uber Blitze verfugen … Don Rumata, ich brauche dringend Blitze, um damit Festungsmauern zu zertrummern.«

Rumata seufzte tief. Nach seiner wunderbaren Errettung mit dem Hubschrauber hatte Arata unablassig Erklarungen gefordert. Rumata hatte schon fruher versucht, von sich zu erzahlen, er zeigte ihm sogar einmal die Sonne am nachtlichen Himmel – einen winzigen, kaum erkennbaren Stern. Aber der Rebell verstand nur eines: Die verfluchten Pfaffen haben recht, hinter der Himmelsmauer leben tatsachlich die Gotter, allwissend und allmachtig. Und seit dieser Zeit fuhrte jedes Gesprach mit Rumata auf dasselbe hinaus: Gott, da du nun einmal existierst, verleih mir deine Kraft, denn das ist das Beste, was du tun kannst. Und jedes Mal schwieg sich Rumata aus oder lenkte das Gesprach auf etwas anderes. »Don Rumata«, sagte der Meuterer, »warum wollt Ihr uns nicht helfen?«

»Einen Augenblick«, sagte Rumata. »Ich bitte um Verzeihung, aber ich wollte wissen, wie du ins Haus gekommen bist?«

»Das ist nicht so wichtig. Niemand au?er mir kennt diesen Weg. Lenkt mich nicht ab, Don Rumata. Warum wollt Ihr uns nicht Eure Kraft verleihen?«

»Daruber werden wir nicht sprechen!«

»O doch, wir werden daruber sprechen. Ich habe Euch nicht gerufen. Ich habe noch nie von jemandem etwas erbettelt. Ihr seid selber zu mir gekommen. Oder wolltet Ihr Euch blo? ein wenig amusieren?« Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein, dachte Rumata.

Geduldig sagte er: »Du verstehst mich nicht. Ich habe zwanzigmal versucht, dir zu erklaren, da? ich kein Gott bin – und du hast mir nicht geglaubt. Und du wirst nicht verstehen, warum ich dir nicht mit Waffengewalt helfen kann …«

»Habt Ihr Blitze?«

»Ich kann dir den Blitz nicht geben.«

»Das habe ich schon zwanzigmal gehort«, sagte Arata. »Jetzt mochte ich wissen: Warum?«

»Ich sage dir noch einmal: du wirst es nicht verstehen.«

»So versucht doch noch einmal, es mir zu erklaren.«

»Was willst du mit den Blitzen tun?«

»Ich verbrenne die vergoldete Brut wie die Wanzen, alle bis auf den letzten Mann, ihre ganze verdammte Sippschaft bis zum zwolften Nachkommen. Ich fege ihre Festungen vom Antlitz der Erde hinweg. Ich verbrenne ihre Armeen und alle, die sie verteidigen oder unterstutzen. Ihr konnt beruhigt sein – Eure Blitze werden nur dem Guten dienen, und wenn dann auf der Erde nur die befreiten Sklaven zuruckbleiben und uberall der Friede herrscht, werde ich Euch Eure Blitze zuruckgeben und Euch nie mehr darum bitten.« Arata verstummte, er atmete schwer. Sein Gesicht war finster vom Blut, das ihm in den Kopf geschossen war. Offenbar sah er schon die in Flammen stehenden Herzogtumer und Konigreiche vor sich und die angekohlten Leichen zwischen den Brandruinen und die riesigen Armeen der Sieger, wie sie triumphierend brullten: »Freiheit! Freiheit!«

»Nein«, sagte Rumata. »Ich werde dir den Blitz nicht geben, das ware ein Fehler. Versuch mir zu glauben, ich sehe weiter als du …« Arata lie? den Kopf auf die Brust sinken. Rumata knackte mit den Fingern. »Ich sage dir nur einen Grund. Er ist zwar unbedeutend im Vergleich zum hauptsachlichen Grund, aber dafur wirst du ihn verstehen. Du spruhst zwar von Leben, wackerer Arata, aber auch du bist sterblich. Und wenn du umkommst und der Blitz in andere Hande gerat, die schon nicht mehr so rein sind wie die deinen, so ist der blo?e Gedanke daran, wo das enden kann, schrecklich …« Lange Zeit schwiegen sie beide. Dann holte Rumata aus seiner Reisetasche einen Krug Estorischen und etwas zum Essen und stellte es vor den Gast hin. Ohne den Kopf zu heben, begann Arata schweigend das Brot zu brechen und Wein dazu zu trinken. Rumata uberkam ein merkwurdiges Gefuhl von krankhafter Spaltung. Er wu?te, da? er im Recht war, aber nichtsdestoweniger erniedrigte ihn dieses Bewu?tsein vor Arata. Arata war ihm irgendwie uberlegen, aber nicht nur ihm, sondern allen, die ungerufen auf diesen Planeten kamen und voll ohnmachtigen Mitleids das Brodeln seines Lebens von den abgesonderten Hohen leidenschaftsloser Hypothesen und einer fremden Moral herab beobachteten. Und zum erstenmal dachte Rumata: Nichts kann man ohne Verlust erwerben – wir sind unendlich viel starker als Arata in unserem Reich des Guten, aber unendlich schwacher als er in seinem Reich des Bosen … »Ihr hattet nicht vom Himmel herabsteigen sollen«, sagte plotzlich Arata. »Geht zuruck. Ihr schadet uns hier nur!«

»Nein, nein«, sagte Rumata. »Wir fugen niemandem Schaden zu.«

»Doch, Ihr schadet uns. Ihr flo?t uns unbegrundete Hoffnungen ein …«

»Wem?«

»Mir. Ihr habt meinen Willen geschwacht, Don Rumata. Fruher habe ich mich nur auf mich selber verlassen, aber jetzt habt Ihr es so gemacht, da? ich Eure Kraft in meinem Rucken spure. Fruher habe ich jeden Kampf so gefuhrt, als ob es mein letzter ware. Aber jetzt bemerke ich, da? ich mich fur andere Kampfe schone, die die entscheidenden sein werden, weil Ihr daran teilnehmt … Geht weg von hier, Don Rumata, kehrt zuruck zu Euch in den Himmel, und kommt nie mehr zuruck. Oder aber gebt uns Eure Blitze oder wenigstens Euren eisernen Vogel oder zieht zumindest Euer Schwert und seid unser Anfuhrer.«

Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×