»Sie bekommen Ihr Geld, Mr. Schelp, sobald wir im Golf von Kalifornien vor Anker gehen. Dafur verburge ich mich.«
»Sie personlich,
»Ja, ich personlich.«
Ihre Stimme klang so unbeteiligt wie die ganze Zeit schon. Sie lie? nicht erkennen, ob die verschleierte Frau die atzende Ironie vernommen hatte, die in Schelps Worten lag.
»Also gut«, knurrte der Geschaftsmann. »Ich werde mich an Sie halten, Madam!«
Das klang drohend.
Abel McCord warf dem Deutschen einen zornigen Blick zu und wollte etwas erwidern.
Doch die Frau kam ihm zuvor und legte eine Hand auf den Arm des Captains, der sich muhsam zur Ruhe zwang.
»Dann ist ja alles geregelt«, sagte die Frau. »Captain Smith, Don Emiliano und ich kommen morgen fruh an Bord der ALBANY. Bereiten Sie fur uns Kajuten vor, Kapten Hansen!«
Auch dies klang wie ein Befehl.
Hansen, wenig erfreut von der ganzen Geschichte und ihrer Entwicklung, brummte etwas Unverstandliches.
Als die beiden Deutschen die Treppe zur Hotelhalle hinuntergingen, fragte Schelp:
»Was ist los mit Ihnen, Kapten? Sie machen ein Gesicht, als hatten Sie gerade den Klabautermann gesehen.«
»So ahnlich ist mir zumute. Die ganze Geschichte wird mir allmahlich zu kompliziert und unubersichtlich. Weshalb, zum Beispiel, mussen wir erst hier raufschippern, wenn es jetzt wieder die Kuste hinunter und dann in den Golf von Kalifornien geht?«
»Ein Tauschungsmanover fur die Yankees, Kapten. Deren Blockade richtet sich hauptsachlich gegen Schiffe, die aus Europa kommen. Aber ein Schiff, das aus dem Pazifik in Richtung Kalifornien fahrt, ist so unverdachtig wie nur irgend etwas.«
»Bis sich herausstellt, da? dieses Schiff gar nicht Kalifornien anlauft, sondern Mexiko«, meinte Hansen duster.
»Wenn sich das herausstellt, sind wir langst am Ziel. Au?erdem werden es die Yankees nicht einmal bemerken. Sie sind zu sehr mit den Blockadebrechern im Atlantik beschaftigt.«
»Ihr Wort in Neptuns Ohr, Schelp«, brummte Hansen. »Aber mein Seemannsinstinkt sagt mir, da? nicht alles so glatt verlaufen wird, wie wir es uns wunschen!«
Piet Hansen ahnte nicht, da? er gerade in diesem Moment auf die erste Komplikation zusteuerte.
*
Es war
Mit vor Staunen offenem Mund stand Jacob Adler am Hafen und betrachtete die Bark, die ihm so vertraut war wie kein anderes Schiff auf dieser Welt. Das Schiff, das ihn nach Amerika gebracht hatte. Auf dem er Irene kennengelernt hatte. Vergebens sann er daruber nach, was den Dreimaster ausgerechnet ins verschlafene Fogerty getrieben haben mochte. Aber er wurde es sicher bald erfahren - vom Kapitan personlich!
Frohen Mutes steuerte er auf den Ankerplatz der ALBANY zu, als sich die Musketen des Corporals William Backleton und des gemeinen Soldaten Fred Hickel vor ihm kreuzten.
»Halt!« schnarrte der Corporal. »Keinen Schritt weiter, Mann! Was wollen Sie hier?«
»Ich mochte an Bord dieses Schiffes«, antwortete der Deutsche und zeigte auf die ALBANY.
»Das mochten viele«, meckerte Backleton. »Aus welchem Grund mochten Sie an Bord?« »Ich will eine Passage nach Kalifornien buchen.« »Das mochten auch viele. Deshalb stehen wir hier.« Jetzt zeigte der Corporal mit dem Daumen in Richtung der ALBANY. »Wenn Sie auf diesem Schiff nach Frisco fahren wollen, Mister, mussen Sie am Losverfahren teilnehmen.« »Wie lauft das ab?«
»Keine Ahnung. Erkundigen Sie sich auf der Kommandantur.« Zogernd sagte Jacob:
»Aber ich kenne den Kapitan der ALBANY!«
Corporal Backleton grinste und blickte seinen Kameraden an.
