herunter.
Cethegus sah's: «Jetzt», rief er, «jetzt zum Sturm!»
«Nein, haltet ein!» rief mit Löwenstimme Belisarius. «Der ist ein Feind des Kaisers, der ist des Todes, der das Schwert erhebt. Zurück ins Lager alle: jetzt ist Ravenna mein - und morgen fällt's von selbst.»
Und seine Tausende folgten ihm und zogen zurück. Cethegus knirschte. Er allein war zu schwach. Er mußte nachgeben. Sein Plan war gescheitert. Er hatte die Stadt mit Sturm nehmen wollen, um, wie in Rom, sich in ihren Hauptwerken festzusetzen.
Und er sah voraus, daß sie nun ganz in Belisars Hand werde geliefert werden. Grollend führte er die Seinen zurück.
Aber es sollte anders kommen, als Belisar und als Cethegus dachten.
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Der König hatte den Schutz der Mauerlücke am Turm des Aetius Hildebad übertragen und war sofort auf die Brandstätte geeilt.
Als er dort eintraf, fand er das Feuer im Erlöschen: - aber nur aus Mangel an Nahrung. Der ganze Inhalt, der Speicher samt deren Brettergerüsten und dem Dach, alles, was durch Feuer zerstörbar, war bis auf den letzten Splitter und das letzte Korn verbrannt. Nur die nackten, ruß und rauchgeschwärzten Steinmauern des ursprünglichen Marmorbaus, des Zirkus des Theodosius, starrten noch gen Himmel.
Ein Mal des Blitzstrahls war an ihnen nicht wahrzunehmen. Das Feuer mußte sehr lange Zeit von innen heraus, wo der Blitz den Holzbau entzündet haben mochte, unvermerkt fortgeglimmt sein und sich über alle Innenräume des Holzbaues schleichend verbreitet haben. Als Flammen und Rauch aber zu den Dachlücken herausschlugen, war alle Hilfe zu spät. Krachend war bald darauf der Rest des Holzbaues zusammengestürzt; die Einwohner hatten vollauf zu tun, die nächsten, teilweise schon vom Feuer ergriffenen Häuser zu retten. Dies gelang mit Hilfe des Regens, der kurz vor Tagesanbruch endlich einfiel und dem Sturm sowie dem Blitz und Donner ein Ende machte.
Aber statt der Speicher beleuchtete die aufgehende Sonne, als sie das Gewölk zerstreute, nur einen trostlosen Haufen Schutt und Asche in der Mitte des Marmorrundbaus.
Schweigend, mit tief gesenktem Haupt, lehnte der König lange Zeit diesen Ruinen gegenüber an einer Säule der Basilika.
Ohne Regung, nur manchmal den Mantel auf der mächtig arbeitenden Brust zusammendrückend. Im Anblick dieser Trümmer war ein schwerer Entschluß in ihm gereift. Jetzt ward es grabesstill in seinem Innern.
Jedoch um ihn her auf dem Platze wogte das Elend der verzweifelnden Armen von Ravenna betend, fluchend, weinend, scheltend. «Oh, was wird jetzt aus uns!» - «Oh, wie war das Brot so weiß, so gut, so duftend, das ich noch gestern hier erhielt.» - «Oh, was werden wir jetzt essen?»
«Bah, der König muß aushelfen.» - «Ja, der König muß Rat schaffen.» - «Der König?»
«Ach, der arme Mann, woher soll er's nehmen?» - «Hat er doch selbst nichts mehr.» - «Das ist seine Sache.» - «Er allein hat uns in all die Not gebracht.» - «Er ist an allem schuld.» -«Was hat er die Stadt nicht lang dem Kaiser übergeben.» -«Jawohl, ihrem rechtmäßigen Herrn!» - «Fluch den Barbaren!» -«Sie sind an allem schuld.» - «Nicht alle, nein, der König allein. Seht ihr's denn nicht? Es ist die Strafe Gottes!» - «Strafe? Wofür? Was hat er verbrochen? Er gab dem Volke von Ravenna Brot!» - «So wißt ihr's nicht? Wie kann der Eheschänder die Gnade Gottes haben? Der sünd'ge Mann hat ja zwei Weiber zugleich! Der schönen Mataswintha hat ihn gelüstet. Und er ruhte nicht, bis sie sein eigen war. - Sein ehelich Weib hat er verstoßen.»
