Ich verstand nicht, was das fur eine Bedeutung hatte. Aber Semetzki fing an zu lachen und erklarte uns:

»Halflinge und Tzygu werden niemals auf derselben Seite in den Krieg ziehen. In einem Wasserloch konnen nicht gleichzeitig zwei Hechte satt werden. Diese beiden Rassen zugleich als Verbundete zu haben bedeutet, uberhaupt keine Hilfe zu erhalten.«

Schnee verzog ihr Gesicht: »Wie habt ihr das geschafft?«

»Warum wohl war ich vor einem Monat auf Neu-Kuweit?«, antwortete Stasj mit einer Gegenfrage.

»Die Umbettung der Asche des Feldmarschalls Charitonow in Agrabad…«, flusterte Schnee. »Also habt ihr…«

»Wir wussten, dass Sie Geheimverhandlungen mit den Halflingen fuhrten. Und ergriffen die notwendigen Ma?nahmen. Es wird ihnen von Nutzen sein, zu erfahren, dass Uberraschungen dieser oder jener Art bei Kontaktaufnahme zu einer beliebigen Rasse der Fremden zu erwarten sind.«

Es machte nicht mehr den Eindruck, dass Schnee und die Klone Stasj verhoren wurden. Die Situation hatte sich verandert. Sogar die Fesseln, die Stasj ans Gelander schmiedeten, erschienen zufallig und ohne jegliche Bedeutung.

»Schweig, Stasj!«, schrie ihn Alex plotzlich an. »Was enthullst du hier alles!«

»Ruhe, Praktikant!«, stoppte ihn Stasj. »Alles hat seine Richtigkeit.«

Aber Alex trat plotzlich auf Stasj zu, holte aus und schlug ihm ins Gesicht!

Und bekam von Stasj augenblicklich so eine Ohrfeige verpasst, dass er auf den Boden schlug. Hinter mir horte ich Larm. Ich schaute mich um — einige Wachter zielten auf Alex, zwei liefen auf uns zu. Schnee zwang sie durch eine befehlende Geste innezuhalten.

Stasj spuckte Blut, ein Teil tropfte auf die Kette seiner Handschellen. Er murmelte: »Mein junger Helfer ist au?erordentlich emotional. Achten Sie nicht darauf.«

Alex sa? auf dem Boden und schluchzte.

Schnee blickte angespannt von ihm zu Stasj und zuruck. »Irgendetwas stimmt hier nicht. Du spielst auf Zeit, Phag!«

»Naturlich!«, stimmte ihr Stasj mit Leichtigkeit zu.

»Akim!«, befahl Schnee. »Das Madchen! Wir haben lange genug getrodelt!«

»Es ist langsam an der Zeit, euren damlichen Aufstand zu beenden«, meinte Stasj frohlich.

Einer der Klone kam auf uns zu.

»Mir ist schlecht«, flusterte Lion plotzlich. »Tikki…«

Ich drehte mich gerade noch rechtzeitig um und konnte ihn auffangen.

Lion glitt langsam zu Boden, die Augen waren noch offen, starrten jedoch ausdruckslos ins Leere. Alles um uns herum veranderte sich — die Beleuchtung flackerte, die Laute der ausgeschalteten Gerate anderten sich. Ich sah, wie sich auf einmal ein Kran regte und sinnlos unter der Decke zu kreisen begann. Lion weinte leise und gepresst in seiner Ohnmacht.

»Was habt ihr mit ihm gemacht?«, schrie ich. »Ihr Unmenschen!«

Hinter meinem Rucken donnerte es. Ich hielt Lion fest (Teufel, hatte der ein Gewicht!) und sah, wie die Wachter auf den Boden sturzten. Ihre Panzerung schepperte auf das Metall, als ob ein Dutzend Kochtopfe heruntergefallen ware.

»Und das ist nun das Ende des Putsches«, sprach Stasj. Und mit einer anderen, ruhigen, aber ungeheuer muden Stimme, fugte er hinzu: »Danke, Tikki. Sie haben zwei Tage wegen deines Erscheinens auf dem Planeten verloren. Der Flotte ist es gelungen, Retranslatoren auf alle Planeten des Inej zu richten.«

Sowohl Schnee als auch Neige und die Klonmanner hielten jetzt eine Waffe in der Hand und die Blaster waren auf uns gerichtet. Aber Stasj schien die Waffen nicht zu bemerken. Er fuhr fort, dieses Mal an die Putschisten gewandt:

»Sie sind entschieden zu selbstherrlich, Adelaide Schnee. Ihr Programm zur Psychokodierung wurde entschlusselt und analysiert. Mit einem von uns geschaffenen Schlusselsignal wurde es erneut zum Laufen brachte… aber mit umgekehrten Vorzeichen. Alle eure Untertanen schlafen und traumen. Sie traumen von einer widerlichen Inna Snow, die Krieg fuhrt gegen den guten und gerechten Imperator.«

»Das ist nicht moglich!«, schrie Schnee. »Wir haben derartige Handlungen in Betracht gezogen, die Benutzung der Radioshunts wurde verboten, ihr konntet das Signal nicht geben!«

