andres, als was unsere glorreichsten Könige und selbst Theoderich getan? Sie leisteten dem Kaiser Waffendienst und erhielten dafür Land. So lautet der Vertrag, nach dem Theoderich Italien von Kaiser Zeno nahm. Ich erachte Belisar nicht geringer als Zeno und mich wahrlich nicht besser Theoderichs.»
«Ja, wenn es Justinian wäre», fügte Guntharis bei. «Nie unterwarf' ich mich dem feigen und falschen Tyrannen. Aber Belisarius ist ein Held. Kannst du das leugnen, Hildebad? Hast du vergessen, wie er dich vom Gaul gerannt?»
«Schlag mich der Donner, wenn ich's ihm vergesse. Es ist das einzige, was mir an ihm gefallen hat.»
«Und das Glück ist mit ihm, wie mit mir das Unglück war. Und wir bleiben im reichen Lande hier, bleiben frei wie bisher und schlagen nur seine Schlachten gegen Byzanz. Er wird uns Rache schaffen an dem gemeinsamen Feind.»
Und fast alle Versammelten stimmten bei.
«Nun, ich kann euch nicht in Worten widerlegen», rief Hildebad. «Von je hab' ich die Zunge ungefüger als die Axt geführt. - Aber ich fühl' es deutlich: ihr habt unrecht. - Hätten wir nur den schwarzen Grafen hier, der würde sagen können, was ich nur spüre. Mögt ihr's nie bereuen! Mir aber sei's vergönnt, aus diesem ungeheuerlichen Mischreich davonzugehn. Ich will nicht leben unter Belisar. Ich zieh' auf Abenteuer in die Welt: mit Schild und Speer und groben Hieben kommt man weit.»
Witichis hoffte, den treuen Gesellen in vertrautem Gespräch wohl noch umzustimmen. Er fuhr jetzt in der Sache fort, die ihm so sehr am Herzen lag. «Vor allem hat sich Belisar Schweigen ausbedungen, bis er Ravenna besetzt hat. Es steht zu fürchten, daß einige seiner Heerführer mit ihren Truppen von einer Empörung gegen Justinian nichts wissen wollen. Diese, sowie die verdächtigen Quartiere von Ravenna, müssen von den Goten und den verlässigen Anhängern Belisars umstellt sein, ehe die Entscheidung fällt.»
«Hütet euch», warnte Hildebad, «daß ihr nicht selbst in diese Grube fallt! Wir Goten sollen uns nicht aufs Feinspinnen verlegen. 's ist, wie wenn der Waldbär auf das Seil steigt - er fällt doch über kurz oder lang. Lebt wohl - mög' es besser ausfallen, als ich ahne.
Ich gehe, von meinem Bruder Abschied zu nehmen. Der, wie ich ihn kenne, wird wohl mit diesem Römer-Gotenstaate sich versöhnen. Der schwarze Teja aber, denk' ich, zieht mit mir
davon.»
*
Am Abend durchlief die Stadt das Gerücht von einer Kapitulation. Die Bedingungen waren ungewiß. Aber gewiß war, daß Belisar auf Verlangen des Königs große Vorräte von Brot, Fleisch und Wein in die Stadt schickte, welche an die Armen verteilt wurden. «Er hat Wort gehalten!» sagten diese und segneten den König.
Dieser erkundigte sich nun nach dem Befinden der Königin und erfuhr, daß sie sich langsam wieder beruhige und erhole. «Geduld»: sprach Witichis aufatmend - «auch sie wird bald frei und meiner ledig.»
Es dunkelte bereits, als eine starke Schar berittener Goten sich aus der innern Stadt nach der Mauerlücke am Turm des Aetius wandte. Ein langer Reiter voran: dann eine Gruppe, die auf quergelegten Lanzen eine mit Tüchern und Mänteln verhüllte Last in schweren Kisten trug. Dann der Rest der stark gerüsteten Männer.
«Auf mit dem Notriegel!» rief der Führer, «wir wollen hinaus.»
«Du bist es, Hildebad?» rief der Wache haltende Graf Wisand und gab Befehl zu öffnen. «Weißt du schon, die Stadt wird morgen übergeben. Wo willst du hin?»
«In die Freiheit!» rief Hildebad und gab seinem Roß die Sporen.
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Mehrere Tage waren vergangen, bis die Königin Mataswintha sich aus den wirren Fieberphantasien und aus dem von wilden Träumen gequälten Schlummer, der auf dieselben gefolgt war, erhoben hatte.
