Schleuse?«

»Nein, ich mochte den Kapitan finden. Und den Vertrag kundigen. Das ist doch mein Recht?«, erkundigte ich mich.

Der Alteste nickte: »Gehen wir…«

Er brachte mich aber nicht zum Kapitan, sondern in einen Arbeitsraum. Setzte sich vor den Bildschirm und schaltete den Computer ein. Befahl: »Daten uber den Vertrag des Moduls Tikkirej.«

Auf dem Bildschirm erschien mein Vertrag.

»Du hast das Recht, den Vertrag zu kundigen und auf einem beliebigen Planeten auszusteigen«, begann der Alteste. »Das ist Gesetz. Wir sind verpflichtet, dir deinen anteiligen Lohn auszuzahlen. Das sind…« — er beugte sich vor — »das sind 1038 Kredit.«

Nicht schlecht!

Ich schwieg.

»Selbstverstandlich werden Ernahrung und die Leistungen deines Lebenserhaltungssystems extra in Rechnung gestellt, da du den Vertrag vorzeitig kundigst«, erganzte der Alteste trocken, »also ziehen wir 604 Kredit ab.«

»So viel?«, wunderte ich mich.

»So viel. Weil man deine Nahrung und dein Bett gemeinsam mit dir durch den Kosmos schleppen muss. Selbst wenn man die gunstigsten internen Berechnungen der Flotte ansetzt, ist das eine gewaltige Summe. Hast du Einwendungen?«

»Nein«, sagte ich. Alles hatte seine Richtigkeit.

»Es verbleiben also 434 Kredit«, resumierte der Alteste, »nun die Versicherung.«

»Aber das ist nicht notig«, flehte ich. Es war etwas Unanstandiges an der Tatsache, dass ich die Kljasma als Transportmittel benutzte und ihnen dazu noch eine Menge Geld aus der Tasche zog.

»Das muss leider sein«, meinte der Alteste, »du bist fur 350.000 Kredit versichert. Wie es sich gehort. Der Versicherungsbeitrag belief sich auf 117.000. Jetzt ist die Versicherunggekundigt,verstehstdu.Der Versicherungsbeitrag wird nicht zuruckerstattet. 117.000 minus 434 Kredit…«

Er drehte sich in seinem Sessel um und schaute mich an.

Ich begann zu verstehen. Innerlich wurde mir eiskalt.

»Wenn du den Vertrag kundigst, Tikkirej, mussen zuerst die finanziellen Fragen geklart sein. Ich denke, sechzig bis siebzig Reisen werden dich in diese Lage versetzen. Du kannst bestimmt nach etwa zwei Jahren das Raumschiff verlassen.«

»Das steht im Vertrag?«, fragte ich leise.

»Naturlich. Soll ich es dir zeigen?«

»Nicht notig. Ich erinnere mich… Ich hatte nicht gedacht, dass die Versicherung so teuer ist…«

Der Alteste stutzte seine Hande auf die Knie, beugte sich nach vorn und giftete:

»Tikkirej, glaubst du, dass nur du allein die kluge Idee hattest, anzuheuern und auf dem ersten besten Planeten das Raumschiff wieder zu verlassen? Sogar wenn unser Flug ins Paradies fuhren wurde, mit Zwischenlandung in der Holle, hatte sich ein Interessent gefunden, um dorthin abzuhauen. GenauausdiesemGrund,Tikkirej,istdie Versicherungssumme derma?en hoch. Damit sich die Mannschaft nicht damit abmuhen muss, auf jedem Kosmodrom neue Gehirne aufzuspuren. Du hast die Arbeit angenommen, also arbeite! Wir hatten dich gewarnt!«

Ich bemerkte nicht einmal, dass ich anfing zu weinen.

»Also, wofur entscheidest du dich? Kundigst du den Vertrag und bist berechtigt, nach zwei Jahren von Bord zu gehen, oder bleibst du die vereinbarten funf Jahre und erarbeitest dir eine Drittelmillion?«

Er war wutend, verteufelt wutend auf mich selbstherrlichen Dummkopf, der ihn daran hinderte, das Raumschiff zu verlassen, sich zu vergnugen und in der Bar sein ehrlich verdientes Geld auszugeben.

Ich hatte mir aber doch den Vertrag angesehen! Es war etwas verwirrend, manche Dinge waren kleingedruckt, aber…

Ich setzte mich auf den Boden und versteckte mein Gesicht zwischen den Knien. Fur zwei Jahre — das ist mein Ende. So viel halte ich nicht aus. Funf Jahre auf gar keinen Fall. Ich werde kein Idiot, aber mir wird alles egal sein. Man bekommt zu essen und zu trinken, darf alles unter sich lassen… und…

»Haben wir dich gewarnt oder nicht?«, bellte der Alteste.

