vertreten hatte – »schnitten« sie jetzt in fast beleidigender Weise. Voller Wuth durchflog Jovita Foley die Zeitungen und zerri? sie dann mit der Hand, um nicht zu sagen, mit fieberhafter Kralle. Lissy Wag »zahlte« in den Agenturen gar nicht mehr, ihr Curs war auf Null, ja noch darunter gesunken.

Am Morgen des 8. hatten die beiden Freundinnen erfahren, da? der Commodore Urrican neun Augen – sechs und drei – erhalten hatte, wodurch er mit einem Sprunge nach Wisconsin, dem sechsundzwanzigsten Felde kam.

»Der hat die letzte Scharte schnell ausgewetzt!« rief die ungluckliche Jovita.

Am 10. meldete der Telegraph dann weiter, da? der Mann mit der Maske durch zehn Augen nach Minnesota, nach dem einundfunfzigsten Felde, versetzt worden war.

»O, der… der hat die gunstigsten Aussichten, sagte sie, er wird es sein, der die Millionen des verruckten Hypperbone einsteckt!«

Man erkennt, da? der excentrishe Verstorbene in ihrer Werthschatzung arg verloren hatte, seit der Wurfelfall ihre Lissy Wag zur Gefangenen gemacht hatte.

Endlich waren sie ubereingekommen, da? die beiden Freundinnen noch am Abend nach Chicago zuruckreisen wollten. Obgleich die Louisviller Zeitungen bekannt gegeben hatten, in welchem Gasthause Lissy Wag und Jovita Foley abgestiegen waren, ist es wohl uberflussig, zu sagen, da? ihnen hier kein einziger Reporter seine Aufwartung gemacht hatte. Das befriedigte zwar die eine von ihnen, argerte aber die andere gewaltig, weil es, wiederholte sie mehrmals mit zusammengepre?ten Lippen, »aussah, als existirten wir beide gar nicht mehr!«

Es stand inde? in den Sternen geschrieben, da? sie doch noch nicht nach der Metropole von Illinois abreisen sollten. Ein ganz unerwarteter Umstand eroffnete ihnen zunachst wenigstens einige Aussicht auf fernere Betheiligung an dem Match, auf die sie bei Nichtzahlung des Einsatzes hatten verzichten mussen.

Gegen drei Uhr nachmittags erschien ein Brieftrager im Hotel und begab sich nach dem Zimmer der beiden Freundinnen.

»Fraulein Lissy Wag? fragte er, als sich die Thur geoffnet hatte.

– Das bin ich, antwortete das junge Madchen.

– Ich habe einen Geldbrief an Ihre Adresse; wollen Sie gefalligst den Empfang bescheinigen…

– Geben Sie den Brief nur mir,« meldete sich Jovita Foley, der das Herz zum Zerspringen heftig klopfte.

Nach Empfangnahme der Quittung zog sich der Brieftrager zuruck.

»Was ist also in diesem Briefe? sagte Lissy Wag.

– Geld, Lissy…

– Wer kann uns das schicken?…

– Wer?… Das wollen wir gleich sehen,« erklarte Jovita Foley.

Damit erbrach sie schon die Siegel des Umschlags und zog daraus einen Brief hervor, der ein zusammengefaltetes Papier enthielt.

Der Brief hatte folgenden Wortlaut:

»Inliegend ein Check uber dreitausend Dollars auf die Bank von Louisville, den Mi? Lissy Wag gefalligst, um ihren Einsatz zu bezahlen, annehmen moge von

Humphry Weldon.«

Jovita Foley fuhr vor Freude wie ein Feuerwerkskorper in die Hohe. Sie sprang umher, lachte zum Ersticken, tanzte, da? sich ihre Kleidung aufbauschte und rief immer und immer wieder:

»Ein Check… ein Check uber dreitausend Dollars! Das ist der ehrenwerthe Herr, der uns aufsuchte, als Du krank warst, meine Liebe! Der ist von Herrn Weldon!…

– Ich wei? aber nicht, wendete Lissy Wag ein, ob ich ihn annehmen kann, ihn annehmen soll…

– Ob Du es kannst… ob Du es sollst?… Begreifst Du denn nicht, da? Herr Weldon gro?e Summen auf Dich verwettet hat?… Er hat es uns ja selbst angedeutet, und er wunscht offenbar, Dich die Partie fortsetzen zu sehen. Wahrlich, trotz seines respectablen Alters, den heiratete ich auf der Stelle, wenn er mich nur haben wollte!… Schnell, la? uns den Check auf der Bank vorlegen!«

Das geschah denn auch, und Lissy Wag bekam den Betrag ohne weiteres ausgezahlt. Dem wurdigen, vortrefflichen, hochachtbaren Humphry Weldon zu danken, war unmoglich, da die jungen Madchen seine Adresse nicht kannten.

Noch am namlichen Abend verlie?en sie Louisville. ohne gegen jemand den so zur rechten Zeit erhaltenen Brief zu erwahnen, und am nachsten Tage, dem 11., trafen sie in Saint-Louis ein.

Recht uberlegt, blieb die Lage Lissy Wag’s im Match noch immer eine hochst unsichere, da fur sie so lange nicht gewurfelt wurde, als nicht ein anderer Partner sie im zweiundfunfzigsten Felde ersetzte. Das konnte aber nicht lange ausbleiben – wenn man der so vertrauensseligen, ja allzu vertrauensseligen Jovita Foley glauben durfte – und jedenfalls war Lissy Wag vorlaufig nicht wegen mangelnder Entrichtung des Einsatzes von der Partie ausgeschlossen.

Beide weilten also jetzt im Staate Missouri, an den keiner der »Sieben« ohne heimliches Schaudern dachte. Wie erklarlich, fuhlte sich auch keiner von den zwei Millionen siebenmalhunderttausend Einwohnern des Staates gerade geschmeichelt, da? William I. Hypperbone sich erlaubt hatte, diesen zum Gefangni? in dem Edlen Vereinigte Staatenspiele zu bestimmen. Au?er zahlreichen Farbigen wohnen hier auch viele Deutsche, und diese sind ja bekanntlich etwas empfindlicher Natur.

Missouri ist einer der wichtigsten Staaten der amerikanischen Republik, seiner Gro?e nach zwar nur der siebzehnte, seiner Bevolkerungszahl nach aber der funfte, und seiner Ausbeute an Zink nach gar der erste. Im Suden und Westen nur durch Langen-und Breitengrade begrenzt, stromen im Norden und Osten von ihm der Mississippi und der Missouri, die sich oberhalb von Saint-Louis an der Ecke vereinigen, wo sich die kleine Stadt Columbia erhebt. Man kann sich leicht vorstellen, wie gunstig diese beiden Wasserstra?en den Handel der Metropole, die Ausfuhr von Getreide und Mehl, die von Hanf, der hier im Gro?en angebaut wird, und die Aufzucht von Schweinen und Hornvieh beeinflussen mussen. An Metallen, vor allem an Blei-und Zinklagern, fehlt es ihm auch nicht. In der Grafschaft Washington erheben sich die Iron Mountains (Eisenberge) und der Pilot Kirol,

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