selber setze dir meine Krone auf das Haupt, und wahrlich: kein Justinian soll sie dir entreißen. Verwirfst du diesen Antrag: so mache dich gefaßt auf einen Kampf, wie du noch keinen gekämpft. Ich breche dann mit fünfzigtausend Goten in dein Lager. Wir werden fallen. Aber auch dein ganzes Heer. Eins oder das andre. Ich hab's geschworen. Wähle. Witichis.»

Einen Augenblick war der Präfekt aufs furchtbarste erschrocken. Rasch hatte er einen forschenden Blick auf Belisar geworfen. Aber dieser eine Blick beruhigte ihn wieder ganz. «Er ist ja Belisar», sagte er sich abermals. «Jedoch gefährlich ist es

immer, mit dem Teufel zu spielen. Welche Versuchung! -»

Er gab den Brief zurück und sagte lächelnd: «Welch ein Einfall! Wozu doch die Verzweiflung führt.»

«Der Einfall», meinte Prokop, «wäre gar nicht so übel, wenn... »

«Wenn Belisar nicht Belisar wäre», lächelte Cethegus.

«Spart euer Lachen», schalt dieser. «Ich bewundre den Mann. Und es darf mich nicht mehr beleidigen, daß er mich der Empörung fähig hält. Hab' ich es ihm doch selber vorgelogen.» Und er stampfte mit dem Fuß. «Ratet jetzt und helft! Denn ihr habt mich in diese leidige Wahl geführt. Ja sagen kann ich nicht. Und sag' ich nein: darf ich des Kaisers Heer als vernichtet ansehn. Und muß obendrein bekennen, daß ich die Empörung erlogen.»

Cethegus sann schweigend nach, das Kinn mit der Linken langsam streichend. Plötzlich durchblitzte ihn ein Gedanke. Ein Strahl der Freude flog verschönend über sein Gesicht: «So kann ich sie beide verderben!» Er war in diesem Augenblick sehr mit sich zufrieden. Aber erst wollte er Belisar ganz sicher machen. «Du kannst vernünftigerweise nur zwei Dinge tun», sagte er zaudernd.

«Rede, ich sehe weder eins noch das andre.»

«Entweder wirklich annehmen»

«Präfekt», rief Belisar grimmig und fuhr ans Schwert. Prokop hemmte erschrocken seinen Arm. «Keinen solchen Scherz mehr. Cethegus, so lieb dir dein Leben.»

«Oder», fuhr dieser ruhig fort, «zum Schein annehmen. Ohne Schwertstreich einziehn in Ravenna. Und - die Gotenkrone samt dem Gotenkönig nach Byzanz schicken.»

«Das ist glänzend!» rief Prokop. «Das ist Verrat!» rief Belisar.

«Es ist beides», sagte Cethegus ruhig.

«Ich könnte dem Gotenvolk nicht mehr in die Augen sehen.»

«Das ist auch nicht nötig. Du führst den gefangenen König nach Byzanz. Das entwaffnete Volk hört auf, ein Volk zu sein.»

«Nein, nein, das tu' ich nicht.»

«Gut. So laß dein ganzes Heer Testamente machen. Leb' wohl, Belisar. Ich gehe nach Rom. Ich habe durchaus nicht Lust, fünfzigtausend Goten in Verzweiflung kämpfen zu sehen. Und wie wird Kaiser Justinianus den Verderber seines besten Heeres loben!»

«Es ist eine furchtbare Wahl», zürnte Belisar.

Da trat Cethegus langsam auf den Feldherrn zu. «Belisar», sprach er mit gemütvoller, tief aus der Brust geschöpfter Stimme: «du hast mich oft für deinen Feind gehalten. Und ich bin zum Teil dein Gegner. Aber wer kann neben Belisar im Feld gestanden sein, ohne den Helden zu bewundern?»

Und seine Weise war so feierlich und salbungsvoll, wie man sie nie an dem sarkastischen Präfekten sah. Belisar war ergriffen, und selbst Prokop erstaunte.

«Ich bin dein Freund, wo ich es sein kann. Und will dir diese Freundschaft in diesem Augenblick durch meinen Rat bewähren. Glaubst du mir, Belisarius?» Und er legte die linke Hand auf des Helden Schulter, bot ihm treuherzig die Rechte, und sah ihm tief ins Auge.