»Sie haben mich gewarnt«, schluchzte ich.

Er pfluckte mich vom Boden, nahm mich auf den Scho?, presste mir die Zahne auseinander und schob mir einen metallenen Flaschenhals in den Mund: »Trink! Du bist hysterisch wie ein altes Weib.«

Ich schluckte die brennende Flussigkeit. Musste husten.

»Das ist Cognac«, informierte mich der Alteste. »Was wolltest du denn auf diesem Planeten machen, Tikkirej?«

»Leben«, flusterte ich.

»Leben? Wie?«

»Ich habe doch die Staatsburgerschaft des Imperiums…«

»Was nutzt dir das? Glaubst du denn, dass ein Mensch in einer unbekannten Welt uberleben kann? Zumal — als Jugendlicher? Zumal — ohne Geld? Du hattest deine jammerlichen vierhundert bekommen und was hatte es dir genutzt? Auf deinem Planeten sind einhundert Kredit richtig viel Geld. In einer normal entwickelten Welt reichen sie nicht mal fur eine Woche!«

Er stie? mich plotzlich weg: »Die Tur da, wasch dich.«

Dann wandte er sich zum Bildschirm und fauchte bose: »Dienstanweisung. Vertrag mit Modul Tikkirej annullieren. Versicherung nicht abschlie?en.«

Ich sah ihn an und verwischte meine Tranen.

»Wir haben fur dich keine Versicherung abgeschlossen«, der Alteste wandte mir den Rucken zu und nur sein geroteter Nacken verriet seine Gefuhle, »es war klar, weshalb du angeheuert hast. Nur Anton hatte auf dich gesetzt, war davon uberzeugt, dass du deine funf Jahre abarbeitest und dir deinen Willen erhaltst.«

»Also haben Sie das Gesetz gebrochen!«, schrie ich.

»Was geht dich das an? Was stehst du hier herum? Wasch dich und geh!«

»Wohin?«

»Wohin?«, jetzt tobte der Alteste echt. »Wohin wolltest du denn? Auf den Planeten! Neu-Kuweit, Kolonie des Imperiums, Standardgesetzgebung, beschleunigte Prozedur fur die Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis, mittleres Komfortniveau — 104 Prozent! Wir haben dich erst nach zwei Zeitsprungen abgeschaltet, und wei?t du, warum? Weil wir davon uberzeugt waren, dass du gleich auf dem ersten Planeten von Bord gehen willst! Ohne sich zu erkundigen, was das fur ein Planet ist! Und dort, wohin wir das Erz transportiert haben, ist eine Kloake, noch schlimmer als eure Zwangsarbeit!«

»Warum Zwangsarbeit? …«, murmelte ich.

»Weil Karijer als Planet fur Zwangsarbeiter besiedelt wurde. Die Bewohner der Kuppeln sind die Nachfahren der Aufseher. Wasch dich und verschwinde!«

Ich wusch mich. Ich spritzte mir lange kaltes Wasser ins Gesicht und bemuhte mich, nicht die geroteten Augen zu reiben. Ich trocknete mich ab und ging hinaus. Der Alteste sa? noch immer am Computer und spielte Schach. Sehr schnell, uber den Shunt. Die Figuren sprangen nur so uber den Bildschirm.

»Hier hast du dein Geld«, sagte er, »434 Kredit.«

Auf dem Tisch lagen sieben Scheine und vier Munzen.

»Hatte… hatte ich funf Jahre aushalten konnen?«, wollte ich wissen.

»Niemand kann funf Jahre ohne Einbu?en uberstehen. Anton ist ein naiver Optimist! Nach zehn Jahren hattest du verlernt, Entscheidungen zu treffen. Sogar die Wahl zwischen drei Sorten Limonade ware fur dich zu einem qualenden Problem geworden. Nimm das Geld, schau noch bei Anton vorbei und dann verschwinde! Der medizinische Sektor ist zwei Range tiefer, die Hinweisschilder sind standardma?ig.«

Er drehte sich nicht mehr zu mir um.

Ich wollte mich bei ihm bedanken. Oder ihn umarmen und wieder losheulen, weil mir nie zuvor jemand eine derart nutzliche Lehre erteilt hatte.

Aber ich schamte mich zu sehr. Sogar um »Danke« zu sagen. Ich nahm das Geld vom Tisch, ging zur Tur und flusterte, schon fast auf dem Flur: »Verzeihen Sie mir…«

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