weißes Krankengewand gekleidet, im Hintergrund des großen Gemaches von dem Lager, an welchem ein runder Mosaiktisch stand. Die goldene Ampel, die über demselben in die Wand eingelassen war, brannte bereits mit mattem Licht. Sie blieb auf dem Rand des Lagers müde sitzen. «Tritt näher», sprach sie. «Es gilt dem König? Warum zögerst du? Rede.»
Das Weib deutete auf Aspa. «Sie ist verschwiegen und treu.» - «Sie ist ein Weib.» Auf einen Wink Mataswinthens entfernte sich ungern das Mädchen.
«Amalungentochter - ich weiß: nur des Reiches Not, nicht Liebe, hat dich zu ihm geführt. (Wie wunderschön ist sie obzwar todesblaß!) Doch, Gotenkönigin bist du, seine Königin - ob du ihn auch nicht liebst: sein Reich, sein Sieg muß dir das Höchste sein.»
Mataswintha griff nach der Goldlehne des Lagers. «So denkt jede Bettlerin im Gotenvolk!» seufzte sie.
«Zu ihm kann ich nicht sprechen. Aus eignen Gründen.
So sprech' ich denn zu dir, der es am meisten zusteht, ihn vor Verrat zu warnen. Höre mich.» Und sie trat näher, scharf auf die Königin blickend. «Wie seltsam», sprach sie zu sich selbst. «Welche Ähnlichkeit der Gestalt.»
«Verrat! Noch mehr Verrat?» - «So ahnst auch du Verrat?» -«Gleichviel. Von wem? Von Byzanz? Von außen? Von dem Präfekten?»
«Nein», sprach das Weib kopfschüttelnd. «Nicht von außen. Von innen. Nicht von einem Mann. Von einem Weib.»
«Was redest du?» sprach Mataswintha, noch bleicher werdend. «Wie kann ein Weib -»
«Dem Helden schaden? Durch höllische Bosheit des Herzens! Nicht mit Gewalt. Mit List und Verrat. Vielleicht bald mit heimtückischem Gift oder, wie schon geschehen - mit heimtückischem Feuer.»
«Halt ein!» Mataswintha, die sich erhoben hatte, wankte zurück an den Mosaiktisch, sich daran lehnend.
Aber das Weib folgte ihr, leise flüsternd: «Wisse das
Unglaubliche, das Schändliche! Der König glaubt und das Volk: der Blitz des Himmels habe sein Korn verbrannt. Ich aber weiß es besser. Und auch er soll es wissen. Wissen, gewarnt durch deinen Mund, zu erforschen und zu entwaffnen die Bosheit. Ich sah in jener Nacht eine Fackel durch die Speichergänge eilen, und ein Weib hat sie hineingeschleudert. Du schauderst? Ja, ein Weib.
Du willst hinweg? Nein, höre nur noch ein Wort. Dann will ich dich lassen. Den Namen? Ich weiß ihn nicht. Aber sie brach vor mir zusammen und entkam mir: doch verlor sie als Wahrzeichen, als Erkennungszeichen - diese Schlange von Smaragd.»
Und die Frau trat hart an den Tisch, dicht unter den Schein der Ampel, den Armreif erhebend.
Da fuhr die Gepeinigte hoch empor. Vor das Antlitz hob sie die beiden nackten Arme. Von der hastigen Bewegung fiel die Kopfhülle. Ihr rotes Haar flutete nieder, und durch das Haar hindurch schimmerte an ihrem Arm deutlich eine Goldspange mit smaragdner Schlange.
«Ah!» schrie das Weib laut auf. «Beim Gott der Treue! Du! Du selber bist's!
Seine Königin! Sein Weib hat ihn verraten! Fluch über dich! Das soll er wissen!»
Mit gellendem Aufschrei fiel Mataswintha auf ihr Antlitz in die Kissen zurück. Der Aufschrei brachte Aspa aus dem Nebengemach zur Stelle. Aber als sie eintrat, war die Königin schon allein. Der Vorhang des großen Eingangs rauschte. Die Bettlerin war verschwunden.