»Den Trick hatten wir noch nicht, was, Fred?«
Hickel schuttelte den Kopf.
»No, ich glaube nicht.«
»Das ist kein Trick«, verteidigte sich Jacob. »Lassen Sie den Kapitan rufen, dann wird sich alles aufklaren!«
»Das geht leider nicht«, erwiderte der Corporal. »Der Kapitan ist vor einer halben Stunde in die Stadt gegangen?«
»Piet Hansen?« fragte der Deutsche.
»Ich wei? nicht, wie er hei?t«, antwortete der Corporal im gleichgultigen Tonfall.
Jacob beschrieb den alten Freund.
Backleton nickte.
»Yeah, genau so sieht der Kapitan dieses Kahns aus.«
Wieder wurde Jacob von der freudigen Erregung ergriffen, die ihn schon zweimal am heutigen Nachmittag uberfallen hatte. Erst in Svensons Mietstall, als der Kahlkopf die ALBANY erwahnte. Und dann eben beim Anblick des Schiffes.
Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen und uberlegte hin und her, was er tun sollte. Hier auf Hansen warten, damit er ihn blo? nicht verpa?te?
Aber dann konnte es spat in der Nacht werden. Jacob wu?te, da? der alte Seebar einem ordentlichen Schluck nicht abgeneigt war.
Jacob beschlo?, ins Hotel zu gehen. Er mu?te die gute Neuigkeit so schnell wie moglich Irene mitteilen. Zur ALBANY und damit zu Hansen konnte er jederzeit zuruckkehren.
Jacob war so sehr damit beschaftigt, sich Irenes Reaktion auf seine Nachricht auszumalen, da? er kaum auf die Umgebung achtete. Je naher er dem Grand Hotel kam, desto aufgeregter wurde er.
Deshalb bemerkte er die beiden Manner nicht, die aus der Hoteltur traten, durch die er gerade sturmen wollte.
Er prallte mit einem von ihnen zusammen und stand dann zum zweitenmal innerhalb einer Stunde mit offenem Mund da.
Der Mann, mit dem er kollidiert war, blickte nicht minder uberrascht.
Die Augen in dem zerfurchten, von einem grauschwarzen Bart bedeckten Gesicht waren weit aufgerissen, als sie Jacob musterten.
»Jacob Adler!« rief der Seemann schlie?lich erfreut aus.
»Piet Hansen!«
Er war es ohne Zweifel, wenn auch der Bart nicht mehr ganz so uppig wucherte wie zu der Zeit, als Hansen noch Zweiter Steuermann auf der ALBANY gewesen war. Dafur waren Bart und Haupthaar starker ergraut, als Jacob es erinnerte.
So, als lage viel mehr als ein knappes Jahr zwischen ihrem Abschied in New York City.
Oder so, als wurde der neue Kapitan der ALBANY von schweren Sorgen geplagt.
Das Aufleuchten ins Hansens Augen war nur von kurzer Dauer. Die Freude, die sein Gesicht zeichnete, klang uberraschend schnell ab.
»Wir mussen unbedingt einen Schluck zusammen trinken«, sagte Jacob. »Irene ist ubrigens auch hier, mit ihrem kleinen Sohn. Wir wollen zu Carl Dilger, der in Kalifornien sein soll. Da? die ALBANY nach San Francisco auslauft, kommt uns wie gerufen.«
Das Rauspern des dritten Mannes machte Jacob erst bewu?t, da? er nicht allein mit dem Seemann war.
Hansens Miene verfinsterte sich noch mehr, als Arnold Schelp sich erkundigte, wer der junge Mann sei.
»Ein Auswanderer, der auf der ALBANY nach Amerika gefahren ist, als ich noch Steuermann auf dem Kahn war«, antwortete Hansen und sagte dann zu Jacob: »Und das ist Arnold Schelp aus Hamburg, dessen Fracht ich nach Frisco bringe.«
»Was ist das denn fur eine Fracht?« wollte Jacob wissen.
»Bergbaumaschinen«, sagte Schelp schnell, ehe Hansen antworten konnte. »Die Goldsucher benotigen sie