»Jetzt kochst du mit Gas, Jackson.« Sie paffte ihre Zigarette und kniff die Augen zusammen. »He, ich wette, dass ich wei?, wer du bist - Shan Cotteries Freund.«

»Der Hauptgewinn - eine Kewpie-Puppe - geht an die junge Dame!«, sagte Hank.

»Also, ich wurde mindestens zwei Stra?en Abstand vom Heim halten, das ware mein Rat. Die Cops haben deine Personenbeschreibung.« Sie lachte unbekummert. »Deine und die von funf oder sechs weiteren Einsamen Eddies, aber keiner so ein grunaugiger Bauerntolpel wie du - und keiner mit einem so gut aussehenden Madchen wie Shannon. Sie ist eine Wucht! Echt!«

»Wieso, glaubst du, bin ich hier statt dort?«

»Gut, ich bei?e an - wieso bist du hier?«

»Ich will Verbindung mit ihr aufnehmen, aber ich will dabei nicht geschnappt werden. Ich gebe dir 2 Scheinchen, wenn du ihr eine Nachricht von mir bringst.«

Victoria machte gro?e Augen. »Kumpel, fur 2 Eier wurd ich mir’ne Trompete unter den Arm klemmen und eine Nachricht zu Garcia bringen - so abgebrannt bin ich. Her damit!«

»Und weitere 2, wenn du kein Wort davon erzahlst. Weder jetzt noch spater.«

»Dafur brauchst du nicht extra zu bezahlen«, sagte sie. »Ich tue nichts lieber, als diese selbstgerechten Weiber reinzulegen. Mann, die schlagen einem schon auf die Hand, wenn man versucht, sich beim Abendessen ein zweites Brotchen zu nehmen! Wie in Gulliver Twist

Er gab ihr das Briefchen mit, und Victoria uberbrachte es Shannon. Sie hatte es in ihrer kleinen Handtasche, als die Polizei Henry und sie schlie?lich in Elko, Nevada, stellte,

Ich warte 2 Wochen lang jede Nacht von Mitternacht bis Tagesanbruch hinter dem Heim, hatte er ihr geschrieben. Wenn du nicht kommst, wei? ich, dass es zwischen uns aus ist, & gehe nach Hemingford zuruck & belastige dich nie mehr, obwohl ich dich ewig lieben werde. Wir sind jung, aber wir konnten uns alter machen & und anderswo (Kali fornien) ein gutes Leben anfangen. Ich habe etwas Geld & kann mehr bescha f fen. Victoria wei?, wie ich zu finden bin, wenn du mir eine Antwort schicken willst, aber nur einmal. Mehr ware zu riskant.

Vermutlich besitzen Harlan und Sallie Cotterie das Original. In diesem Fall haben sie gesehen, dass mein Sohn um seine Unterschrift ein Herz gemalt hat. Ich frage mich, ob das Shannon letztlich uberzeugt hat. Ich frage mich auch, ob sie eigentlich uberzeugt werden musste. Moglicherweise wunschte sie sich nichts mehr auf der Welt, als ihr Baby, das sie schon liebte, behalten (und ehelich machen) zu konnen. Auf diesen Aspekt ging Arlettes grausige Flusterstimme nie ein. Vermutlich war er ihr egal.

Nach dieser Begegnung kehrte Henry jeden Tag an die Einmundung der Gasse zuruck. Er rechnete irgendwie damit, dass statt Victoria die Cops kamen, war aber davon uberzeugt, keine andere Wahl zu haben. Am dritten Tag seiner Wache kam sie endlich. »Shan hat dir gleich geschrieben, aber ich durfte nicht fruher raus«, sagte sie. »In dem Loch, das sie hochtrabend Musikzimmer nennen, ist etwas Mary Jane gefunden worden, und seither sind die Pinguine auf dem Kriegspfad.«

Henry streckte seine Hand nach der Antwort aus, die Victoria ihm im Tausch gegen eine Sweet Corporal Morgen fruh 2 Uhr.r.

Henry umarmte Victoria und kusste sie. Sie lachte aufgeregt, und ihre Augen blitzten. »Mensch! Manche Madchen kriegen alles Gluck ab.«

Das stimmt zweifellos. Bedenkt man jedoch, dass Victoria es zu einem Ehemann, drei Kindern und einem hubschen Haus in der Maple Street im besten Wohnviertel von Omaha brachte, wahrend Shannon Cotterie nicht einmal mehr das Ende jenes fluchbeladenen Jahres erlebte … welche der beiden hat es Ihrer Ansicht nach glucklich getroffen?

Ich habe etwas Geld & kann mehr bescha f fen, hatte Henry geschrieben, und das tat er auch. Nur wenige Stunden nachdem er die kesse Victoria gekusst hatte (die folgende Antwort fur Shannon mitnahm: Er sagt, er kann’s kaum noch erwarten), uberfiel ein junger Mann mit tief in die Stirn gezogener flacher Schirmmutze und einem Halstuch vor Mund und Nase die First National Bank in Omaha. Diesmal erbeutete der Tater 800 Dollar, was eine schone Beute war. Aber der Wachmann hier war junger und nahm seine Pflichten ernster, was weniger schon war. Der Bankrauber musste ihn in den Oberschenkel schie?en, um fluchten zu konnen, und obwohl Charles Griner uberlebte, setzte eine Infektion ein (das konnte ich mitfuhlen), und er verlor das Bein. Als ich ihn im Fruhjahr 1925 im Haus seiner Eltern besuchte, beurteilte er die Sache recht abgeklart.

