Muhe, nach der weiten Reise auch noch das Kap Horn zu umschiffen. Die meisten fahren nach New York. Und wer doch ums Kap Horn fahrt, der geht lieber in Frisco an Land und bricht von dort zu den Goldfeldern auf. Da? diese Deutschen mit dem Schiff hierher gekommen sind, war schon ungewohnlich genug. Sie mussen dem Kapitan oder dem Eigner einen stolzen Preis gezahlt haben, da? er eine so weite Strecke zuruckgelegt hat.«

Jacob uberlegte schwer und fragte zogernd: »Wenn das Angebot so gro? und die Nachfrage so gering ist, weshalb wollen Sie mein Gespann uberhaupt kaufen, Mr. Svenson?«

»Weil der Wagen ganz in Ordnung ist und die Pferde sogar sehr gut. Die werde ich schon los. Aber wenn sich die Sache fur mich lohnen soll, kann ich Ihnen nicht mehr bieten, Mr. Adler. Ich mu? die Pferde ja auch versorgen, bis ich sie verkaufen kann.«

»Das sehe ich ein«, nickte Jacob.

»Also gut, ich bin mit den zweihundertfunfzig Dollar einverstanden.«

Svenson holte das Geld und einen eilends aufgesetzten Kaufvertrag aus dem Haus, den der Deutsche unterschrieb. Dann erkundigte er sich nach der Moglichkeit einer Schiffspassage.

»Da brauchen Sie viel Geduld«, sagte Svenson und hielt den Kaufvertrag hoch. »Falls Sie es sich noch einmal uberlegen und vielleicht lieber uber Land nach Kalifornien wollen, bin ich gern bereit, das Papier zu zerrei?en und unseren Geschaftsabschlu? zu vergessen.«

»Ich habe eine Frau und ein kleines Kind dabei«, seufzte Jacob. »Hinter uns liegen bereits einige Strapazen. Ich glaube, mit dem Schiff geht es schneller und angenehmer.«

»Zweifellos - falls Sie ein Schiff finden. Wenn nicht, kommen Sie mit den zweihundertfunfzig Bucks zuruck, und ich gebe Ihnen das Gespann wieder, abzuglich der Unterstell-und Futterkosten naturlich.«

»Das ist ein Wort«, sagte Jacob froh und bedankte sich bei dem freundlichen Mr. Svenson. »Haben Sie keinen Tip, wo ich wegen einer Schiffspassage nachfragen konnte, Sir?«

»Hochstens auf dem Schiff, das die Auswanderer gebracht hat. Es will ja weiter nach Frisco. Gehen Sie einfach zum Hafen und fragen Sie nach der ALBANY!«

ALBANY!

Der Name traf Jacob wie ein Schock. So hatte das Schiff gehei?en, mit dem er, Irene und Martin Bauer nach Amerika gefahren waren.

Aber es mu?te ein Zufall sein. Albany war eine bekannte Stadt im Staat New York. Es gab sicher viele Schiffe mit diesem Namen.

Trotzdem fragte er den Mietstallbesitzer:

»Ist die ALBANY ein Dreimaster, eine nicht mehr ganz taufrische Bark?«

»Ich interessiere mich mehr fur Pferde und Wagen als fur Schiffe. Die Masten habe ich nicht gezahlt. Und was ist eine Bark?«

»Schon gut, vielen Dank«, winkte Jacob ab und verlie? den gro?en Stall.

Er hatte es plotzlich sehr eilig, zum Hafen gekommen.

Mit klopfendem Herzen dachte er an das Schiff, das ihn von Hamburg in die Neue Welt gebracht hatte.

Und an den alten Seebaren Piet Hansen, der Jacob und seinen Freunden wahrend der langen, beschwerlichen Reise mehr als einmal beigestanden und ihnen sogar die englische Sprache beigebracht hatte. Er war ihnen mit der Zeit ein echter Freund geworden. Am Ende der Reise hatte er das Kommando uber die ALBANY ubernommen.

Wenn es tatsachlich diese ALBANY war, die im Hafen von Fogerty lag, durfte die Passage fur Jacob und Irene kein Problem sein.

So dachte Jacob Adler.

Hatte er allerdings gewu?t, was ihn erwartete, ware er schnurstracks zum Mietstall zuruckgekehrt und hatte von dem freundlichen Mr. Svenson Pferde und Wagen zuruckverlangt.

