?en mussten. Es war schlie?lich ihr viertes Haus, das sie ohnehin nur eine Woche im Jahr nutzten. Doch sie hatte es nicht begriffen. Sie hatte in einer Tour geheult und dann im Gastezimmer ubernachtet. Oh, Gott, wurde es so weitergehen? Was passierte, wenn sie ihr Zuhause verkaufen mussten? Was wurde sie tun, wenn sie die Kinder aus der Privatschule nehmen mussten?

Wahrend der ganzen Zeit hatte er nichts von Hauser gehort. Was trieb der Mann eigentlich, verdammt? War ihm irgendwas zugesto?en? Hatte er aufgegeben? Skiba merkte, wie ihm schon wieder der Schwei? ausbrach. Er konnte es nicht ausstehen, dass sein und das Schicksal seines Unternehmens in den Handen eines solchen Mannes lag.

Das chiffrierte Telefon meldete sich. Skiba machte im wahrsten Sinn des Wortes einen Luftsprung. Es war zehn Uhr morgens. Hauser rief nie morgens an. Trotzdem wusste er irgendwie, dass er es war.

»Ja?« Skiba versuchte, nicht au?er Atem zu klingen.

»Skiba?«

»Ja, ja.«

»Wie geht's?«

» Gut.«

»Die Sache schon uberschlafen?«

Skiba schluckte. Da war der Klumpen wieder, der Blei-klumpen in seinem Magen. Er kriegte fast kein Wort heraus, denn er blockierte seine Kehle. Zwar hatte er schon einen gehoben, aber ein weiterer Schluck wurde ihn nicht gleich aus den Pantinen hebeln. Also legte er den Horer hin, zog die Schranktur auf und schenkte sich ein Glas ein. Er machte sich nicht mal die Muhe, den Whisky mit Soda zu verdunnen.

»Ich wei?, dass es 'ne harte Sache ist, Lewis. Aber die Zeit ist gekommen. Wollen Sie den Codex nun haben oder nicht? Ich kann die Sache jetzt noch abblasen und umkehren. Was meinen Sie?«

Skiba schluckte die scharfe goldene Flussigkeit. Dann fand er seine Stimme wieder, die in einem gebrochenen Flustern aus ihm drang: »Ich habe Ihnen mehr als einmal gesagt, dass ich nichts damit zu tun haben will. Sie sind fast acht-tausend Kilometer von mir entfernt. Ich habe keine Kontrolle uber Sie. Sie tun, was Sie wollen. Bringen Sie mir nur den Codex.«

»Ich hab das nicht verstanden. Liegt wohl an der Verschlusselung ...«

»Tun Sie einfach, was Sie tun mussen!«, brullte Skiba.

»Und lassen Sie mich da raus!«

»Oh, nein, nein, nein - neiiin! Nein. Ich hab's Ihnen doch schon erklart, Skiba. Bei dieser Sache arbeiten wir zusammen, Partner.«

Skibas Hand umklammerte den Horer mit morderischer Kraft. Er zitterte am ganzen Korper. Irgendwie hatte er das Gefuhl, Hauser erdrosseln zu konnen, wenn er nur fest genug zudruckte.

»Schaff ich sie mir nun vom Hals oder nicht?«, fuhr die heiter klingende Stimme fort. »Wenn ich es nicht tue, werden sie, selbst wenn ich den Codex kriege, zuruckkehren und Sie verklagen. Und wissen Sie, was dann passiert, Lewis? Sie konnen diesen Prozess nicht gewinnen. Man wird Ihnen den Codex wegnehmen. Sie haben gesagt, Sie wollen ihn gratis, ohne Komplikationen und Gerichtsverfahren.«

»Ich werde ihnen Lizenzgebuhren zahlen. Sie werden Millionen verdienen.«

»Sie werden nicht mit Ihnen verhandeln. Sie haben andere Plane mit dem Codex. Hab ich Ihnen das nicht erzahlt? Die Frau, diese Sally Colorado, hat namlich auch Plane, und zwar gro?e Plane.«

»Was fur Plane?« Skiba schlotterten alle Glieder.

»In diesen Planen kommt Ihr Unternehmen nicht vor.

