clever er ist. Wenn er clever ist, zeigen wir ihm alles von uns aus. Wir durfen nicht den Eindruck erwecken, als hatten wir etwas zu verbergen. Wenn ich den Daumen kurz hochschnellen lasse, hei?t das, dass wir es riskieren sollten. Aber wir sollten uns einig sein, Hank. Wenn du mit keinem ahnlichen Zeichen antwortest, halte ich den Mund.

Ich hob mein Limonadenglas und trank es aus. Als ich sah, dass Henry mich beobachtete, lie? ich kurz den Daumen hochschnellen. Nur ganz wenig. Es hatte auch ein Muskelzucken sein konnen.

»Was glaubt dieser Lester eigentlich?«, sagte Henry emport. »Dass wir sie gefesselt im Keller gefangen halten?« Er lie? die Hande dabei reglos an den Seiten hangen.

Sheriff Jones lachte so herzhaft, dass der Wanst hinter seinem Gurtel schwabbelte. »Woher soll ich wissen, was er denkt? Das ist mir auch ziemlich egal. Anwalte sind Flohe im Fell der menschlichen Natur. Das kann ich behaupten, weil ich schon mein ganzes Erwachsenenleben fur die gearbeitet ihn nicht ins Haus gelassen haben. Er ist ziemlich aufgebracht deswegen.«

Henry kratzte sich am Arm. Dabei lie? er den Daumen zweimal kurz hochschnellen.

»Ich habe ihn nicht reingelassen, weil er mir nicht sympathisch war«, sagte ich. »Allerdings muss ich ehrlicherweise sagen, dass ich vermutlich auch gegen den Apostel Johannes voreingenommen gewesen ware, wenn er hier fur Cole Farrington angetreten ware.«

Daruber musste Sheriff Jones schallend laut lachen: Ha, ha, ha! Nur dass seine Augen nicht lachten.

Ich stand auf. Es war eine Erleichterung, auf den Beinen zu sein. Stehend war ich eine Handbreit gro?er als Jones. »Sie konnen sich umsehen, so viel Sie wollen.«

»Das wei? ich zu schatzen. Es erleichtert mir das Leben namlich ungemein, nicht wahr? Wenn ich zuruckkehre, muss ich Richter Cripps aushalten, und das ist schon schwierig genug. Keiner von Farringtons Anwalten soll mich anklaffen, nicht wenn ich’s vermeiden kann.«

Wir gingen ins Haus, ich voraus, Henry als Nachhut. Nach einigen anerkennenden Bemerkungen daruber, wie aufgeraumt das Wohnzimmer und wie blitzsauber die Kuche sei, gingen wir durch den Flur. Sheriff Jones warf einen fluchtigen Blick in Henrys Zimmer, dann kam die Hauptattraktion. Ich stie? unsere Schlafzimmertur mit der verruckten Gewissheit auf, dass das Blut wieder da sein wurde. Es wurde in Lachen auf dem Boden stehen, an die Wande gespritzt sein, die Matratze getrankt haben. Sheriff Jones wurde sich das alles ansehen. Dann wurde er sich mir zuwenden, die Handschellen von der fleischigen Hufte gegenuber dem Revolver loshaken und sagen: Ich verhafte Sie wegen Mordes an Arlette James, nicht wahr?

Es gab kein Blut, auch keinen Blutgeruch, weil das Zimmer tagelang geluftet worden war. Das Bett war gemacht, jedoch nicht so, wie Arlette es gemacht hatte; meine Art war eher der Militarstil, obwohl meine Fu?e mich vor dem Krieg bewahrt hatten, in dem der Sohn des Sheriffs gefallen war. Mit Plattfu?en kann man nicht losziehen und Krauts umlegen. Manner mit Plattfu?en konnen nur ihre Frauen umbringen.

»Hubsches Zimmer«, bemerkte Sheriff Jones. »Bekommt Morgensonne, nicht wahr?«

»Ja«, sagte ich. »Und bleibt auch im Sommer nachmittags kuhl, weil die Sonne druben auf der anderen Seite steht.« Ich trat an den Kleiderschrank und offnete ihn. Die vorige Gewissheit kehrte noch starker zuruck. Wo ist der Quilt?, wurde er fragen. Der eine, der hier in die Mitte des obersten Fachs gehort.

Das tat er naturlich nicht, aber er trat gleich vor, als ich ihn dazu aufforderte. Seine scharfen Augen - leuchtend grun, fast katzenartig - sahen hierhin, dorthin, uberallhin. »Reichlich viele Klamotten«, sagte er.

