umher, in den Cafes warteten die Passagiere auf ihre Fluge, vor den Check-in-Schaltern bildeten sich kurze Warteschlangen. Es gab au?ergewohnlich viele Militars, fur sie war ein Teil der Halle abgesperrt. Dort verloren sie sich in einer einheitlich graugrunen, schwankenden Masse.

Worauf wartete Stasj?

Auf die Landung der Eingreiftruppe des Imperiums?

Aber das wird ein blutiges Gemetzel und keine Rettung fur uns. Inej ist zum Krieg bereit. Die Manner und Frauen wurden kampfen, die Kinder kratzen und bei?en, die gelahmten Alten die Soldaten mit Fluchen uberhaufen. Das ware keine Rettung fur uns.

Worauf nur wartete Stasj?

Ich schaute ihn von der Seite an, selbstverstandlich ohne ihm diese Frage zu stellen. Stasj war als Einziger von uns mit Handschellen gefesselt. Nicht mit modernen Magnetfesseln, sondern mit normalen metallenen mit einer Kette zwischen den Schellen. Das storte ihn ubrigens uberhaupt nicht. Er unterhielt sich leise mit Semetzki, der seinen Rollstuhl fuhr. Die Wachter beobachteten sie, griffen jedoch nicht in das Gesprach ein.

Nachdem wir den Wartesaal verlassen hatten, gingen wir noch eine ganze Zeit durch Korridore im Dienstbereich des Kosmodroms. Hier begegneten wir auffallend vielen Militarangehorigen. In einem Saal, an dem wir vorbeigingen, waren die Soldaten wie die Sprotten zusammengepresst. Sie sa?en auf dem Boden und hielten lange Strahlenkarabiner alter Bauart in den Handen. Durch die weit geoffneten Turen schlug uns der saure Geruch von Schwei? entgegen, die Ventilation war uberfordert. Als ob sie hier schon seit Tagen sitzen wurden!

Und trotzdem war auf den Gesichtern der Soldaten ein ernstes, gefestigtes und erhabenes Gefuhl zu sehen.

Wie konnen die Soldaten des Imperiums gegen Millionen von Fanatikern kampfen?

»Tikkirej, hast du keine Angst?«, fragte mich Stasj.

Ich schuttelte den Kopf.

»Fruher einmal hatte ich gro?e Angst vor dem Tod«, sagte Stasj. »Eigentlich nicht vor dem Tod an sich… irgendwie hatte ich immer die Vorstellung eines Friedhofs im Winter: kalter Wind uber eisiger Erde, die nackten Zweige der Baume und niemand in der Nahe. Kein Mensch, kein Vogel, kein Tier. Unheimlich. Ich hatte sogar beschlossen, um meine Beerdigung auf einem warmen Planeten zu bitten… wenn etwas zum Beerdigen ubrig blieb. Zum Beispiel auf Inej.«

»Ist Inej etwa ein warmer Planet?«, wollte ich wissen. Als ob das von Bedeutung ware!

»Sehr sogar. Dort gibt es keinen Frost. Der Planet erhielt diesen Namen wegen seines Anblicks aus dem All: Infolge der Besonderheit des Klimas sind die Wolken auf Inej lang und dunn, fedrig, als ob der gesamte Planet mit Reif bedeckt ware. Das klingt lustig, oder?« Nach kurzem Schweigen fuhr er fort: »Aber jetzt denke ich, dass Neu-Kuweit keinen Deut schlechter ist.«

»Stasj, warum belastest du den Jungen damit!«, fragte Semetzki vorwurfsvoll.

»Wir nehmen Abschied«, erwiderte Stasj ruhig. »Tikkirej, ich mochte, dass du verstehst, dass einem jeden das Leben mit unterschiedlichem Ma? zugemessen wird. Aber die Moglichkeit, seinen Tod zu wahlen, gibt das Leben einem jeden. Vielleicht ist das wichtig.«

Schweigend schritten wir weiter. Ich wollte Stasj anfassen, befurchtete jedoch, dass seine Handflache kalt wie Eis sein wurde.

Endlich betraten wir einen Saal und die Wachter blieben stehen.

Ein eigenartiger Ort. Ich hatte erwartet, dass wir in ein Krankenzimmer gebracht wurden, da Ada Schnee verwundet war. Oder in ein Office.

Das hier war ein Mittelding zwischen Werkhalle und Labor. Balken und Krane unter der Decke, Metallgitterbrucken uber gigantischen Kesseln und Becken. Riesige Drehbanke, zwar abgeschaltet, aber trotzdem seltsame Gerausche von sich gebend. Ich konnte mir gut vorstellen, wie sie bei der Arbeit drohnten.

»Unterhaltsam«, meinte Stasj. »Das ist ein Werk zur Aufbereitung atomarer Brennstabe. Herrgott, werden wir ein Drama aus dem Arbeitsleben zu sehen bekommen?«

Die Wachter antworteten nicht. Es schien ganz so, als waren auch sie uber den Ort, an den sie uns gebracht hatten, erstaunt.

