Mull oder gab sie fur karitative Zwecke im Goodwill Store ab.

Dieser Gedanke (der ihr schlussig erschien) gefiel ihr so gut, dass sie ihn laut aussprach: »Kein Drama.« Und um sich das zu beweisen, schob sie den Karton mit beiden Handen kraftig an, so dass er bis an die Wand rutschte.

Wo ein Poltern zu horen war. Was war das?

Ich will’s gar nicht wissen, sagte sie sich, und war sich ziemlich sicher, dass dieser Gedanke nicht aus dem Dummen, sondern aus dem Cleveren Bereich kam. Unter der

Darcy stand auf, klopfte sich die Knie ab und verlie? in ihrem Hausmantel die Garage. Auf halbem Weg ins Haus horte sie das Telefon klingeln.

3

Sie war schon in der Kuche, bevor der Anrufbeantworter sich einschaltete, aber sie wartete. Wenn es Bob war, wurde sie das Gerat antworten lassen. Sie wollte nicht gleich jetzt mit ihm reden. Sie befurchtete, er konnte etwas in ihrer Stimme horen. Er wurde annehmen, sie sei zum Laden an der Ecke oder vielleicht zum Video Village gefahren, und in einer Stunde noch einmal anrufen. In einer Stunde, wenn ihre unangenehme Entdeckung Zeit gehabt hatte, sich etwas zu setzen, wurde sie wieder weitgehend normal sein, so dass sie sich angenehm unterhalten konnten.

Aber es war nicht Bob, es war Donnie. »Ach, Mist, eigentlich wollte ich mit euch reden.«

Sie nahm den Horer ab, lehnte sich an die Arbeitsplatte und sagte: »Dann red. Ich war nur in der Garage.«

Donnie sprudelte geradezu uber vor Neuigkeiten. Er lebte jetzt in Cleveland, Ohio, und nach zweijahriger undankbarer Plackerei in untergeordneter Stellung in der gro?ten Werbeagentur der Stadt hatten sein Freund und er beschlossen, sich selbststandig zu machen. Bob hatte ihm nachdrucklich davon abgeraten und Donnie erklart, sein Partner und er hatten keine Chance, den Grunderkredit zu bekommen, den sie brauchten, um das erste Jahr zu uberstehen.

»Wach auf!«, hatte er gesagt, nachdem Darcy ihm das Telefon ubergeben hatte. Das war im zeitigen Fruhjahr gewesen, als sich unter Baumen und Buschen im Garten noch vereinzelte Schneereste gehalten hatten. »Du bist vierundzwanzig, Donnie, und dein Kumpel Ken ist so alt wie du. Ihr beiden Lummel konnt noch ein weiteres Jahr lang keine Kaskoversicherung fur eure Autos bekommen, nur eine Haftpflichtversicherung. Keine Bank gibt euch siebzigtausend Dollar Grunderkredit - erst recht nicht in diesen schwierigen Zeiten.«

Aber sie hatten den Kredit bekommen, und jetzt hatten sie zwei Gro?kunden gewonnen, beide am gleichen Tag. Einer war ein Autohandler, der einen neuen Ansatz fur eine Werbekampagne suchte, die Mittdrei?iger ansprechen sollte. Der andere war dieselbe Bank, die Anderson & Hayward den Grunderkredit gewahrt hatte. Donnie jubelte geradezu, und seine Mutter stimmte freudig ein. Sie sprachen ungefahr zwanzig Minuten miteinander. Einmal wurde ihr Gesprach durch das Doppelpiepsen unterbrochen, mit dem ein eingehender Anruf gemeldet wurde.

»Willst du den annehmen?«, fragte Donnie.

»Nein, das ist nur dein Vater. Er ist in Montpelier und besichtigt eine Sammlung von Stahlpennys. Er ruft noch mal an, bevor er ins Bett geht.«

»Wie geht’s ihm denn?«

Gut, dachte sie. Entwickelt neue Interessen.

»Aufrecht und die Luft schnuffelnd«, sagte sie. Das war einer von Bobs Lieblingsausdrucken, und er brachte Donnie zum Lachen. Sie liebte es, ihn lachen zu horen.