Teilnahmslos und stumpf stand sie der ganzen Außenwelt und den gewaltigen Entscheidungen gegenüber, die sich damals vorbereiteten. Sie schien keine Empfindung mehr zu haben, als das eine Gefühl ihrer ungeheuern frevelhaften Taten.
Und rasch hatte sich der wild frohlockende Triumph des Hasses, mit dem sie, die Fackel in der Hand, durch die Nacht gestürmt war, in zerstörende Reue, in Grauen und Entsetzen verwandelt. In dem Augenblick, da sie die arge Tat getan, hatte sie der Erdstoß in die Knie geworfen: und ihr von allen Leidenschaften erregter Sinn, ihr im Augenblick des vollendeten Frevels erwachendes Gewissen glaubte, die Erde wolle sich über ihre Untat empören: sie sah die Rache des Himmel hereinbrechen über ihr schuldiges Haupt.
Und als sie nun, in ihrem Gemache wieder angelangt, alsbald die Lohe, die ihre Hand entzündet, riesengroß emporsteigen sah, als sie das tausendstimmige Wehgeschrei der Ravennaten und Goten vernahm, da schien jede Flamme an ihrem Herzen zu nagen und jede der klagenden Stimmen sie zu verfluchen. Sie verlor das Bewußtsein: sie brach zusammen unter den Folgen ihrer Tat.
Als sie die Besinnung wiedergefunden und sich allmählich des Geschehenen wieder erinnert hatte, war die Kraft ihres Hasses gegen den König völlig gebrochen. Ihre Seele war geknickt. Tiefste Reue über ihre Tat, zitternde Scheu, je wieder vor sein Antlitz treten zu sollen, erfüllten sie ganz.
Um so mehr, als sie selbst wußte und von allen Seiten vernahm, wie der Untergang der Speicher den König zur Ergebung an seine Feinde zwingen werde.
Ihn selber sah sie nicht. Auch als er einmal einen Augenblick Zeit fand, selbst nach ihrem Zustand in ihren Gemächern sich zu erkundigen, beschwor sie die staunende Aspa, um keinen Preis den König vor ihr Antlitz treten zu lassen: obwohl sie wieder seit mehreren Tagen das Lager verlassen und häufig arme Leute aus der Stadt empfangen hatte, ja die Darbenden auffordern ließ, sich bei ihr zu melden. Sie pflegte dann eigenhändig die für sie und ihren Hof bestimmten Speisen und mit maßloser Freigebigkeit Schmuck, Gold und Kostbarkeiten an sie zu verteilen.
Solchen Besuch eines Bettlers erwartete sie, als ein Mann in braunem Mantel und einer Sturmhaube wiederholt und dringend sie um die Gnade gebeten hatte, sie möchte nicht ihm, sondern einer armen Frau ihres Volkes die Gunst einer Unterredung ohne Zeugen gewähren.
Es gelte des Königs Heil: es gelte zu warnen vor tätigem, überführbarem Verrat, der seine Krone, vielleicht sein Leben bedrohe. Mataswintha gewährte eifrig die Bitte.
Mochte es ein Irrtum, ein Vorwand sein: sie durfte nicht mehr abweisen, was auch nur mit dem Vorwand seiner Rettung an sie trat. Auf Sonnenuntergang bestellte sie das Weib.
Die Sonne war gesunken. Der Süden kennt fast keine Dämmerung. Es war finster beinahe, als der schon lange im Vorsaal harrenden Frau eine Sklavin winkte. Die Königin, krank und schlaflos des Nachts, habe erst zur achten Stunde Schlummer gefunden. Eben erst erwacht, sei sie sehr schwach. Gleichwohl solle die Bittende vorgelassen werden, da es dem König gelte.
«Ist das aber auch gewiß wahr?» forschte die Sklavin. «Nicht unnütz möcht' ich meine Herrin mühen»: - es war Aspa - «wenn ihr nur Geld damit erlisten wolltet, sagt es mir frei. Ihr sollt mehr haben, als ihr begehrt: - nur schont meine Herrin. Gilt es dem König wirklich?»
«Es gilt dem König!» Seufzend führte Aspa die Frau in das Gemach Mataswinthens.
Diese erhob sich, das Haupt und Haar von dichtem Tuch umwunden, ganz in leichtes,
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