Da schritt Witichis unwillig die Stufen herab. Ihn ekelte des Volkes. Aber sie erkannten seinen Schritt.
«Da ist der König! Wie finster er blickt», riefen sie durcheinander und wichen zur Seite. «Oh, ich fürchte ihn nicht. Ich fürchte den Hunger mehr als seinen Zorn. Schaff uns Brot, König Witichis. Hörst du's, wir hungern!» sprach ein zerlumpter Alter und faßte ihn am Mantel. «Brot, König!» - «Guter König, Brot!» - «Wir verzweifeln!» - «Hilf uns!» Und wild drängte sich die Menge um ihn.
Ruhig, aber kräftig machte sich Witichis frei. «Geduldet euch», sprach er ernst. «Bis die Sonne sinkt, ist euch geholfen.» Und er eilte nach seinem Gemach.
Dort warteten auf ihn mehrere Diener Mataswinthens und ein römischer Arzt.
«Herr», sprach dieser mit besorgter Miene, «die Königin, deine Gemahlin, ist sehr krank. Die Schrecken dieser Nacht haben ihren Geist verwirrt. Sie spricht wirre Fieberreden. Willst du sie nicht sehen?»
«Nicht jetzt, sorgt für sie.» - «Sie reichte mir», fuhr der Arzt fort, «mit größter Angst und Sorge diesen Schlüssel. Er schien sie in ihren Wahnreden am meisten zu beschäftigen. Sie holte ihn unter ihrem Kopfkissen hervor. Und sie ließ mich schwören, ihn nur in deine Hand zu geben, er sei von höchster Wichtigkeit.»
Mit einem bittern Lächeln nahm der König den Schlüssel und warf ihn zur Seite. «Er ist es nicht mehr. - Geht, verlaßt mich
und sendet meinen Schreiber.»
*
Eine Stunde später ließ Prokop den Präfekten in das Zelt des Feldherrn eintreten.
Als er eintrat, rief ihm Belisar, der mit hastigen Schritten auf und nieder ging, entgegen: «Das kommt von deinen Plänen, Präfekt! Von deinen Künsten! Von deinen Lügen! Ich hab' es immer gesagt: vom Lügen kommt Verderben, und ich verstehe mich nicht drauf! Oh, warum bin ich dir gefolgt! Jetzt steck' ich in Not und Schande!»
«Was bedeuten diese Tugendreden?» fragte Cethegus seinen Freund.
Dieser reichte ihm einen Brief. «Lies. Diese Barbaren sind unergründlich in ihrer großartigen Einfalt. Sie schlagen den Teufel durch Kindessinn; lies.»
Und Cethegus las mit Staunen: «Du hast mir gestern drei Dinge zu wissen getan:
Daß die Franken mich verraten haben. Daß du im Bund mit den Franken das Westreich deinem undankbaren Kaiser entreißen willst. Daß du uns Goten freien Abzug über die Alpen ohne Waffen anbietest.
Darauf habe ich dir gestern geantwortet, die Goten geben nie ihre Waffen ab und räumen nicht Italien, die Eroberung und Erbschaft ihres großen Königs: eher fall' ich hier mit meinem ganzen Heer. So habe ich gestern gesprochen. So spreche ich heute noch, obwohl sich Feuer, Wasser, Luft und Erde gegen uns empörten. Aber was ich immer dunkel gefühlt, hab' ich heut nacht unter den Flammen meiner Vorräte klar erkannt: es liegt ein Fluch auf mir. Um meinetwillen erliegen die Goten. Ich bin das Unglück meines Volkes. Das soll nicht länger also sein. Nur meine Krone versperrte einen ehrenvollen Ausweg: sie soll's nicht mehr. Du erhebst dich mit Recht gegen Justinian, den treulosen und undankbaren Mann. Er ist unser Feind wie der deine. Wohlan: stütze dich, statt auf ein Heer der falschen Franken, auf das ganze Volk der Goten, deren Kraft und Treue dir bekannt. Mit jenen sollst du Italien teilen: mit uns kannst du es ganz behalten. Laß mich den Ersten sein, der dich begrüßt wie als Kaiser des Abendlands so als König der Goten. Alle Rechte bleiben meinem Volk, du trittst einfach an meine Stelle. Ich
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