»Bringt sie her«, ertonte eine Stimme aus dem Hindergrund. Die bekannte Stimme von Oma Ada.

Unter Bewachung gingen wir zwischen den Drehbanken und Kesseln entlang. Um uns herum drohnte, klopfte und schrillte es — die abgeschalteten Gerate fuhrten ihr eigenes Leben weiter. Semetzkis Rollstuhl schepperte uber den Gitterboden und fugte der ganzen Sinfonie eine verwegene Note hinzu.

Danach nahmen wir eine gewundene Auffahrt zu einer Metallplattform direkt unter der Decke, bei den verschlafen herumhangenden Kranen.

Ada Schnee sah unverandert aus, als ob ihr mein Treffer kaum Schaden zugefugt hatte, war nach wie vor in Jeansanzug und Schuhen mit hohen Plateausohlen gekleidet, trug aber an Stelle des Kopftuchs einen schwarzen Turban, der die grauen Haare zusammenhielt. Sie sah allerdings etwas blass aus. Und ihre linke Schulter wirkte aufgeblaht, war verbunden und in ein Regenerationskorsett gesteckt, das aus ihren Sachen herausschaute.

Ada Schnee war nicht allein. Neben ihr stand Alla Neige! Jetzt war zu erkennen, wie ahnlich die beiden einander waren. Hinter dem Rucken der Frauen sah ich zwei junge Manner. Zuerst hielt ich sie fur Leibwachter, aber dann…

Dann ging ein Frosteln durch mich. So also werde ich mit drei?ig Jahren aussehen! Mit Blastern in der Hand standen zwei mannliche Klone von Oma Ada auf der Plattform. Der eine lachelte mir zu, der andere nickte. Ich wandte die Augen ab. Es war gruselig, sie anzusehen.

»Der Phag wird gefesselt«, befahl Schnee. »Dem alten Kruppel nehmt ihr das Kabel fur den Neuroshunt weg. Die Ubrigen konnen sich frei bewegen.«

Der Befehl war schnell ausgefuhrt. Stasj, der sich leicht dagegen straubte, wurde an das Metallgelander am Rande der Plattform gefesselt, indem die Handschelle an der linken Hand gelost und ans Gelander geschlossen wurde. Bei Semetzki wurde das Kabel aus dem Shunt gerissen, sodass er zwar im Rollstuhl sa?, aber hilflos war.

»Sind Sie sicher, dass wir Sie allein lassen sollen?«, fragte einer der Leibwachter.

»Ja, Sergeant«, nickte Ada Schnee. »Wir haben die Situation unter Kontrolle.«

»Es ist nicht notig…«, sagte Alla Neige leise.

Die Frauen wechselten Blicke. Dann befahl Ada: »Postiert euch am Rand der Plattform. Passt auf. Beobachtet den Phagenjungen und auch die anderen.«

Die Leibwachter schauten sich triumphierend an und entfernten sich. Erst danach fing Schnee wieder an zu sprechen:

»Ich begru?e Sie, meine Herrschaften, im Namen der Foderation. Frau Prasidentin Snow bat mich, ihr Bedauern zu uberbringen, dass sie nicht anwesend sein kann. Sie fuhrt wichtige Verhandlungen mit den Halflingen.«

»Das macht nichts«, antwortete Stasj. »Wir haben Verstandnis dafur. Der Verkauf der Menschheit im Ganzen ist eine aufwandige Tatigkeit.«

Ada Schnee lachte heiser. »Lass deine Demagogie, Dshedai. Wir kummern uns um die Menschheit nicht weniger als ihr…«

»Phag«, berichtigte sie Stasj. Ada Schnee kummerte sich nicht weiter um ihn:

»Wie geht es dir, Tikkirej?«

Ich schwieg. Ich konnte ja wohl kaum »gut« sagen.

»Tikkirej?«

»Gut, und Ihnen?«

Ada und alle Klone fingen an zu lacheln.

»Gut, Kleiner«, erwiderte Schnee. »Du wolltest mich ja auch nicht wirklich toten. Die Wunde ist unangenehm, heilt aber. Sag, Tikkirej, hast du mit deinem Freund gesprochen?«

»Sie wissen doch, dass ich mit ihm gesprochen habe«, murmelte ich.

»Ja, das wei? ich. Du hast dich davon uberzeugt, dass du als Lockvogel nach Neu-Kuweit geschickt wurdest. Die Phagen haben ihre Angel nach mir ausgeworfen und du warst der Koder. War es eine angenehme Rolle?«

»Ich hatte den Phagen auch freiwillig geholfen«, antwortete ich. »Sie hatten mir ruhig sagen konnen, worum es geht. Aber ich habe Verstandnis dafur, denn das ist alles sehr geheim. Und ich hatte mich verplappern

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