»Ich kann von Gluck sagen, dass ich uberhaupt noch lebe«, meinte er. »Bis jemand mir das Bein abgebunden hat, habe ich in einer Blutlache gelegen, die fast eine verdammte Handbreit hoch war. Ich wette, dass jemand eine ganze Schachtel Dreft gebraucht hat, um diese Schweinerei zu beseitigen.«

Als ich mich fur meinen Sohn entschuldigen wollte, winkte er ab.

»Ich hatte mich ihm nie in den Weg stellen sollen. Er hatte die Mutze tief in die Stirn gedruckt und das Halstuch bis uber die Nase hochgezogen, aber ich konnte die Augen gut erkennen. Ich hatte wissen mussen, dass er nur durch einen Schuss zu stoppen sein wurde, aber ich bin gar nicht an meine Waffe rangekommen. Es hat in seinen Augen gestanden, wissen Sie? Aber damals war ich selbst jung. Jetzt bin ich alter. Ihr Sohn hatte nie eine Chance, das zu werden. Mein Beileid zu Ihrem Verlust.«

Nach diesem Uberfall hatte Henry mehr als genug Geld, um sich ein Auto zu kaufen - ein schones, eine Cabriolimousine -, aber er hutete sich davor. (Wahrend ich dies schreibe, empfinde ich wieder einen gewissen Stolz - schwach ausgepragt, aber nicht zu leugnen.) Ein Junge, der aussah, als wurde er sich erst seit ein paar Wochen rasieren, schwenkte genug Bargeld, um einen fast neuen Olds zu kaufen? Damit hatte er die Polizei gleich auf dem Hals gehabt.

Statt ein Auto zu kaufen, stahl er eines. Ebenfalls keine Cabriolimousine; stattdessen entschied er sich fur ein nettes, unscheinbares Ford-Coupe. Dies war der Wagen, mit dem er hinter St. Eusebia parkte, und dies war der Wagen, in den Shannon stieg, nachdem sie heimlich ihr Zimmer verlassen hatte, mit ihrer Reisetasche in der Hand die Treppe hinuntergeschlichen war und sich durch ein Fenster des Waschraums neben der Kuche gezwangt hatte. Sie hatten Zeit fur einen einzigen Kuss - Arlette sagte nichts davon, aber ich besitze noch ausreichend Phantasie -, dann lenkte Henry den Ford nach Westen. Bei Tagesanbruch waren sie auf dem Highway von Omaha nach Lincoln unterwegs. Gegen 3 Uhr nachmittags mussen sie nahe an seinem

Ihr Leben auf der Flucht hatte begonnen.

Arlette flusterte mir mehr uber dieses Leben ins Ohr, als ich wissen wollte, und ich bringe es nicht ubers Herz, es hier in allen Einzelheiten zu schildern. Wenn Sie mehr erfahren wollen, konnen Sie sich gern an die offentliche Stadtbucherei in Omaha wenden. Gegen Gebuhr erhalten Sie dort hektographierte Kopien von Berichten uber die Sweetheart Bandits, als die sie bekannt wurden (und wie sie sich selbst nannten). Auch wenn Sie nicht in Omaha leben, finden Sie vielleicht sogar welche im Archiv Ihrer Heimatzeitung; das Ende der beiden galt als so tragisch anruhrend, dass landesweit daruber berichtet wurde.

Der hubsche Hank und die su?e Shannon, nannte der World-Herald sie. Auf den Photographien sahen sie unmoglich jung aus. Ich wollte mir diese Aufnahmen nicht ansehen, aber ich tat es naturlich doch. Es gibt mehr als eine Moglichkeit, von Ratten gebissen zu werden, nicht wahr?

In den Sandhugeln von Nebraska hatte der gestohlene Wagen eine Reifenpanne. Als Henry eben das Reserverad montierte, kamen zwei Manner zu Fu? heran. Einer von ihnen zog aus einer Schlinge unter seinem Mantel eine Schrotflinte - einst im Wilden Westen als Banditen-Klauenhammer bezeichnet - und bedrohte damit die ausgerissenen Liebenden. Henry hatte keine Chance, an seine Pistole heranzukommen; sie steckte in seiner Jackentasche, aber hatte er danach gegriffen, ware er bestimmt erschossen worden. So wurde der Rauber beraubt. Unter dem kalten

Die junge Frau in seiner Begleitung, erzahlte der Farmer einem Reporter, stand mit dem Rucken zu ihnen auf der Veranda. Der Farmer glaubte, sie habe geweint. Er sagte, sie habe ihm leidgetan, weil sie ein schuchternes kleines Ding gewesen sei: unverkennbar schwanger und mit einem jungen Desperado unterwegs, der kein gutes Ende nehmen wurde.

Ob sie versucht habe, ihn daran zu hindern, fragte der Reporter. Ob sie versucht habe, ihm den Uberfall auszureden.

Nein, sagte der Farmer. Sie hatte ihnen nur den Rucken zugekehrt, als wurde sie glauben, was sie nicht sehe, passiere auch nicht. Der klapprige alte Reo des Farmers wurde in der Nahe des Bahnhofs von McCook verlassen aufgefunden - mit einem Zettel auf dem Fahrersitz: Hier ist erst mal Ihr Wagen; das

Вы читаете Zwischen Nacht und Dunkel
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату