Wieder im Haus, wieder im Schlafzimmer, kniete ich mich hin und sammelte das blutbefleckte Geld ein. Mit nur einer Hand ging die Arbeit langsam voran. Einmal stie? ich mit der verletzten Hand ans Bett und heulte vor Schmerzen auf. Ich konnte sehen, wie frisches Blut die Salbe farbte, sie rosa werden lie?. Ich warf das Geld auf die Kommode und machte mir nicht einmal die Muhe, es mit einem Buch oder einem von Arlettes verdammten Ziertellern zu bedecken. Ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, weshalb es mir ursprunglich so wichtig gewesen war, die Scheine zu verstecken. Die Schachtel mit dem roten Hut beforderte ich mit
Wer jemals eine Farm besessen oder auf einer gearbeitet hat, kann bestatigen, dass Arbeitsunfalle haufig passieren und entsprechende Vorsorgema?nahmen erfordern. In dem Erste-Hilfe-Schrankchen neben der Kuchenpumpe - den Arlette immer den »Schmerzensschrank« genannt hatte - lag auch eine dicke Mullbinde. Als ich sie herausnehmen wollte, fiel mein Blick auf den gro?en Wassertopf, der auf dem Herd dampfte. Das Wasser hatte ich fur ein Bad aufgesetzt, als ich noch heil gewesen war und solch monstrose Schmerzen, die mich jetzt zu verzehren schienen, nur theoretisch denkbar gewesen waren. Mir kam der Gedanke, hei?es Seifenwasser konnte das beste Mittel fur meine Hand sein. Die Wunde konnte nicht noch mehr schmerzen, sagte ich mir, und ein hei?es Seifenbad wurde sie reinigen. Beide Annahmen waren falsch, aber woher hatte ich das wissen sollen? Auch nach so vielen Jahren erscheint mir diese Idee vernunftig. Vielleicht hatte es sogar funktioniert, wenn ich von einer gewohnlichen Ratte gebissen worden ware.
Mit der unverletzten Rechten schopfte ich Wasser in einen Eimer (den Topf mit zwei Handen zu kippen, um etwas Wasser abzugie?en, kam nicht infrage), dann warf ich ein Stuck von Arlettes grober brauner Waschseife hinein. Das letzte Stuck, wie sich zeigte; es gibt so viele Vorrate, die ein Mann zu besorgen vergisst, wenn er darin keine Erfahrung hat. Ich warf einen Putzlappen dazu, dann ging ich damit ins Schlafzimmer, kniete mich wieder hin und machte mich daran, das Blut und die Eingeweide aufzuwischen. Dabei musste ich (verstandlicherweise) die ganze Zeit an das letzte Mal denken, als ich Blut vom Fu?boden dieses verdammten Schlafzimmers aufgewischt hatte. Damals war wenigstens Henry bei mir gewesen, um das Grausen
Als ich mit der Arbeit fast fertig war, hielt ich inne und legte den Kopf schrag: mit angehaltenem Atem, die Augen weit aufgerissen, mein Herz scheinbar in der verletzten Hand pochend. Ich horte ein
Ein jaher Windsto? lie? das Haus erzittern und heulte um die Giebel. Das Trippeln wurde lauter, dann klang es etwas ab, als der Wind nachlie?. Die Erleichterung, die mich erfullte, war so intensiv, dass sie die Schmerzen ubertonte (zumindest einige Sekunden lang). Das waren keine Ratten; das war Schneeregen. Mit Einbruch der Dunkelheit war es kalter geworden, und die Regentropfen waren halb gefroren. Ich machte mich wieder daran, die Spuren wegzuschrubben.
Als ich fertig war, kippte ich das blutige Putzwasser ubers Verandagelander und ging dann in den Stall zuruck, um frische Salbe auf meine Hand aufzutragen. Da die Wunde jetzt vollig sauber war, konnte ich sehen, dass das Gewebe zwischen Daumen und Zeigefinger drei offene Schlitze aufwies, die wie die Streifen eines Sergeanten aussahen. Der Daumen hing kraftlos herab, als hatten die Rattenzahne
Unten im Schmerzensschrank fand ich in einen Fetzen Seide eingewickelt, der fruher Teil eines Damenschlupfers gewesen sein mochte, ein Flaschchen mit Pillen aus dem Drugstore in Hemingford Home. Jemand hatte das Etikett mit einem Fuller in sauberen Gro?buchstaben beschriftet: ARLETTE JAMES - Jeweils 1-2 vor dem Schlafengehen gegen Monatsbeschwerden. Ich nahm drei davon und spulte sie mit einem gro?en Whiskey hinunter. Ich wei? nicht, was die Pillen enthielten - Morphium, nehme ich an -, aber sie wirkten. Der Schmerz war noch da, aber er schien einem Wilfred James zu gehoren, der auf irgendeiner anderen Lebensebene zu existieren schien. Ich fuhlte mich benommen; die Zimmerdecke uber mir schien sich langsam zu drehen; das Bild von den winzigen Feuerwehrleuten, die eintrafen, um das Feuer der Infektion zu loschen, bevor es sich ausbreiten konnte, wurde deutlicher. Der Wind frischte auf, und fur meinen benommenen Verstand klang das standige halblaute Prasseln des Schneeregens auf dem Haus rattenahnlicher als je zuvor, aber ich wusste es besser. Ich glaube, ich sagte sogar laut: »Ich kenne mich aus, Arlette, mich kannst du nicht tauschen.«
Als ich allmahlich das Bewusstsein verlor und wegzudammern begann, wurde mir klar, dass dies endgultig sein konnte: dass die Kombination aus Schock, Alkohol und Morphium mein Leben beenden konnte. Ich wurde in
Wahrend ich schlief, wurde der Schneeregen zu Schnee.