»Es ist nicht moglich, den Radioshunt vollstandig abzuschalten, Frau Schnee. Der Funkaufsatz ist ein Bestandteil des Hauptprozessors des Shunts. Nur die Antenne wird ausgeschaltet, aber wenn das Signal sehr stark ist, wird uberhaupt keine Antenne benotigt. Das Schlusselsignal wird von den Anschlussen des Shunts empfangen. Sogar in geschlossenen Raumen, wie Sie sich soeben selbst uberzeugen konnten. Das Imperium hat alte Retranslatorenraumschiffe herangezogen, die seit dem letzten Krieg konserviert waren.«

Alex, der auf dem Boden sa?, fing an zu lachen. Der alte Semetzki begann zu kichern.

»Werft die Waffen weg«, sagte Stasj. »Es ist alles zu Ende. Eure operettenhaften Horrorszenarien machen niemandem mehr Angst.«

»Das werden wir ja sehen«, flusterte Schnee. »Tikkirej, Natascha… kommt zu mir…«

Oh…

Ich war nicht in der Lage zu verstehen, was vor sich ging. Meine Beine trugen mich von selbst zu »Oma Ada«, an den Rand der Plattform, hinter der ein Kessel voller klarer, gruner Flussigkeit zu erahnen war.

Ist das imperative Sprache?

Ich bekomme den Befehl — und springe ins Losungsmittel?

»Tikkirej, Natascha, stehen bleiben!«, schrie Stasj.

Ich blieb stehen. Und schritt auf Befehl der Schnee sofort wieder voran. Und hielt wieder inne. Und lief wieder. Aus dem Gesicht der Schnee verschwand samtliche Gutmutigkeit, jetzt glich sie nicht einer liebevollen Gro?mutter, sondern einer wutenden Megare. Und die Direktorin Neige erinnerte an eine verruckte Feministin des dunklen Zeitalters. Natascha lief neben mir und schaute sich erschrocken um, konnte aber ebenfalls nichts machen. Nur dass sie die Lippen bewegte, als ob sie jemanden… ihren Opa? … zu Hilfe rufen wollte, aber nicht konnte.

Schnee fing an zu lachen. Letztendlich gingen wir zu ihr. Wir zappelten wie Marionetten am Faden, aber wir gingen. Jetzt war es wichtig fur sie, mit mir und Stasj abzurechnen, die Macht uber die Welt war ihr egal. Vielleicht hoffte sie darauf, dass Stasj Selbstmord begehen wurde, wenn wir vor seinen Augen umkamen?

Vielleicht kame es auch wirklich dazu…

»Ihr hort auf niemanden au?er auf mich!«, befahl Neige auf einmal. Es war, als ob einem Watte auf die Ohren gedruckt wurde. »Geht an den Rand der Plattform und springt in den Kessel!«

Sie war verruckt!

Dorthin wurde ich nicht gehen!

Aber meine Beine zogen mich gehorsam nach vorn. Ich fing an zu schreien.

In diesem Augenblick zwangte sich zielgerichtet etwas Eisernes mit wild kreisenden Radern zwischen mich und Natascha, warf uns auf den Boden und umhullte uns mit Abgasen und Motorenlarm!

Die Hand des alten Semetzki umklammerte den Joystick an der Lehne des Rollstuhls. Es war wirklich ein sehr altes Modell, es wurde nicht ausschlie?lich durch den Neuroshunt, sondern auch von Hand bedient!

Es gelang mir, einen Blick auf das von Schreck verzerrte Gesicht Alla Neiges und den Feuer speienden Blaster in der Hand der Schnee zu werfen. Dann wurden sie vom Rollstuhl Semetzkis wie von einem Feuer speienden Boliden gerammt. Neige wurde in die Luft geschleudert und flog uber den Rand, Schnee wurde umgefahren und mitgerissen. Nach vorn, auf den Rand der Plattform zu.

Wie in Zeitlupe kippten beide in den Abgrund und klare Tropfen spritzten durch die Luft.

Ich wandte meinen Kopf ab. Um mich herum schien alles verlangsamt und dammrig. Auch Stasj, der mit einem energischen Ruck seine Handschellen an der Stelle zerriss, auf der sein blutiger Speichel gelandet war, wirkte bedachtig und behabig. Mit der freien Hand schlug er sich in den aufgeblasenen Bauch, das Seidenhemd zerriss und gab das blinkende Band einer Peitsche frei, die sofort in den Armel kroch und das Strahlenwerfermaul aufriss. Die mannlichen Klone hatten das Feuer bereits eroffnet, feurige Strahlen zogen an mir vorbei, aber aus der Peitsche entsprang eine Regenbogenwelle, welche die Schusse der Blaster abwehrte. Alex sprang irgendwie ungeschickt, aus der Handflache des jungen Phagen blitzte etwas auf und summte dicht an meinem Ohr vorbei. Dann knickte Alex ein und bewegte sich nicht mehr und Stasj horte auf zu schie?en.

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