»Und Pets?«

»Ruf an und frag sie selbst, Donald.«

»Das werde ich, das werde ich. Irgendwann komme ich schon dazu. Bis dahin reicht mir eine Kurzfassung.«

»Ihr geht es sehr gut. Macht Heiratsplane.«

»Man konnte glauben, die Hochzeit ware schon nachste Woche - nicht erst im kommenden Juni.«

»Donnie, wenn du dich nicht bemuhst, Frauen zu verstehen, wirst du nie heiraten.«

»Das hat keine Eile. Ich amusiere mich zu gut.«

»Aber hoffentlich vorsichtig.«

»Ich bin sehr vorsichtig und sehr hoflich. Ich muss jetzt weg, Ma. In einer halben Stunde treffe ich mich mit Ken auf einen Drink. Wir wollen mit dem Brainstorming wegen dieser Autosache anfangen.«

Sie hatte ihn beinahe ermahnt, nicht zu viel zu trinken, hielt sich aber gerade noch zuruck. Er sah vielleicht noch immer wie ein Highschool-Junior aus, und ihr stand sehr deutlich vor Augen, wie er als Funfjahriger in einem roten Cordsamtjumper unermudlich mit seinem Roller auf den betonierten Wegen im Joshua Chamberlain Park in Pownal unterwegs gewesen war, aber jetzt war er keiner dieser Jungen mehr. Er war ein junger Mann und - so unwahrscheinlich das klingen mochte - ein Jungunternehmer, der seinen Weg machen wurde.

»Okay«, sagte sie. »Danke fur den Anruf, Donnie. Es war schon, mit dir zu reden.«

»Gleichfalls. Bestell dem alten Knaben einen schonen Gru? von mir, wenn er anruft.«

»Wird gemacht.«

»Aufrecht und die Luft schnuffelnd«, sagte Donnie und kicherte. »Wie vielen Jungpfadfindern er das wohl beigebracht hat?«

»Bestimmt allen.« Darcy offnete den Kuhlschrank, um zu sehen, ob darin zufallig ein Butterfinger lag, der gekuhlt auf ihre gierigen Lippen wartete. Pech. »Eine erschreckende Vorstellung.«

»Hab dich lieb, Mama.«

»Ich dich auch.«

Sie legte auf und fuhlte sich wieder gut. Und lachelte. Aber ihr Lacheln verblasste, wahrend sie an die Arbeitsplatte gelehnt dastand.

Ein Poltern.

Als sie den schweren Karton mit den Katalogen unter die Werkbank zuruckgeschoben hatte, hatte sie ein Poltern gehort. Kein Klirren oder Scheppern wie von einem dort liegenden Werkzeug, sondern ein Poltern. Irgendwie hatte es hohl geklungen.

Das ist mir egal.

Leider war dem nicht so. Das Poltern verkorperte etwas Unerledigtes. Der Karton ubrigens auch. Waren darin weitere Magazine wie Bondage Bitches versteckt?

Ich will’s nicht wissen.

Richtig, richtig, aber vielleicht sollte sie es trotzdem rausbekommen. Sollte es nur das eine Magazin geben, hatte sie recht, wenn sie annahm, es handle sich um sexuelle Neugier, die durch einen einzigen Blick in eine zwielichtige (und gestorte, wie sie fur sich selbst hinzufugte) Welt vollig befriedigt worden war. Gab es jedoch mehrere, konnte das noch immer in Ordnung sein - schlie?lich war er dabei, sie wegzuwerfen -, aber vielleicht sollte sie davon wissen.

Vor allem … dieses Poltern. Es beschaftigte sie mehr als die Sache mit den Magazinen.

Sie schnappte sich die Stablampe aus dem Besenschrank und machte sich wieder auf den Weg in die Garage. Diesmal hielt sie die Aufschlage ihres Hausmantels gleich zusammen und wunschte sich, sie hatte eine Jacke darubergezogen. Es begann wirklich kalt zu werden.

4

Darcy kniete sich hin, schob den Karton mit Katalogen beiseite und leuchtete mit der Stablampe unter die Werkbank. Im ersten Augenblick begriff sie nicht, was sie sah: zwei dunkle Linien, die die glatte Fu?leiste senkrecht durchschnitten, eine etwas breiter als die andere. Dann bildete sich in ihrer Korpermitte ein Strahl aus Unbehagen, der vom Brustbein bis in die Magengrube reichte. Dies war ein Versteck.

Lass die Finger davon, Darcy. Das geht nur ihn etwas an, und um des eigenen Seelenfriedens willen solltest du es dabei belassen.

Ein guter Rat, nur war sie schon zu sehr in diese Sache verwickelt, um ihn zu beherzigen. Sie kroch mit der Stablampe in der Hand unter die Werkbank und machte sich darauf gefasst, Spinnweben zu spuren, aber es gab keine. Wenn sie das originale »Aus den Augen, aus dem Sinn«-Madchen war, war ihr kahl werdender, Munzen sammelnder, Pfadfinder spielender Ehemann der originale Mr. Saubermann.

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