Als ich am folgenden Morgen bei Tagesanbruch aufwachte, war das Haus grabeskuhl, und meine Hand war aufs Doppelte ihrer gewohnlichen Gro?e angeschwollen. Das Fleisch um die Bisse herum war aschgrau, aber Daumen und Zeigefinger hatten sich mattrosa verfarbt und wurden bis zum Abend dunkelrot werden. Jede Beruhrung der Hand au?er dem kleinen Finger verursachte Marterqualen. Trotzdem bandagierte ich sie, so eng ich konnte, was immerhin das schmerzhafte Pochen verringerte. Ich machte im Kuchenherd Feuer - mit nur einer Hand war das nicht einfach, aber ich schaffte es - und kroch dann fast in ihn hinein, damit mir warm wurde. Das hei?t, bis auf die verletzte Hand; dieser Teil meines Korpers war schon warm. Warm und pulsierend, als truge ich einen Handschuh mit einer darin versteckten Ratte.
Am fruhen Nachmittag war ich fiebrig, und die verletzte Hand schwoll so stark an, dass ich die Bandage etwas lockern musste. Allein das lie? mich vor Schmerzen aufschreien. Ich brauchte einen Arzt, aber es schneite starker denn je, und ich wurde es nicht einmal bis zu den Cotteries schaffen - und erst recht nicht allein bis nach Hemingford Home. Selbst wenn der Tag klar und hell und trocken gewesen ware … wie hatte ich den Motor des Lastwagens oder des T mit nur einer Hand ankurbeln sollen? Ich hockte in der Kuche, legte Holz nach, bis der Herd wie ein Drache rohrte, schwitzte ganze Wasserstrome aus, zitterte zugleich vor Kalte, hielt die verletzte Hand an die Brust und erinnerte mich daran, wie die freundliche Mrs. McReady meinen
Nein, ich hatte keinen. Ich war allein auf der Farm, fur die ich gemordet hatte, und konnte keine Hilfe bekommen oder auch nur anfordern. Ich konnte sehen, wie das Fleisch rot zu werden begann, wo die Bandage aufhorte: am Handgelenk, das voller Blutgefa?e war, die das Gift in meinen ganzen Korper transportieren wurden. Die Feuerwehrleute hatten versagt. Ich uberlegte, ob ich meine Hand mit Gummibandern abbinden sollte - die linke Hand opfern, um den restlichen Korper zu retten. Oder sollte ich sie sogar mit dem Beil amputieren, mit dem wir Feuerholz machten und gelegentlich einem Huhn den Kopf abhackten? Beide Ideen erschienen mir vollig plausibel, aber auch viel zu anstrengend. Letztlich humpelte ich nur nochmals zu dem Schmerzensschrank mit Arlettes Pillen hinuber. Ich schluckte weitere drei, diesmal mit kaltem Wasser - meine Kehle brannte -, dann setzte ich mich wieder ans Feuer. Ich wurde an dem Biss sterben. Davon war ich uberzeugt, und ich hatte mich damit abgefunden. In der Prarie waren Bisse und Infektionen eine alltagliche Todesursache. Wenn die Schmerzen unertraglich wurden, wurde ich die restlichen Pillen auf einmal schlucken. Was mich daran hinderte, es gleich zu tun - au?er die Angst vor dem Tod, die wohl jeder von uns mehr oder weniger empfindet -, war die Moglichkeit, dass jemand vorbeikommen konnte: Harlan oder Sheriff Jones oder die freundliche Mrs. McReady. Denkbar war sogar, dass Rechtsanwalt Lester aufkreuzte, um mir erneut eine Standpauke wegen dieser gottverdammten 40 Hektar zu halten.
Am meisten hoffte ich jedoch, Henry werde zuruckkommen. Was aber nicht der Fall war.
Es war Arlette, die zu mir kam.
Sie haben sich vielleicht gefragt, woher ich von der Pistole wei?, die Henry in dem Pfandhaus in der Dodge Street gekauft hatte, und von dem Bankraub in der Jefferson Street. Dann haben Sie sich vermutlich gesagt:
Naturlich habe ich die Zeitungen studiert. Und ich habe an Leute geschrieben, die meinem Sohn und seiner schwangeren Freundin auf ihrem kurzen, verhangnisvollen Weg von Nebraska nach Nevada begegnet sind. Die