*

Jefferson Kinley blickte den beiden Mannern, die in den gro?en Empfangsraum traten, neugierig entgegen. Sofort witterte der erfahrene Hotelier ein Geschaft.

Nicht bei dem Graubart, der schon von weitem nach Tang und Salzwasser roch. Er kam mit ziemlicher Sicherheit von einem der Schiffe im Hafen, hatte dort Kajute und Koje und wollte sich daher bestimmt nicht im Fogerty Grand Hotel einquartieren.

Aber der Mann in seiner Begleitung konnte ein lohnender Gast sein, falls er auf Zimmersuche war. Da? er in die ubertrieben feinen Kleider nicht recht pa?te, sah der Hotelier sofort. Es storte ihn nicht, ganz im Gegenteil. Gerade die Neureichen, die Emporkommlinge des Geldadels, Kinder der kalifornischen Goldfelder oder Gewinnler des Burgerkriegs, lie?en haufig besonders viel springen, um ihren Reichtum zu unterstreichen.

In der Hoffnung auf ein gutes Geschaft straffte Jefferson Kinley seinen krummen Rucken nach Moglichkeit und setzte das strahlendste Lacheln auf, zu dem er fahig war.

»Womit kann ich den Gentlemen dienen?«

»Mit einer Auskunft«, erwiderte Arnold Schelp schroff.

»Mochten Sie die Zimmerpreise wissen?«

»Nein, nur den Weg zu Zimmer Nummer 214. Wir werden dort erwartet.«

Die eben noch hochgezogenen Mundwinkel des Hoteliers fielen herunter. Aus dem Lacheln wurde unverhohlene Enttauschung.

»Die Treppe rauf und im zweiten Stock einfach nach links, dann konnen Sie's nicht verfehlen«, beschied er ohne jeden weiteren Elan.

»Danke«, nickte Schelp knapp und ging mit dem Kapitan die Treppe hinauf.

Hansen fragte wahrend des Aufstiegs:

»Ob V. Smith wohl die geheimnisvolle Dame ist oder ein Mann?«

»Ich hoffe, auch in Ihrem Interesse, da? Sie das wirklich nicht wissen, Kapten!«

Schelp sagte das im scharfen Ton und klopfte mit der Rechten gegen seine Seite, an die Stelle, wo der Derringer steckte. Den unvermeidlichen Stock hielt er in der Linken.

Hansen pre?te die Lippen zusammen und zog die Stirn in Falten. Zum tausendstenmal fragte er sich, auf was er sich da eingelassen hatte.

Aber es war zu spat, um aus der Sache auszusteigen.

Seit die ALBANY mit ihrer ganz speziellen Fracht den Hamburger Hafen verlassen hatte, war er Arnold Schelp auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Vielleicht schon seit mehr als zwanzig Jahren. Seit jenem verhangnisvollen Orkan, der die HENRIETTA auf dem Armelkanal uberfiel.

Schelp blieb vor der schweren Eichenholztur stehen, an der die vergoldeten Lettern >214< prangten, und schob Hansen vor.

»Sie klopfen an, Kapten!«

Es klang nicht nur wie ein Befehl - es war einer!

Hansen atmete tief durch und lie? seine Faust zweimal gegen die Tur schlagen.

Nach wenigen Sekunden fragte eine Mannerstimme:

»Ja?«

Schelp nickte dem Kapitan aufmunternd zu.

»Meine Name ist Hansen«, sagte dieser. »Ich mochte V. Smith sprechen.«

»Wer sind Sie?«

»Der Kapitan der ALBANY.«

Kurzes Schweigen.

Dann erscholl wieder die fremde Stimme, die das Englische mit breitem Akzent sprach:

»Wir erwarten jemand anderen.«

Hansen sah Schelp an, und der nickte wieder.

»Mr. Schelp ist bei mir«, verkundete der Kapitan.

Ganz leise drangen Stimmen auf den Gang. Hinter der Eichentur unterhielten sich mehrere Menschen.

Die Stimmen wurden von schweren Schritten abgelost. Ein Schlussel drehte sich mit lautem Klacken im Schlo?. Die Tur wurde aufgezogen, nur einen Spaltbreit. Ein Auge spahte durch die schmale Offnung.

Und noch etwas lugte hindurch: der lange Lauf eines Revolvers, der direkt auf Hansens Bauch gerichtet war.

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