Vierundzwanzigstes Kapitel
Am andern Morgen schon sahen die Ravennaten mit Staunen
Prokop, Johannes, Demetrius, Bessas, Acacius, Vitalius und eine Reihe andrer belisarischer Heerführer in den Palast des Königs ziehen. Sie berieten dort mit ihm die näheren Bedingungen und die Formen der Übergabe.
Unter den Goten verlautete einstweilen nur: der Friede sei geschlossen. Die beiden Hauptwünsche, um derentwillen das Volk den ganzen schweren Kampf getragen, würden erreicht: sie würden frei sein und im ungeteilten Besitz des fruchtbaren Südlands bleiben, das ihnen so teuer geworden war. Das war weitaus mehr, als nach dem schlimmen Stand der gotischen Sache seit dem Abzug von Rom und dem unvermeidlich gewordnen Verlust von Ravenna zu erwarten war. Und die Häupter der Sippen und sonst die einflußreichsten Männer im Heere, die jetzt von dem bevorstehenden Schritt Belisars verständigt wurden, billigten vollständig die beschlossenen Bedingungen.
Die wenigen, welche die Zustimmung weigerten, erhielten freien Abzug aus Ravenna und Italien. Aber auch abgesehen hiervon wurde das in Ravenna stehende Gotenheer nach allen Richtungen zerstreut. Witichis sah die Unmöglichkeit ein, in der ausgezogenen Landschaft außer den Truppen Belisars mit dessen Vorräten auch noch das gotische Heer und die Bevölkerung zu versorgen: und so bewilligte er die Forderung Belisars, daß die Goten, in Gruppen von Hunderten und Tausenden, zu allen Toren der Stadt hinausgeführt und in allen Richtungen nach ihren Heimstätten entlassen würden.
Belisars fürchtete den Ausbruch gotischer Verzweiflung, wenn der arge Verrat, den man vorhatte, ruchbar würde: und er wünschte deshalb die Verteilung des aufgelösten Heeres. War er einmal im sichern Besitz von Ravenna, so erhoffte er etwaige Erhebungen auf dem flachen Lande leicht zu dämpfen. Und Tarvisium, Verona und Ticinum, die letzten festen Plätze der Goten in ganz Italien, konnten dann nicht lange mehr seiner gesamten gegen sie gewendeten Macht widerstehen.
Die Ausführung dieser Maßregeln erforderte mehrere Tage Zeit.
Erst als nur mehr wenige Mann Goten in Ravenna versammelt waren, beschloß Belisar seinen Einzug. Und auch von diesem geringen Rest wurde die Hälfte in das byzantinische Lager verlegt, die andre Hälfte in den Quartieren der Stadt verteilt unter dem Vorwand, den etwaigen Widerstand von hartnäckigen Anhängern Justinians zu brechen.
Was aber die Ravennaten und die in den Plan nicht eingeweihten Goten am meisten wunderte, war, daß nach wie vor die blaue gotische Fahne auf den Zinnen des Palastes wehte. Freilich stand ein Lanzenträger Belisars dort oben bei ihr Wache. Denn auch der Palast war schon voll von Byzantinern.
Gegen einen etwaigen Versuch des Präfekten, sich wie in Rom durch Besetzung der wichtigsten Punkte zum Herrn der Stadt zu machen, hatte Belisar vorsichtige Maßregeln getroffen. Cethegus durchschaute sie und lächelte. Er tat nichts dagegen.
Am Morgen des zum Einzug bestimmten Tags trat Cethegus in glänzender Rüstung in das Zelt Belisars.
Er traf nur Prokop. «Seid ihr bereit?» fragte er. «Vollständig.» - «Welches ist der Moment?»
«Der Augenblick, in dem der König im Schloßhof zu Pferde steigt, uns entgegenzureiten. Wir haben alles bedacht.»
«Wieder einmal alles?» lächelte der Präfekt. «Eins habt ihr mir doch noch übriggelassen. Es wird nicht ausbleiben, daß die Barbaren, sowie unser Plan gelungen und bekannt ist, im ganzen Land in heller Wut auflodern werden. Mitleid und Rachedurst für ihren König könnten sie zu sehr wilden Taten führen.
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