MUTTERN, SCHARNIERE, HASPEN & WINKEL, DICHTUNGEN und - das fand sie geradezu ruhrend - KRIMSKRAMS. An der Wand hing ein Kalender mit einer Badenixe aus Sports Illustrated, die deprimierend jung und sexy aussah; links neben dem Kalender waren mit Rei?zwecken zwei Fotos befestigt. Eines war ein alter Schnappschuss von Donnie und Petra auf dem Little-League-Feld in Yarmouth, beide in Trikots der Boston Red Sox. Darunter hatte Bob mit Magic Marker DIE HEIMMANNSCHAFT, 1999 geschrieben. Das andere Foto, viel neuer, zeigte die fast zu einer Schonheit herangewachsene Petra mit ihrem Verlobten Michael, der einen Arm um sie gelegt hatte, in Old Orchard Beach vor einem Muschelstand. Unter diese Aufnahme hatte Bob mit Magic Marker geschrieben: DAS GLUCKLICHE PAAR!

Das Schrankchen mit den Batterien trug einen Dymo-Tape-Streifen mit dem Wort ELEKTROKRAM und hing links neben den Fotos. Darcy bewegte sich in diese Richtung, ohne darauf zu achten, wohin sie ging - weil sie sich auf Bobs fast manische Ordnungsliebe verlie? -, und stolperte uber einen nicht ganz unter die Werkbank geschobenen Karton. Sie taumelte und klammerte sich dann im letzten Augenblick an die Werkbank. Sie brach sich dabei einen Fingernagel ab - schmerzhaft und argerlich -, bewahrte sich aber vor einem hasslichen Sturz, was gut war. Sehr gut, wenn man bedachte, dass niemand im Haus gewesen ware, um die Notrufnummer zu wahlen, wenn sie

Sie hatte den Karton einfach mit dem Innenrist unter die Werkbank zuruckschieben konnen - das wurde sie spater erkennen und angestrengt daruber nachgrubeln wie ein Mathematiker, der eine abstrus komplizierte Gleichung zu losen versuchte. Schlie?lich hatte sie es eilig. Aber sie sah oben in dem Karton einen Strickwarenkatalog von Patternworks und kniete nieder, um ihn an sich zu raffen und mit den Batterien ins Haus mitzunehmen. Aber als sie ihn herausnahm, lag darunter ein Katalog von Brookstone, den sie verlegt zu haben glaubte. Und darunter Paula Young … Talbots … Forzieri … Bloomingdale’s …

»Bob!«, rief sie, nur kam sein Name in zwei emporten Silben heraus (wie manchmal, wenn er Schmutz ins Haus schleppte oder seine nassen Handtucher auf dem Fu?boden im Bad liegen lie?, als ware dies ein Luxushotel mit Zimmermadchen), nicht wie Bob, sondern als BO-hob! Weil sie wirklich in ihm lesen konnte wie in einem Buch. Er fand, sie bestelle zu viel aus Versandhauskatalogen, hatte einmal sogar behauptet, sie sei suchtig nach ihnen (was lacherlich war; es waren Butterfinger, nach denen sie suchtig war). Diese kleine psychologische Analyse hatte ihm eine zweitagige kalte Schulter eingebracht. Aber er wusste, wie ihr Verstand arbeitete und dass sie bei Dingen, die nicht unbedingt lebenswichtig waren, das originale »Aus den Augen, aus dem Sinn«-Madchen war. Daher hatte er ihre Kataloge eingesammelt, der Leisetreter, und hier aufbewahrt. Als Nachstes waren sie vermutlich in den Papiercontainer geflogen.

Danskin … Express … Computer Outlet … Macworld … Monkey Ward … Layla Grace …

Je tiefer sie grub, desto emporter wurde sie. Man hatte glauben konnen, sie stunden wegen ihrer Verschwendungssucht Two and a Half Men war langst vergessen; sie uberlegte bereits, wie sie Bob die Meinung sagen wurde, wenn er aus Montpelier anrief (er rief immer an, wenn er zu Abend gegessen hatte und wieder in seinem Motel war). Aber als Erstes wurde sie alle diese Kataloge in das verflixte Haus zuruckschaffen, auch wenn sie dazu drei- oder viermal gehen musste, weil der Stapel mindestens einen halben Meter hoch und diese Hochglanzkataloge schwer waren. Wirklich kein Wunder, dass sie uber den Karton gestolpert war.

Tod durch Kataloge, dachte sie. Was fur eine verruckte Art, aus dem Leben …

Dieser Gedanke brach so sauber ab wie ein durrer Ast. Sie hatte beim Nachdenken weitergeblattert, war jetzt im zweiten Viertel des Stapels und stie? unter Gooseberry Patch (County Decor) auf etwas, das kein Katalog war. Nein, uberhaupt kein Katalog. Es war ein Magazin, das Bondage Bitches hie?. Sie nahm es beinahe nicht heraus und hatte es vermutlich nicht angefasst, wenn sie es in einer seiner Schubladen oder in dem oberen Fach bei den Wunderhaarwuchsmitteln gefunden hatte. Aber weil sie es hier fand, in einem Stapel von mindestens zweihundert Katalogen - ihren Katalogen - versteckt … nun, darin lag etwas, was uber die Verlegenheit hinausging, die ein Mann wegen bizarrer sexueller Vorlieben empfinden mochte.