Mehr brauchen Sie nicht zu wissen. Horen Sie, Skiba, das ist das Problem mit euch Typen aus der Geschaftswelt. Ihr wisst nicht, wann es an der Zeit ist, harte Entscheidungen zu fallen.«

»Sie sprechen hier von Menschenleben.«

»Wei? ich. Fur mich ist es auch nicht leicht. Wagen Sie das Gute gegen das Bose ab. Ein paar Menschen verschwinden in einem unbekannten Dschungel. Das ist die eine Seite. Die andere besteht aus lebensrettenden Medikamenten fur Millionen; zwanzigtausend Menschen, deren Arbeitsplatz erhalten bleibt; Aktionare, die Sie vergottern werden, statt nach Ihrem Blut zu schreien. Und Sie werden der Liebling der Wall Street sein, weil Sie die Firma vor dem Abgrund bewahrt haben.«

Skiba schluckte erneut. »Ich brauche noch einen Tag, um daruber nachzudenken.«

»Geht nicht. Die Entwicklung erlaubt es nicht. Wissen Sie noch, dass ich gesagt habe, dass ich sie werde aufhalten mussen, bevor sie die Berge erreichen? Wenn es Ihren Geist weniger belastet, Lewis: Ich werde es nicht personlich tun.

Es gibt hier ein paar honduranische Soldaten. Abtrunnige.

Ich kann sie kaum noch in Schach halten. Diese Typen sind verruckt. Die sind zu allem fahig. Hier unten passieren solche Dinge standig. He, ich brauch mich nur umzudrehen, dann legen die Soldaten sie auf der Stelle um. Was soll ich also tun, Lewis? Soll ich sie mir vom Hals schaffen und Ihnen den Codex bringen? Oder soll ich umkehren und alles vergessen? Ich muss jetzt weiter. Wie lautet Ihre Antwort?«

»Dann tun Sie es!«

Statisches Summen.

»Sprechen Sie es aus, Lewis. Sagen Sie, was ich tun soll.«

»Tun Sie es! Bringen Sie sie um, verdammt noch mal! Bringen Sie die Broadbents um!«

32

Zweieinhalb Tage nach der Attacke der Schlange, als sie erneut durch einen endlosen Wasserkanal stakten, fiel Tom auf, dass der Sumpf heller wurde und Sonnenschein durch die Wipfel fiel. Dann lie?en die beiden Einbaume den Meambar-Sumpf mit verbluffender Schnelligkeit hinter sich. Es war, als kamen sie in eine andere Welt. Sie befanden sich am Rand eines riesigen Sees, dessen Wasser so schwarz war wie Tinte. Die Sonne des Spatnachmittags brach durch die Wolken, und Tom spurte eine Woge der Erleichterung, weil sie endlich im Freien waren und das grune Gefangnis des Dschungels sie ausgespuckt hatte. Eine frische Brise vertrieb die Schwarzfliegen. Tom erblickte am anderen Ufer blaue Hugel und dahinter die verschwommene Linie einer sich in die Wolken windenden Bergkette.

Don Alfonso richtete sich am Bug des Bootes auf und breitete die Arme aus. Die in seiner faltigen Faust sichtbare Maiskolbenpfeife lie? ihn wahrhaftig wie eine Vogelscheu-che wirken. »Die schwarze Lagune!«, rief er. »Wir haben den Meambar-Sumpf durchquert! Ich, Don Alfonso Boswas, habe uns den Weg gewiesen!«

Chori und Pingo lie?en die Motoren zu Wasser und schal-teten sie ein. Die Boote fuhren auf das gegenuberliegende Seeufer zu. Tom lehnte sich gegen den Ausrustungsstapel und genoss den kostlichen Luftstrom, wahrend Kniich, das Affchen, aus seiner Hemdtasche kletterte und auf seinem Kopf thronend mitfuhr. Dabei schloss er die Augen, schnalzte mit der Zunge und schnatterte zufrieden vor sich hin. Tom hatte fast vergessen, wie sich kuhle Luft auf der Haut anfuhlte.

Sie lagerten an einem Sandstrand auf der anderen Seite des Sees. Chori und Pingo gingen auf die Jagd und kehrten eine Stunde spater mit einem ausgenommenen und zerlegten Hirschen zuruck. Die blutigen Teile hatten sie in Palmwedel gewickelt.

»Ausgezeichnet!«, rief Don Alfonso. »Heute Abend essen wir Hirschkoteletts, Tomas. Alles Ubrige rauchern wir fur den Rest der Reise!«

Er briet die Lendenstucke uber dem Feuer, wahrend Pingo und Chori gleich nebenan uber einem zweiten Feuer ein Rauchergestell bauten. Tom schaute interessiert zu, als sie mit den Macheten fachmannisch lange Fleischstreifen ab-schnitten und aufhangten. Dann stapelten sie feuchtes Holz auf das Feuer und erzeugten so wohlriechende Rauchwol-ken.

Die Koteletts waren bald fertig. Don Alfonso verteilte sie.

Als sie a?en, brachte Tom eine Frage auf, die er schon lange hatte stellen wollen: »Wie geht es von hier aus weiter, Don Alfonso?«

Don Alfonso warf einen Knochen hinter sich in die Dunkelheit. »Funf Flusse stromen in die Schwarze Lagune. Wir mussen herauskriegen, welchen Ihr Vater hinaufgefahren ist.«

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