»Ja«, gab ich zu. »Arlette mag Kleider gern, und sie mag Versandhauskataloge. Aber weil sie nur einen Koffer mitgenommen hat - wir haben zwei, und der andere ist noch hier, sehen Sie ihn dort hinten in der Ecke? -, wurde ich sagen, dass sie nur ihre liebsten Sachen mitgenommen hat. Und solche, die praktisch waren, denke ich. Sie hat zwei Gabardinehosen und eine Jeans, und die sind alle drei weg, obwohl sie sich nichts aus Hosen gemacht hat.«

»Hosen taugen furs Reisen, nicht wahr? Ob Mann oder Frau, Hosen sind praktische Reisekleidung.«

»Das stimmt wohl.«

»Sie hat auch ihren guten Schmuck und ihr Photo von Oma und Opa mitgenommen«, sagte Henry hinter uns. Ich

»Hat sie das? Na, das war wohl zu erwarten.«

Er schob ein paar Kleiderbugel hin und her, dann schloss er die Schranktur. »Hubsches Zimmer«, sagte er, als er sich mit dem Stetson in der Hand abwandte. »Hubsches Haus. Eine Frau, die ein hubsches Zimmer und so ein hubsches Haus wie das hier verlasst, muss verruckt sein.«

»Mama hat viel von der Stadt geredet«, sagte Henry und seufzte. »Sie wollte da irgendein Geschaft aufmachen.«

»Wollte sie das?« Sheriff Jones betrachtete ihn mit grun funkelnden Katzenaugen. »Aha! Aber dafur braucht man etwas Geld, nicht wahr?«

»Sie hat doch Land von ihrem Vater geerbt.«

»Ja, ja.« Er sagte das mit einem verlegenen Lacheln, als hatte er das Land kurzfristig vergessen. »Und vielleicht ist es auch besser so. ›Es ist besser, wohnen in wustem Lande denn bei einem zankischen und zornigen Weibe.‹ Spruche Salomos. Bist du froh, dass sie fort ist, Sohn?«

»Nein«, sagte Henry und konnte die Tranen nicht langer zuruckhalten. Ich segnete jede einzelne davon.

»Na, komm!«, sagte Sheriff Jones. Nach diesem oberflachlichen Trost buckte er sich, indem er sich mit beiden Handen auf den pummeligen Knien abstutzte, und sah unters Bett. »Dort scheint ein Paar Damenschuhe zu stehen. Gut eingelaufen. Genau richtig, wenn man weit zu gehen hat. Sie glauben wohl nicht, dass sie barfu? weggelaufen ist, stimmt’s?«

»Sie hat ihre Leinenschuhe getragen«, sagte ich. »Die sind jedenfalls nicht mehr da.«

»Aha!«, sagte er. »Ein weiteres Ratsel gelost.« Er zog eine versilberte Uhr aus der Westentasche und warf einen Blick darauf. »Tja, ich muss leider weiter. Tempus fugitiert wieder mal.«

Wir gingen durchs Haus zuruck. Henry bildete wieder die Nachhut, vielleicht damit er sich unbeobachtet die Tranen aus den Augen wischen konnte. Wir begleiteten den Sheriff zu seinem vierturigen Maxwell mit dem Stern auf der Tur. Ich wollte ihn gerade fragen, ob er auch den Brunnen sehen wolle - ich wusste sogar, wie ich ihn bezeichnen wurde -, da machte er halt und bedachte meinen Sohn mit einem erschreckend freundlichen Blick.

»Ich bin bei den Cotteries vorbeigefahren«, sagte er.

»Oh?«, sagte Henry. »Wirklich?«

»Hab euch ja erzahlt, dass ich ungefahr jeden Busch bewassern muss, aber ich benutze lieber einen Abort, wenn gerade einer in der Nahe ist und die Leute ihn sauber halten. Da brauche ich mir keine Sorgen wegen Wespen zu machen, wahrend ich darauf warte, dass aus meinem Dings ein bisschen Wasser tropfelt. Und die Cotteries sind saubere Leute. Mit’ner hubschen Tochter. Ziemlich genau in deinem Alter, nicht wahr?«

»Ja, Sir«, sagte Henry und hob die Stimme bei dem Sir ganz leicht zu einer angedeuteten Frage.

»Du hast sie gern, nicht wahr? Und sie dich auch, wie ihre Mama sagt.«

»Hat sie das gesagt?«, fragte Henry uberrascht, aber auch erfreut.

»Ja. Mrs. Cotterie hat gesagt, dass du dir Sorgen wegen deiner Mama machst und Shannon ihr etwas erzahlt hat, was du zu diesem Thema gesagt hast. Als ich wissen wollte, was das war, hat sie gesagt, daruber darf sie nicht sprechen, aber ich konnte Shannon selbst fragen. Also hab ich’s getan.«

Henry starrte seine Stiefel an. »Ich hab sie gebeten, das fur sich zu behalten.«

»Du wirst ihr’s doch nicht verubeln, oder?«, sagte Sheriff Jones. »Ich meine, wenn ein gro?er Kerl wie ich mit muss praktisch auspacken, hab ich recht?«

»Wei? ich nicht«, sagte Henry, der noch immer den Kopf gesenkt hielt. »Wahrscheinlich.« Er spielte den Unglucklichen nicht nur; er war unglucklich. Obwohl alles so lief, wie wir gehofft hatten.

»Shannon sagt, dass deine Ma und dein Paps einen Riesenkrach wegen dem Verkauf von diesen 70 Hektar hatten, und als du dich auf die Seite deines Papas geschlagen hast, hat Missus James dir ordentlich eine geknallt.«

»Stimmt«, sagte Henry ausdruckslos. »Sie hatte zu viel getrunken.«

Sheriff Jones wandte sich an mich. »War sie betrunken oder nur beschwipst?«

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