«Ja», sagte Belisar, «wer könnte solchem Blick mißtrauen.»

«Siehe, Belisar, nie hat ein edler Mann einen mißtrauischeren Herrn gehabt als du. - Der letzte Brief des Kaisers ist die schwerste Kränkung deiner Treue.»

«Das weiß der Himmel.»

«Und nie hat ein Mann», - hier faßte er ihn an beiden Händen «herrlichere Gelegenheit gehabt, das schnödeste Mißtrauen zu beschämen, sich aufs glorreichste zu rächen, seine Treue sonnenklar zu zeigen. Du bist verleumdet, du trachtetest nach der Herrschaft des Abendlandes. Wohlan, bei Gott: du hast sie jetzt in Händen. Zieh in Ravenna ein, laß dir von Goten und Italiern huldigen und zwei Kronen auf dein Haupt setzen. Ravenna dein, dein blindergebenes Heer, die Goten, die Italier wahrlich, du bist unantastbar. Justinian muß zittern zu Byzanz, und sein stolzer Narses ist ein Strohhalm gegen deine Macht. Du aber, der du all dies in Händen hat, - du legst all die Macht und all die Herrlichkeit deinem Herrn zu Füßen und sprichst: <Siehe, Justinianus, Belisar ist lieber dein Knecht als der Herr des Abendlandes.) So glorreich, Belisar, ward Treue noch nie auf Erden erprobt.»

Cethegus hatte den Kern seines Herzens getroffen. Sein Auge leuchtete.

«Recht hast du, Cethegus, komm an meine Brust, hab' Dank. Das ist groß gedacht. O Justinian, du sollst vor Scham vergehn!»

Cethegus entzog sich der Umarmung und schritt zur Türe.

«Armer Witichis», flüsterte Prokop ihm zu; «er wird diesem Musterstück von Treue aufgeopfert. Jetzt ist er verloren.»

«Ja», sagte Cethegus, «er ist verloren, gewiß.» Und draußen vor dem Zelt warf er den Mantel über die linke Schulter und

sprach: «Aber gewisser noch du selber, Belisar.»

*

In seinem Quartier trat ihm Lucius Licinius gerüstet entgegen.

«Nun, Feldherr», fragte er, «die Stadt ist noch nicht übergeben. Wann geht's zum Kampf?»

«Der Kampf ist aus, mein Lucius. Leg' deine Waffen ab und gürte dich zu reisen. Du gehst noch heute mit geheimen Briefen von mir ab.» - «An wen?» - «An den Kaiser und die Kaiserin.»

«Nach Byzanz?» - «Nein, zum Glück sind sie ganz nah, in den Bädern von Epidaurus. Eile dich. In fünfzehn Tagen mußt du zurück sein, nicht einen halben später. Italiens Schicksal harrt auf deine Wiederkunft.»

*

Sowie Prokop mündlich die Antwort Belisars dem Gotenkönig überbracht, berief dieser in seinen Palast die Führer des Heeres, die vornehmsten Goten und eine Anzahl von vertrauten einfach Freien, teilte ihnen das Geschehene mit und forderte ihre Zustimmung.

Wohl waren sie anfangs mächtig überrascht: und ein Schweigen des Staunens folgte auf seine Worte. Endlich sprach Herzog Guntharis, mit Rührung auf den König blickend: «Die letzte deiner Königstaten, Witichis, ist so edel, ja edler als alle deine früheren. Dich bekämpft zu haben werd' ich ewig bereuen. Ich habe mir lange geschworen, es zu sühnen, indem ich dir blindlings folge. Und wahrlich, in diesem Fall hast du zu entscheiden, denn du opferst das Höchste: eine Krone. Soll aber ein andrer als du König sein, - leichter mögen die Wölsungen einem Fremden, einem Belisar, als einem Goten nachstehn. Und so folg' ich dir und sage: ja, du hast gut und groß gehandelt.»

«Und ich sage nein! Und tausendmal nein!» rief Hildebad. «Bedenkt, was ihr tut! Ein Fremder an der Spitze der Goten!»

«Was ist das andres, als was andre Germanen vor uns getan, Quaden und Heruler und Markomannen, auch die Franken unter jenem Römer Ägidius?» sagte Witichis ruhig, «ja, was

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