Die Frau auf dem Cover war an einen Stuhl gefesselt und bis auf eine schwarze Kapuze nackt, aber die Kapuze bedeckte nur ihre obere Gesichtshalfte, so dass zu sehen war, wie sie schrie. Sie war mit dicken Stricken gefesselt, die in Bruste und Bauch einschnitten. An Kinn, Hals und Armen hatte sie Theaterblut. Unten auf dem Cover stand in schrillem Gelb eine widerliche Anpreisung: BAD BITCH BRENDA WOLLTE ES HABEN UND KRIEGT ES AUF SEITE 49!

Darcy hatte nicht die Absicht, Seite neunundvierzig oder irgendeine andere Seite aufzuschlagen. Sie erklarte sich bereits selbst, was das war: mannlicher Forscherdrang. Daruber Bescheid wusste sie aus einem Artikel im Cosmo, den sie beim Zahnarzt im Wartezimmer gelesen hatte. Eine Frau hatte an einen der vielen Ratgeber der Zeitschrift geschrieben (in diesem Fall an die fest angestellte Psychologin, die auf das oft ratselhafte Sexualleben von Mannern spezialisiert war), weil sie im Aktenkoffer ihres Mannes ein paar Schwulenmagazine gefunden hatte. Sehr deutliche Darstellungen, hatte die Leserin geschrieben, und nun mache sie sich Sorgen, ihr Mann konne heimlich schwul sein. Aber wenn er das sei, fugte sie hinzu, verberge er das im Schlafzimmer recht gut.

Keine Sorge, sagte die Briefkastentante. Manner seien von Natur aus abenteuerlustig, und viele von ihnen interessierten sich fur sexuelle Verhaltensweisen, die alternativ - schwuler Sex an erster Stelle, gleich dahinter Gruppensex - oder fetischistisch seien: Natursekt, Crossdressing, Sex in der Offentlichkeit, Latex. Und naturlich Bondage. Sie hatte hinzugefugt, es gebe auch Frauen, die von Bondage fasziniert seien, was Darcy ein Ratsel gewesen war, aber sie hatte als Erste zugegeben, nicht alles zu wissen.

Mannlicher Forscherdrang, mehr steckte nicht dahinter. Vielleicht hatte er das Magazin an irgendeinem Zeitungsstand gesehen (als Darcy sich diesen speziellen Titel an einem Zeitungsstand vorzustellen versuchte, streikte allerdings ihr Verstand) und war neugierig gewesen. Oder vielleicht hatte er es in einem Tankstellenshop aus einem Abfallkorb geangelt. Er hatte es mit nach Hause genommen, hatte es hier drau?en in der Garage durchgeblattert, war ebenso entsetzt gewesen wie sie (das Blut an dem Penthouse - sie wusste, dass die meisten Manner auf Spitzen und Seide standen, und Bob war da keine Ausnahme -, aber nichts mehr im Genre von Bondage Bitches.

Als sie den Titel erneut betrachtete, fiel ihr etwas Seltsames auf: Er trug keinen Preisaufdruck. Auch keinen Strichcode. Weil sie neugierig war, was solch ein Magazin kosten konnte, sah sie sich die Ruckseite an und zuckte wegen des dortigen Bildes noch mal zusammen: eine nackte Blondine war auf etwas festgeschnallt, was ein stahlerner Operationstisch zu sein schien. Ihr entsetzter Gesichtsausdruck wirkte jedoch ungefahr so echt wie ein Dreidollarschein, was irgendwie beruhigend war. Und der Dicke, der mit etwas, was wie ein Ginsu-Messer aussah, uber ihr stand, sah mit den Armstulpen und dem Lederslip ebenso lacherlich aus - mehr wie ein Buchhalter als jemand, der gleich die Bondage Bitch du jour zerstuckeln wurde.

Bob ist ein Buchhalter, warf ihr Verstand ein.

Ein dummer Gedanke aus dem leider nur allzu gro?en Dummen Bereich ihres Gehirns. Sie schob ihn von sich weg, genau wie sie das bemerkenswert widerliche Magazin wieder unter die Kataloge schob, nachdem sie sich davon uberzeugt hatte, dass auch hinten kein Preis aufgedruckt war. Und als sie den Karton unter die Werkbank zuruckschob - sie wollte die Kataloge nun doch nicht ins Haus mitnehmen -, fiel ihr die Losung des Kein-Preis/kein-Strichcode-Ratsels ein. Es handelte sich um eines der Magazine, die in einer festen Plastikhulle verkauft wurden, die

Vielleicht hat er es ubers Internet gekauft. Bestimmt gibt es Anbieter, die auf solchen Schund spezialisiert sind. Von jungen Frauen, die wie Zwolfjahrige angezogen und zurechtgemacht sind, ganz zu schweigen.

»Schon gut«, sagte sie und nickte einmal knapp. Damit ware das erledigt, abgehakt, aus und vorbei. Wurde sie ihren Fund am Telefon erwahnen, wenn er spater anrief - oder nach seiner Ruckkehr -, wurde er beschamt und defensiv reagieren. Er wurde sie wahrscheinlich sexuell naiv nennen, was sie vermutlich auch war, und ihr eine Uberreaktion vorwerfen, die sie aber unbedingt vermeiden wollte. Was sie tun wollte, war: Roll widdit, Baby. Eine Ehe glich einem standig im Bau befindlichen Haus, das jedes Jahr um neue Zimmer erweitert wurde. Eine Ehe im ersten Jahr war ein Cottage; nach siebenundzwanzig Jahren war sie eine riesige, weitlaufige Villa. Darin musste es Winkel und Lagerraume geben, von denen manche ein paar unangenehme Relikte enthielten, die man lieber nicht gefunden hatte. Aber das war kein Drama. Man warf diese Relikte auf den

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